Friedrich Merz: Fünf Lehren aus seiner ersten Regierungserklärung

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1. Merz verspricht Aufbruch, aber zu spüren ist davon wenig

Merz’ großes Versprechen ist ein »Politikwechsel« in Deutschland, ein Aufbruch. Seine Rede sollte das vermitteln. Er sagte Sätze wie: »Wir können aus eigener Kraft heraus wieder zu einer Wachstumslokomotive werden, auf die die Welt mit Bewunderung blickt.« Doch transportieren konnte er den Aufbruch nicht. Die Rede blieb lau, wenig wird davon in Erinnerung bleiben. Merz, der eigentlich als versierter Redner gilt, blieb mit dieser ersten Regierungserklärung hinter seinen Möglichkeiten.

2. Merz will die Gräben zuschütten, die er im Wahlkampf aufgerissen hat

Ein Grund für den lauen Auftakt: Merz war rhetorisch mit angezogener Handbremse unterwegs. Mit dieser Rede wollte er niemandem wehtun und schon gar nicht polarisieren. Nachdem er im Wahlkampf noch gerufen hatte, linke Politik sei vorbei, betonte er jetzt Punkte, die dem Koalitionspartner, der SPD, wichtig sind. Er, der früher gegen »kleine Paschas« polemisierte, unterstrich nun: Deutschland ist ein Einwanderungsland. Es ist lobenswert, dass Merz als Kanzler zusammenführen will, wo er als Oppositionsführer Gräben gerissen hat. Aber wie er mit einer staatstragenden Rede Begeisterung auslösen kann – das wird Merz in den kommenden Monaten noch herausfinden müssen.

3. Merz sieht sich als außenpolitischer Kanzler

Nicht nur die ersten Tage von Merz’ Kanzlerschaft, auch diese erste Regierungserklärung zeigte, was Merz besonders wichtig ist: die Außenpolitik, das Verhältnis zu den europäischen Nachbarn, Deutschlands Platz in der Welt. Er lobte sich dafür, dass er am ersten Tag seiner Kanzlerschaft nach Frankreich und nach Polen gefahren ist. Sprach über seine Reise in die Ukraine in der vergangenen Woche. Erst danach folgten seine Pläne für mehr Wachstum und Wohlstand. Bemerkenswert: Die Begrenzung der Migration nahm nur wenig Raum ein und kam erst ganz am Schluss der Rede, dabei war das Merz’ wichtigstes Wahlkampfthema.

4. Merz vermeidet große Pläne

Dass diese Koalition nicht für Euphorie sorgt, das hat Merz selbst mehrfach eingeräumt. In seiner Regierungserklärung sagte er: »Wir wollen einen guten Rahmen setzen für das Zusammenleben der Menschen in Deutschland.« Alle sollten sich anstrengen für den gemeinsamen Wohlstand. Kleinteilig zählte er Vorhaben auf, die schon bald umgesetzt werden sollen, um die Dinge zum Besseren zu wenden. Ein großes gemeinsames Projekt, das wurde auch in Merz’ Rede deutlich, hat diese schwarz-rote Koalition (noch) nicht. Womöglich ist es aber auch nicht nötig: Gutes und geräuschloses Regieren dürfte vielen im Land schon reichen.

5. Die SPD muss mit dem neuen Kanzler noch warm werden

Wer vergangene Woche im ersten Wahlgang gegen Merz gestimmt hat, das wird man wohl nie herausfinden. Aber dass es in der SPD noch immer Vorbehalte gegen ihn gibt, das konnte man am Mittwoch im Bundestag deutlich beobachten. Lauten Applaus gab es nur, als Merz seinen Vorgänger Olaf Scholz für dessen Reaktion auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine lobte. Ansonsten wirkte es, als koste es manche SPD-Abgeordnete Überwindung, bei Merz’ Worten zu klatschen. Merz wird wohl noch einiges an Überzeugungsarbeit leisten müssen.

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