Keine Woche nach dem Finale in der Champions League spielen zwei Helden von München in Stuttgart gegen Spanien - und verlieren. Warum drohte den Franzosen zeitweise eine Klatsche? Und was macht Hoffnung?

Einer von zahlreichen hochkarätigen Offensivspielern: Randal Kolo Muani. IMAGO/MIS
Man könnte es sich leicht machen und die 4:5-Niederlage der Franzosen gegen Spanienim zweiten Halbfinale dieser Nations League auf das Fehlen der halben Defensivabteilung schieben. Auf die Strapazen von zwei Startspielern nach dem Finale in der Champions League (5:0 gegen Inter Mailand) und auf eine Saison, die einfach nicht zu Ende gehen will. Und ja, all diese Faktoren treffen in Teilen auch zu: Es ist zu viel. Zu viel der Verletzungen, zu viel der Belastung. Doch warum wurde diese Ansammlung von Weltstars von einer nicht minder starken Truppe phasenweise zerlegt beziehungsweise mit Toren mächtig distanziert?
Immerhin: Les Bleus kamen zurück, verloren am Ende nach 0:4- und 1:5-Rückständen nur 4:5.
Zum einen spielt eine Rolle, dass keiner der Offensivspieler im Halbfinale von Stuttgart seine gesamte Qualität über die Spieldauer auf den Platz bringen konnte. Zuvor war viel über die Aufstellung diskutiert worden, immerhin kämpfen im Angriff mit Desiré Doué, Bradley Barcola und Ousmane Dembelé drei Champions-League-Sieger von Paris Saint-Germain, mit Inter Mailands Marcus Thuram ein Finalist (gegen Spanien gar nicht eingesetzt), mit Michael Olise ein Bayern-Profi und mit Kylian Mbappé der Kapitän sowie Real-Star um vier Plätze. Und gegen Ende der Partie wurde auch klar, wie viel Qualität im französischen Sturm steckt. Warum nicht gleich so?
Versucht haben sie es ja, die Franzosen, trafen aber ein ums andere mal nicht ins Tor. Ob nun Spaniens Keeper Unai Simon oder die Präzision des jeweiligen Schützen Schuld waren. Da fehlte die letzte Konsequenz, die Effizienz. Anders ausgedrückt: der Kopf. Als dieser bei allen wieder eingeschalten, frisch war, fielen sie, die Treffer. Sogar durch Randal Kolo Muani, der bei Paris aussortiert, bei Juventus Turin längst nicht so herausragend wurde wie einst bei Eintracht Frankfurt. Aber: Er hatte zwei gute Chancen, eine davon nutzte er. Ähnlich wie die effizienteren Spanier, die dazu noch zur richtigen Zeit zur Stelle waren.
Auch Doué zeigte in einigen Szenen, warum er vor Wochenfrist der beste Akteur seiner PSG-Finalsiegermannschaft war, lieferte sich auf seiner linken Seite intensive Duelle mit Lamine Yamal, trickste, lief. Ohne dabei jedoch zu treffen. Und das galt in der ersten knappen Stunde für jeden Franzosen. Erst Mbappé machte mit seinem selbst herausgeholten Elfmeter Hoffnung.
Stichwort Hoffnung. Auf der Zehn machte Olympique Lyons Rayan Cherki, der auch in der Bundesliga (etwa Leverkusen) Interesse weckt, seine Sache herausragend. Der technisch feine Mittelfeldspieler bediente zunächst Malo Gusto auf der rechten Seite, der mit seiner Hereingabe das 3:5 erzwang. Das 2:5 hatte Cherki keine fünf Minuten zuvor selbst besorgt. Womit wir wieder beim Kopf wären. Oft steht er sich nämlich selbst im Weg. Dass er die Qualität hat, zeigte er nicht zuletzt mit seinem überragenden Treffer.
Erhält Cherki gegen Deutschland von Beginn an seine Chance?
Der 21-Jährige könnte somit nach seiner ersten Berufung ins A-Team der Franzosen ein fester Bestandteil des Aufgebots werden. Sicher, Michael Olise vom FC Bayern hat auf der Zehn keineswegs enttäuscht, blieb jedoch am Ende ohne Tor und Vorlage. Bekommt Cherki also schon am Sonntag (15 Uhr, LIVE! bei kicker) gegen Deutschland im Spiel um Platz 3 eine weitere Möglichkeit, sich für die WM im kommenden Jahr zu empfehlen? Nicht unwahrscheinlich.
Um gegen die DFB-Elf wenigstens den 3. Platz in der Nations League zu holen, müssen die Franzosen aber an ihrer Effizienz arbeiten. Dass sie diese weniger an den Tag legten als im Verein, lag zumindest bei den PSG-Profis auch daran, dass sie lange nicht so hoch pressten wie bei den Hauptstädtern. Ein schnelles Umschalten war gegen die Spanier gar nicht gefragt, es ging auch um das Erspielen von Chancen, aus einer Ballbesitzphase heraus. Auch darauf muss sich die DFB-Elf gefasst machen.
Michael Postl