Dokuserie „Wie die Liebe geht“: Verliebt, verlobt, verheiratet, geschieden

vor 2 Tage 4

Eigentlich klingt es nach einem spannenden Sozialexperiment: Vier Paare, die sich in der Phase der Familiengründung befinden, werden acht Jahre lang von der Kamera in ihrem Alltag begleitet. Bei wem festigt sich die Beziehung, bei wem bricht sie auseinander, und aus welchen Gründen glückt oder scheitert die Liebe? Die fünfteilige ARD-Dokuserie „Wie die Liebe geht“ der Regisseurinnen Judith Keil und Antje Kruska, die in zweieinhalbstündiger Filmversion bereits Anfang des Jahres in den Kinos lief, hat das Experiment gewagt und dafür junge Familien gecastet, die unterschiedlicher nicht sein könnten.

Die beiden Frauen wollen ein Kind

Die Pflegerin Sarah und die Truckerin Patty sind ein frisch verliebtes lesbisches Paar, das nach der Traumhochzeit in Weiß Nachwuchs mittels künstlicher Befruchtung plant. Das ist sehr teuer und kann auch mehrere Anläufe benötigen. Doch die beiden Verliebten sind fest entschlossen. Weniger romantisch geht es beim zweiten Paar zu: Wissenschafts-Nerd Benni, der in der Promotion steckt, ist mit den Bedürfnissen seiner Frau Nici und des kleinen Kindes überfordert. Am liebsten trinkt er nach den stressigen Tagen im Labor mit seinen Punkband-Freunden Bier und grölt sich die Seele aus dem Leib. Die Beziehung ist für ihn zunächst ein Korsett.

Vier Kinder von drei Frauen

Wie ein Klischee wirken Michi und ­Improvisationstheater-Enthusiastin Louis, das polyamore Berliner Paar, wobei Michi mit dem offenen Beziehungsmodell und der Extrovertiertheit seiner Partnerin von Anfang an tief unglücklich scheint. Und dann gibt es noch das Paar, dem man die wenigsten Chancen zuschreibt: Malermeister Mirko, der bereits vier Kinder von drei Frauen hat, und seine Freundin Nicola, die versucht, den Patriarchen mit ihren Kochkünsten glücklich zu stimmen.

 Nicola und Mirko bei der Einschulung ihrer Tochter Ida.Bitte lächeln: Nicola und Mirko bei der Einschulung ihrer Tochter Ida.rbb/Keil Kruska Film

„In acht Jahren hat das wahre Leben ein Drehbuch geschrieben, das abwechslungsreicher, überraschender und manchmal auch härter ist, als wir es uns vorstellen konnten“, sagen die beiden Filmemacherinnen zu ihrer Serie. Sie haben sich in ihrer Studienzeit in einem Dokumentarfilmseminar von Andres Veiel kennengelernt und drehen schon seit den Neunzigerjahren im Zweierteam Filme. Es sei immer sehr berührend und faszinierend, wenn die Zeit die Geschichten erzähle und erlebbar werde, wie vergänglich und veränderbar das menschliche Leben sei.

Tatsächlich funktioniert die Dokuserie insofern, als dass es sich um eine Langzeitbeobachtung handelt. Zeit vergeht. Zeit, in der so einiges passiert: Geburten, Scheidungen, die Corona-Pandemie. Während Letzterer können der ansonsten dauergestresste Nachwuchswissenschaftler Benni, seine Partnerin Nici und der Nachwuchs endlich genügend Zeit miteinander verbringen und zueinander finden – aber auf dem Höhepunkt des Familienglücks ereignet sich die Katastrophe. Nach der Verteidigung seiner Doktorarbeit erleidet Benni eine Hirnblutung und bleibt beeinträchtigt im Rollstuhl zurück.

Auch wenn diese Geschichte wirklich berührt, hat man bei der Dokuserie insgesamt den Eindruck, eine soziologisch informierte Variante des Reality-TV zu sehen. Immer wieder kommen Fremdschamgefühle auf, sei es wegen Mirkos Machosprüchen und Outfit – ein Männermagazincover mit nackter Frau ziert sein Lieblingsshirt – oder Sarahs Gang zum Tattoostudio während einer depressiven Phase, von dem man ihr doch dringend abraten möchte.

Bei den Protagonisten handelt es sich nicht um Sympathieträger. Das mag vielleicht beabsichtigt sein, mit dem Gedanken, den Alltag von „Paaren von nebenan“ zeigen zu wollen. Für eine Dokuserie in fünf Teilen erfahren wir aber zu wenig von den Menschen selbst. Wir erleben als Zuschauer zwar viele intime Momente mit – Kuscheln auf dem Sofa, endlose Beziehungsgespräche, sogar eine Hausgeburt in der Badewanne –, aber die Porträtierten selbst bleiben uns fremd. Die Konzentration auf die Beziehungen ist sicher gewollt, schließlich geht es der Serie um die Liebe, um das Zwischenmenschliche, nicht um den Einzelnen. Aber ohne Tiefenprofile der Beteiligten kann das nicht gelingen. Letztlich lernt man aus dem Sozialexperiment „Wie die Liebe geht“: Zu glauben, allein die Zeit erzähle die Geschichten, ist ein Trugschluss.

Wie die Liebe geht ist in der ARD-Mediathek verfügbar. Der RBB sendet in seinem dritten Programm am 30. Dezember um 23.55 Uhr eine 90-minütige TV-Fassung.

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