Der Wiener Musikmanager Stefan Redelsteiner im Gespräch über Wanda, Bilderbuch und Co.

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Stefan Redelsteiner ist eine Schlüsselfigur der neueren österreichischen Musikszene. Bevor er Manager der Band Wanda wurde, hat er mit seinem Label Pro­blembär Records den Sänger bekannt gemacht, der sich „Der Nino aus Wien“ nennt. Mit dem Musiker Herwig „Fuzz­man“ Zamernik betreibt Redelsteiner das Wiener Lotterlabel, bei dem auch Voodoo Jürgens unter Vertrag ist. Im Verlag des Stadtmagazins „Falter“ erscheint jetzt Gerhard Stögers Redelsteiner-Biographie „Der Problembär“. Zeit für eine Zwischenbilanz.

Der Nino aus Wien, Voodoo Jürgens und Wanda haben mit Ausnahme des Dialekts wenig gemein. Was hat Sie von ihnen überzeugt?

Ich habe bei allen dreien an die Musik geglaubt. Problembär Records war kein Business, wir wollten einfach coole Musik machen. Beim Nino gab es ein paar Zufälle, die ihn aus der unbekannten Indie-Szene geholt haben. Voodoo war von Anfang an breitenwirksamer, seine betont wienerische Art ist in Österreich sehr beliebt. Bei Wanda war es Glück, dass ihre Mainstream-Tauglichkeit auf mein Interesse für Musik traf. Marco Wanda hat einfach ein Pop-Gen, da war der Erfolg vorprogrammiert.

Den Aufkleber „Austropop“ mögen Sie nicht.

Ich kann weder mit dem alten noch mit dem neuen Austropop viel anfangen, außer halt mit den Bands, mit denen ich zusammengearbeitet habe.

Nicht mal Felix Kramer oder Anna Mabo?

Die zwei finde ich sehr gut, aber es ist halt nichts für mich. Man kann auch schwer erklären, wieso einem Spaghetti Carbonara oder Penne Arrabbiata besser schmecken.

Es müssen die richtigen Nudeln sein?

Ich wollte mich einfach von meiner Herkunft aus dem Wiener Arbeiterbezirk Floridsdorf distanzieren. Im Buch wirkt das ein wenig wie eine Abrechnung mit meiner Kindheit. Der Austropop ist ein Symbol dafür. Aber ich bin auch kein großer Fan von österreichischen Filmen wie „Muttertag“ oder „Indien“. In Wahrheit bin ich natürlich ein Produkt von all dem.

Der „Grind“ als Erfolgskonzept

In Deutschland sind Nino, Voodoo und Wanda beliebt, touren regelmäßig. Warum ist österreichische Musik hierzulande so erfolgreich?

Das Lob aus Deutschland war hilfreich, um in Österreich ernst genommen zu werden. Die meisten Platten verkaufen wir in Österreich – in Deutschland schreiben einfach mehr Feuilletons darüber. Aber mit Ausnahme der Medienstädte München, Hamburg und Berlin müssen wir in den meisten deutschen Städten noch kleine Club-Gigs spielen. Es ist nicht so, als erwarteten im Ruhrpott die kreischenden Massen den Nino.

Bestätigen die Musiker vielleicht ein Bild, das man in Deutschland über Österreich hat?

Ich denke, dass man hier positiv und negativ fasziniert ist von Österreich als einem Land, das zwar dieselbe Sprache spricht, aber kulturell andersartig ist. Besonders Ostösterreich besteht aus einer Mixtur aus Tschechen, Ungarn, Italienern, Deutschen, Türken. Die österreichischen Musiker sind das Pendant zu den früheren langhaarigen muskulösen Latin Lovers aus dem Fernsehen. Wir werden einfach exotisiert.

Ist es nicht eher der derbe Einschlag österreichischer Musik?

Dieser „Grind“ hat etwas Abstoßendes, aber er zieht auch an. Es ist ein Klassiker, dass man in Deutschland an einer roten Ampel stehen bleibt, und der Österreicher, wie übrigens auch jeder andere Mensch auf der Welt, rübergeht, sofern kein Auto kommt. Trotzdem gelten wir immer als der Sonderfall. In Deutschland glaubt man, dass wir alle Komplexe haben.

Vielleicht ist es auch der Neid, dass Deutschland die Schuld des Zweiten Weltkriegs auf sich genommen hat, während sich Österreich dieser durch seine Opferinszenierung entledigt hat. Vielleicht ist das aber auch der totale Blödsinn.

 Der Wiener Musikmanager Stefan RedelsteinerMit 42 Jahren schon eine Biografie: Der Wiener Musikmanager Stefan RedelsteinerSusanne Hassler-Smith

Nino oder Voodoo Jürgens kann man zugutehalten, dass sie sowohl musikalisch als auch lyrisch stets einen Hang zum Experimentellen aufweisen.

Ja, österreichische Musik hat für Deutsche was Schrulliges. Ich glaube, es gibt einfach mehr Typen in Österreich, die Künstler sind oder werden wollen. In Deutschland ist man schnell Außenseiter damit, wohingegen ein Lebenskünstler in Österreich Popstar werden kann. In Österreich ist alles einfach ein bisschen wurscht. Hier gibt es den Radiosender Fm4, auf dem man für all die schrägen Dinge eine große Bühne bekommt.

Fm4 hat sowohl Wanda als auch Bilderbuch groß gemacht. Zwischen beiden Bands gab es immer große Rivalitäten. Wanda könnte man vorwerfen, dass sie nicht das aufregendste Produkt der österreichischen Musikindustrie sind.

Bilderbuch wären nicht enttäuscht, wären sie einfach die Indie-Band für Schnösel geblieben. Aber Wanda wollten immer auch den Trafikantinnen in Floridsdorf gefallen. Wanda hatten immer das Weltumarmende, dass im Konzert alle Teil der Community werden, während Bilderbuch diesen arroganten Falco-Einschlag hatte.

Beide wollten aber durchaus Popmusik machen.

Wanda haben es geschafft, drei Akkorde und einen Mitsing-Refrain zu kombinieren, der wirklich funktioniert. Die hohe Kunst des Pops ist, in drei Minuten einen Endorphinschock auszulösen. Die Beatles haben das perfektioniert. Live umzusetzen, dass sich ein Konzert wie eine Orgie anfühlt, das muss man wirklich können. Dass Pop einen für drei Minuten die schlechten Seiten der Welt vergessen lassen kann, ist doch eine coole Illusion.

Haben Bands wie Seiler und Speer oder Pizzera und Jaus, deren Musik Sie „Schnitzelfresser-Pop“ nennen, das Image österreichischer Musik beschädigt?

Ich glaube, die kennen deutsche Feuilletonisten gar nicht.

Ihre Biographie lässt keinen Platz für Illusionen die Zukunft der Popindustrie betreffend: Deutschsprachige Musik ist finanziell irrelevant für die großen Produktionsfirmen.

Es wird einfach Kapital abgezogen, abgesehen vom Eurovision Song Contest, aber der ist nur ein Plastikprodukt, das ein paar Wochen hochgehalten wird, bis es alle wieder vergessen. Die Indie-Labels stehen vor einem Nullpunkt, weil ihre Betreiber alle über dreißig oder vierzig sind. Jetzt müssen Zwanzigjährige kommen, die wir selbst wahrscheinlich fürchterlich finden werden, und die Popmusik neu bestimmen.

Sie bleiben Voodoo Jürgens treu?

Der hat jetzt eine gewisse Größe, und solange wir keinen Blödsinn machen, wird er die auch beibehalten. Aber am Schulhof wird man keine Fans mehr abholen können.

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