Die Pressekonferenz am Donnerstag vor dem ersten Pflichtspiel, am Samstag im Pokal beim Oberligisten FK Pirmasens, brachte noch keine Antwort auf die Kapitänsfrage. Dass sich die Suche so kompliziert gestaltet, ist Ausdruck einer gesprengten Hierarchie.

Nachfolger gesucht: Sebastian Schonlau wird die Kapitänsbinde beim HSV nach vier Jahren abgeben. picture alliance / Eibner-Pressefoto
Die Notwendigkeit zur Veränderung hatten sowohl Trainer Merlin Polzin als auch Sportvorstand Stefan Kuntz und Sportdirektor Claus Costa nach dem Aufstieg gesehen. Die Folge nach dem Ende der Vorbereitung: Der HSV hat viele neue Spieler, aber noch keinen klaren Anführer. Sebastian Schonlau, vier Jahre ein führungsstarker Kapitän, spielt sportlich nur noch eine Nebenrolle und soll abgegeben werden; Stellvertreter Ludovit Reis ist im Sommer zu Club Brügge gewechselt; der emotionale Anführer Davie Selke stürmt nun für Baseksehir in Istanbul; Jonas Meffert, der die Binde in der Vorbereitung wiederholt getragen hat, kämpft im Mittelfeld gegen Nicolai Remberg um seinen Stammplatz. Wer bleibt da eigentlich übrig?
Muheim und Elfadli sind Anwärter
Der Trainer hat öffentlich immerhin angekündigt, dass die Entscheidung noch vor der Abreise zur Pokalpartie ins Saarland getroffen und auch intern kommuniziert werden soll. "Die Mannschaft wird am Freitag darüber informiert", sagt Polzin. Klar ist: Der Spielführer wird bestimmt: "Wir werden im Trainerteam aus einem Kreis von Spielern auswählen, haben aber natürlich auch in die Mannschaft hineingehört und geschaut, zu wem die Rolle passt." Auch Schonlau wurde vor vier Jahren als Neuling aus Paderborn vom damaligen Trainer Tim Walter ausgewählt - und war eine dermaßen gute Wahl, dass sich die Frage in den Folgejahren nie wieder gestellt hat.
Nun gilt es eine neue Hierarchie zu bilden, und der Umstand, dass nur wenige Säulen aus der Aufstiegssaison noch eine tragende Rolle spielen, macht das Unternehmen so schwierig. Am vergangenen Samstag beim 0:2 auf Mallorca führte Miro Muheim die Mannschaft aufs Feld und ist zwangsläufig ein Kandidat. Der Schweizer Nationalspieler ist innerhalb der Gruppe überaus beliebt und anerkannt, ist sportlich unverzichtbar - aber eher der Typ "leiser Leader". Wie im Vorjahr gesetzt ist auch Daniel Elfadli. Der Ex-Magdeburger soll der zentrale Mann in der Dreierkette sein, hat sich durch seine vorzeitige Vertragsverlängerung während der Vorbereitung zudem zum HSV bekannt. Auch er ist ein Anwärter.
Gegen Heuer Fernandes spricht die offene Torwartfrage
Ein Wortführer in der Kabine ist auch Daniel Heuer Fernandes. Der 32-jährige Deutsch-Portugiese bringt viele Voraussetzungen mit, ist ein Aufstiegsheld, anerkannt in der Kabine, kennt die Wucht des Vereins seit sechs Jahren und hat zudem eine überzeugende Vorbereitung absolviert. Der Haken: Der Torwart ist nicht gesetzt. Polzin hatte am vergangenen Wochenende auf Mallorca erklärt, dass er das Duell zwischen dem Ex-Darmstädter und Bayern-Leihgabe Daniel Peretz erst nach dem Pokalspiel entscheiden wird. Das spricht gegen den Kapitän Heuer Fernandes, zumal der Coach angekündigt hat: "Samstag wird jemand auf dem Platz stehen, der aller Voraussicht nach der Kapitän für die ganze Saison bleibt."
Da ein Vorgriff auf die Torwart-Entscheidung ausgeschlossen ist, wird der neue Kapitän also ein anderer als Heuer Fernandes sein. Und Polzin ist sicher, dass trotz der großen und immer noch nicht abgeschlossenen Umbaumaßnahmen sowie der komplizierten Chef-Suche kein Führungs-Vakuum entsteht: "Die Hierarchie wird sich bilden, wenn die Mannschaft komplett ist."
Sebastian Wolff