Eine umfangreiche Datenbank, in der Polizeibehörden der EU-Staaten Daten über Verdächtige, Verurteilte oder sogar potenzielle künftige Straftäter im Bereich der schweren und organisierten Kriminalität inklusive Terrorismus speichern, besteht 2025 seit 20 Jahren. Das Europol-Informationssystem (EIS) ist die zentrale Datenbank des Den Haager Polizeiamtes für kriminalpolizeiliche Informationen und Erkenntnisse. Anfangs galt Europol insgesamt im Kern als ein gewaltiges Computersystem mit einigen Beamten und Administratoren, die es bedienten und mit Daten fütterten. Das führte von Anfang an zu Kritik: Manifeste Kontrollen etwa an Grenzen, hieß es schon im EIS-Planungsstadium, würden damit durch subtile, computergestützte Überwachungsmethoden ersetzt.
Die erste Version des EIS ging 2005 in Betrieb. Als Vorläufer diente das Europol-Computersystem (TECS). Dieses entwickelten mit den Co-Gründern des Europäischen Polizeiamtes, Jürgen Storbeck und Peter Vowé, zwei frühere Beamte des Bundeskriminalamts. Schon der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) sprach lobend von einem "Euro-FBI", auch wenn dieses bis heute offiziell über keine operativen Befugnisse verfügt. Allen Beteiligten wurden von Anfang an von der Idee getrieben: Geballte Computerpower seien notwendig, um eine Antwort auf die organisierte Kriminalität in Europa zu geben.
Der Ursprung des EIS geht auf das Europol-Übereinkommen zurück. Dieses lieferte nach einigen juristischen Grauzonen die Rechtsgrundlage für die Einrichtung eines "computergestützten Informationssystems", in das die EU-Mitgliedstaaten im Einklang mit ihren nationalen Verfahren Daten direkt eingeben konnten. Dazu kommen Informationen von Dritten sowie Analysedateien die Europol selbst erstellt. Auf den Datenberg können seit 20 Jahren berechtigte nationale Stellen der EU-Länder, Verbindungsbeamte und entsprechend befugte Europol-Mitarbeiter zugreifen.
Über 1,7 Millionen Einträge im EIS
"Das EIS war einer der Pioniere des Informationsaustauschs auf europäischer Ebene für Strafverfolgungsbeamte", blickt die Den Haager Behörde selbst im Jubiläumsjahr auf die Anfänge zurück. Das System habe es Nutzern ermöglicht, "einfach zu überprüfen, ob Informationen zu einer bestimmten Person, einem Auto, einem Telefon oder einem anderen Objekt, das im Rahmen einer Ermittlung von Interesse ist, über nationale oder organisatorische Zuständigkeitsbereiche hinaus verfügbar waren".
Im Grunde funktioniert das EIS weiter als Referenzsystem nach dem Prinzip "Treffer/Kein Treffer". Berechtigte können darüber abfragen, ob bei Europol, Polizeibehörden der Mitgliedsstaaten oder Kooperationspartnern wie Interpol ein korrelierender Datensatz vorhanden ist. Das belegt, dass dort gegen die betreffende Person bereits ermittelt wurde, und eröffnet auf Anfrage einen Zugriff auf diese Informationen. Für die Suche können etwa Namen, Sozialversicherungs- und Telefonnummern sowie E-Mail- und IP-Adressen eingegeben werden. Das Verzeichnis umfasst auch Lichtbilder, DNA-Daten und Fingerabdrücke.
"Die EIS-Nutzergemeinschaft ist im Laufe der Jahre erheblich gewachsen", erklärt Europol. Daneben habe sich auch die Menge der in dem System verarbeiteten Daten "weiterentwickelt", sodass nun jeder Ermittler in der EU "effizienter" auf die gespeicherten Informationen zugreifen kann. Dies habe zu Rekordabrufen geführt: Schon 2023 seien mehr als 14 Millionen Suchvorgänge durchgeführt worden. 2024 waren dem Amt zufolge "mehr als 1,7 Millionen Dateneinheiten verfügbar".
Big-Data-Analysen sind heftig umkämpft
Nach dem Verknüpfen mit dem Schengen-Informationssystem (SIS) soll das EIS zeitnah ein wichtiger Bestandteil einer neuen Computerarchitektur zur systematischen Überprüfung administrativer Anträge von Nicht-Schengen-Bürgern werden, die in den Schengen-Raum einreisen wollen. Dafür ist die Inbetriebnahme des Europäischen Reisegenehmigungssystem (ETIAS) nach vielen Verzögerungen aktuell für Ende 2026 geplant. Die darüber eingereichten Reiseanträge sollen automatisch mit den EIS-Daten abgeglichen werden. Künftig werden ähnliche Verfahren dem Plan nach für Visumantragsteller über das aufgebohrte Visa-Informationssystem greifen. Im Prinzip soll eine Biometrie-Superdatenbank entstehen, vor der im Vorfeld nicht nur Datenschützer warnten.
Aufsichtsbehörden haben das EIS wiederholt als eine Art "Datenwaschanlage" und übermäßige Drehscheibe kritisiert. Strafverfolgungsbehörden können ihnen zufolge im Zweifel umfangreichere personenbezogene Dossiers in Den Haag "parken", als es ihnen im nationalen Bereich erlaubt ist. Der EU-Datenschutzbeauftragte Wojciech Wiewiórowski rügte 2020, dass Europol-Ermittler mit dem Sammeln und Analysieren nicht mehr überschaubarer Datenmengen ihre Befugnisse überschritten und rechtswidrig gehandelt hätten. Unverdächtige wie Opfer, Zeugen oder Kontaktpersonen liefen so Gefahr, "unrechtmäßig mit einer kriminellen Aktivität in der gesamten EU in Verbindung gebracht zu werden". Trotzdem werden die Europol-Kompetenzen ständig erweitert.
(nen)