EM 2025: Ann-Katrin Bergers riskante Spielweise gegen Dänemark sorgt für Diskussionen

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DFB-Torhüterin und ihre Dribblings Wird Ann-Katrin Berger zur Gefahr für das deutsche Spiel?

Das Spiel gegen Dänemark stand auf der Kippe, da fing die deutsche Torhüterin Ann-Katrin Berger plötzlich an zu dribbeln. Das gefiel Bundestrainer Christian Wück gar nicht.

Aus Basel berichtet Jan Göbel

09.07.2025, 13.56 Uhr

Ann-Katrin Berger (r.) mit der dänischen Spielerin Signe Bruun

Ann-Katrin Berger (r.) mit der dänischen Spielerin Signe Bruun

Foto:

Bernadett Szabo / REUTERS

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Janina Minge ahnte, dass jemand hinter ihr stand. Immer wieder blitzten ihre Augen zur Seite. Doch von ihrer Position in der Interviewzone des St. Jakob Parks aus konnte die deutsche Kapitänin nicht erkennen, wer diese Person war.

Vielleicht wusste die Innenverteidigerin es trotzdem, denn normalerweise steht hinter ihr nur noch eine andere Spielerin.

Also sagte Minge: »Ann-Katrin strahlt eine enorme Sicherheit aus.« Sie antwortete auf die Frage, wie sie die riskanten Dribblings der deutschen Torhüterin Ann-Katrin Berger im zweiten EM-Spiel gegen Dänemark gesehen habe. »Wenn ich den Ball zu ihr zurückspiele, weiß ich, dass er gut aufgehoben ist. Ich habe volles Vertrauen in sie.« Ihre Augen blitzten wieder zur Seite.

Ann-Katrin Berger

Ann-Katrin Berger

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Alexander Hassenstein / Getty Images

Dann sprach die Person aus dem Hintergrund, die sich die Kappe tief ins Gesicht gezogen hatte. »Ich gebe dir dann später einen aus, Janina.«

Es war Berger selbst, die hinter Minge stand und den lobenden Worten ihrer Teamkollegin lauschte. Minge wirkte fast erleichtert, als sie sich zu Berger drehte. »Puh, Glück gehabt«, sagte sie.

Berger strahlt Ruhe aus, manchmal vielleicht zu viel Ruhe

Berger, 34, war erst vor einem Jahr beim olympischen Fußballturnier unter Horst Hrubesch zur Nummer eins im deutschen Tor geworden. Dort wurde sie in mehreren Partien zur überragenden Spielerin, trat gar selbst bei einem Elfmeterschießen als Schützin an, wurde wegen eines gehaltenen Elfmeters in der Nachspielzeit gegen Spanien zur Bronze-Heldin.

Wenn alles laut und hektisch wird, strahlt Berger Ruhe aus. Diesen Eindruck hat man oft, auch jetzt bei der EM, wo die DFB-Auswahl bereits vorzeitig im Viertelfinale steht. Man kann aber auch einen anderen Eindruck bekommen.

Ihr Spiel hat eine Eigenart: Bei Rückpässen geht sie gern in Zweikämpfe mit den Gegnerinnen, dribbelt in Bedrängnis und will plötzlich Fußball spielen. Gegen Dänemark, in diesem engen Spiel, das nach einem 0:1-Rückstand gerade noch gewonnen wurde, machte sie das gleich mehrfach. Etwa kurz nach dem 1:1 gegen die dänischt Torschützin Amalie Vangsgaard, sogar noch in der Schlussphase konnte man vergleichbare Szenen beobachten.

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Von den rund 34.000 Fans schwappte ein Raunen auf das Spielfeld – eine Mischung aus Begeisterung und der Frage: Wie kann sie nur?

Bundestrainer Christian Wück war über diese Szenen jedenfalls nicht erfreut. »Nein«, antwortete er auf die Frage, ob er diese riskante Spielweise gutheiße. »Mehr kann ich erst mal nicht sagen. Aber ich kann sagen, dass wir andere Lösungen finden müssen, sonst werde ich nicht alt.«

Ihm war es ernst damit.

Berger: »Ich fühle mich dabei sehr sicher«

Die Worte des Bundestrainers machten dann auch in den Katakomben die Runde, wo die Spielerinnen auf dem Weg zum Mannschaftsbus noch für Interviews anhielten. Minge gab der Torhüterin Rückendeckung, Sjoeke Nüsken sagte, dass Berger vielleicht auch ein- oder zweimal öfter den Ball lang schlagen könnte. »Sie wird daraus ihre Lehren ziehen«, sagte die 24-Jährige.

Dann sprach Berger selbst.

Sie habe ihre Dribblings auch auf Video aus der Zuschauerperspektive gesehen. Da würden diese Aktionen auch ihr riskant vorkommen.

Wenn sie aber unten auf dem Platz steht, käme ihr die Spielweise »ganz normal vor«. »Ich fühle mich dabei sehr sicher.« Sie werde sich die Kritik des Bundestrainers zwar anhören und das Dribbling »vielleicht minimieren, aber komplett werde ich es nicht weglassen«.

 Bewegende Lebensgeschichte

Torhüterin Berger: Bewegende Lebensgeschichte

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Matthias Hangst / Getty Images

Im immer besser ausgeleuchteten Fußball haben die kommenden Gegnerinnen die Berger-Szenen sicher genau beobachtet. In einem möglichen Viertelfinale könnten die schnellen Französinnen warten, darunter Spielerinnen wie die technisch gut ausgebildete und temporeiche Marie-Antoinette Katoto.

Berger könnte plötzlich zum Risikofaktor werden, wenn sie diesen Stil beibehält und wenn die Gegnerinnen diese vermeintliche Schwachstelle ganz bewusst nutzen wollen. Wenn sie Berger immer wieder mit hohem Tempo anlaufen.

Gleichzeitig muss man jedoch sagen: Berger ist 34 Jahre alt und hat schon immer so gespielt. Das dürfte niemandem neu sein. Vielleicht muss man ihr gerade deswegen vertrauen.

Konkurrenzkampf ausgesetzt

Für das noch junge Team ist Berger als eine der erfahrensten Spielerinnen ein besonders wichtiger Rückhalt – auch als Mensch. Das gilt erst recht nach der verletzungsbedingten Abreise von Giulia Gwinn. In ihrer Karriere machte sie zweimal eine Krebserkrankung durch, zuletzt 2022, und kämpfte sich beide Male zurück auf den Fußballplatz. Nach Olympia sagte sie dem SPIEGEL, dass sie aber nicht immer wieder mit dieser Krankheitsgeschichte in Verbindung gebracht werden wolle. Zwar sei es toll, Leuten mit ihrem Comeback Mut zu machen , aber in erster Linie sei sie Sportlerin.

Deshalb sei die Chance ihres Lebens gewesen, als Hrubesch sie bei Olympia zur Nummer eins machte. Einen solchen Rückhalt von einem Trainer habe sie nie zuvor erfahren, sagte sie. Jetzt bei der EM spielt Berger aber erst ihr erstes wirklich wichtiges Turnier im Fußball.

Man sollte Wücks Worte nicht überbewerten, aber es ist schon bemerkenswert, die Spielweise der Torhüterin mitten im Turnier öffentlich zum Thema zu machen.

Trotz der herausragenden Olympia-Leistungen Bergers hatte Wück bei seinem Jobantritt im vergangenen Herbst die Torhüterinnen einem Konkurrenzkampf ausgesetzt. Der Kampf ums Tor war jedoch schnell wieder beendet, da sich niemand sonst aufdrängte. Im EM-Kader stehen mit Stina Johannes (drei Länderspiele) und Ena Mahmutovic (ein Länderspiel) noch zwei Torhüterinnen, die sehr wenig internationale Erfahrung mitbringen.

In den kommenden Tagen soll es ein Gespräch zwischen Wück und Berger geben. Die Torhüterin sagte: »Mal gucken, was er zu sagen hat.«

Es klang so, als müsste der Trainer sehr gute Argumente haben, um Berger von ihrem Spielstil abzubringen. Ihr etwa ein Gegentor zeigen, das sie mit ihrem Stil bei dieser EM verschuldet hat. Aber einen solchen Beleg gibt es nicht, zumindest bisher nicht.

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