Eine Woche nach dem Amtsantritt der schwarz-roten Regierung sieht die Unionsfraktion im Bundestag noch Verbesserungsbedarf bei der Zusammenarbeit der Koalition. Die Forderungen von Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) zu Rente und Arbeitszeiten hätten „schon für Irritationen bei uns in der Fraktion gesorgt“, sagte deren erster parlamentarischer Geschäftsführer, Steffen Bilger (CDU), am Dienstag. „Auch die Regierungsmitglieder sollten sich an dem orientieren, was im Koalitionsvertrag vereinbart ist.“
„Es sind politisch herausfordernde Zeiten“, betonte Bilger, der das Amt von Thorsten Frei übernommen hat, der nun Kanzleramtsminister ist. „Da kann man es sich einfach nicht erlauben in der Politik, solche Streitereien zu führen, wie es jetzt in der ‚Ampel‘ an der Tagesordnung war.“
Dies gelte auch „für aktuelle Debatten“ in der schwarz-roten Koalition, mahnte Bilger mit Blick auf die Forderung von Bas, auch Beamte und Selbstständige in die gesetzliche Rentenversicherung einzubeziehen. Um in der Koalition zu einer besseren Zusammenarbeit zu kommen, verwies der Parlamentsgeschäftsführer auf vereinbarte regelmäßige Treffen des Koalitionsausschusses. Dieser werde „eine sehr wichtige Rolle haben“ und auch „in einer kleineren Zusammensetzung“ als zu „Ampel“-Zeiten tagen.
Er glaube, dass dies dazu führen werde, dass „vertrauensvoller, ergebnisorientierter gesprochen werden kann“, betonte Bilger. Er verwies darauf, dass reibungslose Starts von Regierungen selten seien, hier müsse sich „manches erst entwickeln“. Wenn sich alle an die Vereinbarungen hielten, könne es aber doch noch „ein harmonisches und auch zielorientiertes Arbeiten werden in der Koalition“.
Neue Regierung will vor der Sommerpause „wesentliche Schritte vorwärts“ machen
Die neue Bundesregierung will nach Angaben von Kanzleramtsminister Frei zügig erste Vorhaben auf den Weg bringen. In der nächsten Woche würden Gesetzentwürfe in den Bundestag eingebracht, die den Koalitionsvertrag umsetzen, sagte er beim Wirtschaftstag des Wirtschaftsrats der CDU in Berlin.
Mit Blick auf die Startphase erläuterte Frei: „Wir werden uns keine 100 Tage Zeit lassen, sondern unsere Zielvorgabe sind die ersten 70 Tage.“ Dann gehe der Bundestag in die Sommerpause, und bis dahin sollten „wesentliche Schritte vorwärts“ gegangen sein. Das heiße, eine Reihe von Gesetzen auf den Weg zu bringen und einige auch schon im Bundesgesetzblatt zu stehen haben.
Der CDU-Politiker machte deutlich, dass Union und SPD klare Prioritäten im Koalitionsvertrag festgelegt hätten. Er betonte das Ziel eines deutlichen Bürokratieabbaus unter anderem mit Blick auf Planungen und Genehmigungen beim Wohnungsbau. „Das kostet wenig oder nichts und bringt viel.“
Frei nannte auch die geplante Abschaffung des deutschen Lieferkettengesetzes für Standards in Produktionsländern oder den Wandel von der Tageshöchstarbeitszeit hin zu einer Wochenhöchstarbeitszeit, die Firmen und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mehr Flexibilität gebe.
Strompreise sollen schnell reduziert werden
„Gerade, wenn wir jetzt schnell starten würden, die Strompreise zu reduzieren, wäre das ein wichtiges Signal“, sagte Steffen Bilger am Dienstag in Berlin. Der neue Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Alexander Hoffmann, nannte das Begrenzungsgesetz bei Migration sowie ebenfalls die Senkung der Stromkosten für Verbraucher und Wirtschaft vordringlich. Das seien wichtige Punkte vor der Sommerpause, damit die Bürger die Botschaft verstünden, dass es eine neue Bundesregierung gebe.
Bilger erwähnte bei den raschen Vorhaben die Reform des Bürgergelds und des Arbeitszeitgesetzes sowie die sogenannte Aktivrente, die Arbeit auch nach dem Erreichen des Renteneintrittsalters attraktiver machen soll. „Das ist wahrscheinlich alles ein bisschen viel für die ersten Wochen vor der Sommerpause“, räumte der CDU-Politiker ein. Zumal die SPD ihrerseits ebenfalls Anliegen habe, die für sie dringlich halte. Aber das Ziel müsse sein, „dass wir vor der Sommerpause noch einiges zum Abschluss bringen“.
Zugleich verteidigte der CDU-Politiker, dass Kanzler Friedrich Merz die Abschaffung der europäischen Lieferkettenrichtlinie gefordert hatte – was wie Bas’ Rentenvorschlag nicht im Koalitionsvertrag steht. Die schwarz-rote Koalition wolle aber einen Bürokratieabbau. „Und da finde ich dann diese Positionierung, die Friedrich Merz in Brüssel geäußert hat, schon absolut legitim.“ Die SPD sieht dies anders und fordert, dass Merz seine Äußerung korrigiert. (AFP/dpa/Reuters)