FDP-Bundesparteitag Lindner ist weg – und jetzt?
Parteichef Lindner verabschiedet sich selbstbewusst, sein Nachfolger Dürr setzt kaum Akzente. Über die Gründe für die Wahlpleite schweigen beide. Es wirkt so, als sei die neue FDP einfach die alte, trotz ihrer existenziellen Krise.
16.05.2025, 21.38 Uhr

Parteitag der FDP: Der alte Bundesvorsitzende Christian Linder gratuliert seinem Nachfolger Christian Dürr
Foto: Bernd von Jutrczenka / dpaEs gibt einen authentischen Moment in der Rede von Christian Lindner an diesem Freitagmittag. »Ihr merkt, mir fällt der Abschied nicht leicht«, sagt der scheidende Vorsitzende. »Ich will schon wieder losstürmen.«
Die FDP ist für zwei Tage in einem Tagungshotel im Berliner Südosten zu ihrem Bundesparteitag zusammengekommen. »When life gives you lemons, make lemonade« – dieser Leitspruch aus dem Handbuch des Optimismus ist über den rund 600 Delegierten auf einem gigantischen LED-Screen zu lesen, Hälften gelber Zitrusfrüchte leuchten auf dem Bühnenhintergrund.
Zur Erinnerung: Die Liberalen haben Ende Februar bei der vorgezogenen Bundestagswahl die Fünfprozenthürde gerissen, der bisherige Vizechef Johannes Vogel spricht in seiner Eröffnungsrede von einem »existenzbedrohenden Einschnitt«. Zuvor hatte die FDP bereits eine Landtagswahl nach der anderen verloren.
150 angemeldete Journalisten, 1500 Gäste – die Aufmerksamkeit ist bei diesem Parteitag nicht kleiner als in den vergangenen Jahren. Beim Abschied von Lindner, beim Start von Nachfolger Christian Dürr und seinem neuen Team, da wollen noch mal viele dabei sein. Aber es dürfte das letzte Mal sein auf absehbare Zeit, das räumen selbst liberale Strategen ein.

Lindners Abschiedsrede: Als würde er gerne weitermachen
Foto: James Zabel / Steinsiek.ch / IMAGOChristian Lindner hat seine Partei in diese Lage geführt. Elfeinhalb Jahre war er Vorsitzender der FDP, so lange wie noch keiner vor ihm, niemand hat die Liberalen so geprägt wie Lindner. Er schaffte 2017 den Wiedereinzug ins Parlament, nachdem die Liberalen vier Jahre zuvor zum ersten Mal an der Fünfprozenthürde gescheitert waren. Dieses Mal kündigte er schon am Tag nach der Bundestagswahl seinen Rücktritt an, nun verabschiedet sich Lindner von den Freien Demokraten. Minutenlang wird er nach seiner Rede beklatscht.
Kürzlich hat der Ex-Finanzminister einen Instagram-Post veröffentlicht, in dem er seine neue persönliche Freiheit zelebrierte. Lindner, 46, ist vor wenigen Wochen zum ersten Mal Vater geworden, in seiner Abschiedsrede grüßt er Gattin und Kind: »Zuhause sitzt jetzt meine Frau mit meiner Tochter auf dem Arm und schaut zu.«
Lindner scheint mit sich im Reinen
Aber wer Lindners Abschiedsrede genau zuhört, erlebt einen Mann, der wohl am liebsten weiter machen würde. Weil Politik sein Leben ist. Weil diese Partei sein Leben ist. Und weil er ziemlich im Reinen mit seiner Zeit als Vorsitzender zu sein scheint.
Lindner dankt persönlich seinen engsten Weggefährten wie dem ebenfalls scheidenden Generalsekretär Marco Buschmann, er dankt der Partei. «Ich schaue auf eine großartige Reise mit Euch zurück», sagt er. Den künftigen Vorsitzenden Dürr will Lindner nach Kräften unterstützen, kündigt er an. Aber was in der FDP schiefgelaufen ist unter seiner Führung, darüber verliert Lindner kein Wort. Den Ampel-Ausstieg verteidigt der ehemalige Finanzminister, zum Thema »D-Day« und dem massiven Glaubwürdigkeitsverlust der Liberalen sagt er nichts.

Parteitags-Optimismus: Aus Zitronen Limonade machen
Foto: Bernd von Jutrczenka / dpaVielleicht ist genau das zentrale Problem dieser Partei drei Monate nach dem Sturz in die außerparlamentarische Position. Die FDP rätselt weiter darüber, was zu dem Wahlfiasko geführt hat. Wie es wieder aufwärtsgehen soll, weiß sie erst recht nicht.
Hermann Otto Solms, FDP-Ehrenvorsitzende und Mentor des bisherigen Vorsitzenden, rührt die Delegierten zu Tränen, als er nach Lindners Rede mit brüchiger Stimme sagt: »Heute sage ich in meinem 85. Lebensjahr: Jetzt werden die Ärmel wieder hochgekrempelt und gekämpft. Jeder.« Das offizielle Parteitagsmotto lautet: »Es fängt mit Dir an.« Die Frage ist nur, in welche Richtung die FDP marschieren soll.
Die Aussprache dauert sehr lang
Kein Wunder, dass in der folgenden Aussprache stundenlang diskutiert wird. Die einen finden die Partei zu rechts, die anderen zu links, die einen warnen vor einer Meinungsdiktatur in Deutschland, die anderen vor Kulturkämpfen, die einen finden ihre Partei zu kalt, die anderen wollen mehr Klarheit. Es wogt hin und her, zwischendurch wird ein Antrag auf Ende der Debatte mit großer Mehrheit abgelehnt.
Nur eines weiß man anschließend mit Sicherheit: Die FDP ist ziemlich orientierungslos.

Neuer FDP-Chef Dürr: Man wird nicht schlau aus ihm
Foto: James Zabel / Steinsiek.ch / IMAGODann ist Christian Dürr an der Reihe. Der Mann, der die FDP retten soll. Der 48-Jährige spricht knapp 50 Minuten, dann wird gewählt. 82 Prozent. Zum Vergleich: Christian Lindner erhielt im Dezember 2013 knapp 80 Prozent als neuer Vorsitzender, aber er hatte auch zwei Gegenkandidaten.
Aus Dürrs Ergebnis wird man genauso wenig schlau wie aus seinem Auftritt.
Der neue Parteichef ist ein guter Redner, das hat er in den vergangenen Jahren schon als Fraktionsvorsitzender im Bundestag bewiesen. Dürr versucht an diesem Abend, seine Liberalen aufzurütteln und sie zu motivieren. «Ich will, dass wir inhaltlich die modernste Partei in Deutschland sind«, sagt er. »Ich will aber, dass wir auch organisatorisch die modernste Partei in der Bundesrepublik Deutschland werden.» Zum Abschluss sagt der Lindner-Nachfolger: »Uns muss als Freie Demokraten nicht bange sein.«
Wo kommen die Zitronen eigentlich her?
Dürr wünscht sich mit Blick auf den Bühnenhintergrund, dass die Partei aus den Zitronen »Tausende Liter neuer Ideen« mache. Wie das gehen soll, darauf gibt er allerdings kaum Antworten. Stattdessen hält Dürr eine Rede, die so auch Vorgänger Lindner hätte halten können. Er beschwört die Kraft der Freiheit, attackiert die Staatsgläubigen – aktuell die Regierungsparteien Union und SPD –, plädiert für eine Migrationspolitik, die auf Einwanderung in den Arbeitsmarkt setzt und weniger Einwanderung in die Sozialsysteme. Ein sehr bekannter Sound.
Und zurück zu den sauren Zitrusfrüchten: Wer Dürr zuhört, könnte glauben, sie seien den Liberalen zufällig vor die Füße gefallen oder ihnen gar von der politischen Konkurrenz hin gekippt worden. Was die FDP dafür tat, dass sie hochkant aus dem Bundestag flog, darüber verliert Dürr wie Lindner kein Wort. Und damit erst recht nicht über die Schlüsse, die er daraus ziehen will.
Was der neue Vorsitzende ankündigt, ist ein neues Grundsatzprogramm. Das sei eine »großartige Gelegenheit, uns zu öffnen«, sagt Dürr. Aber wofür?
Vielleicht hat seine designierte Generalsekretärin Nicole Büttner ein paar weitere Ideen. Aber darauf müssen die Delegierten noch warten: Büttner hält, weil die lange Aussprache die Tagesordnung nach hinten verschoben hat, ihre Bewerbungsrede erst am Samstag.