Paris Saint-Germain rollte am Dienstag über Bayer Leverkusen hinweg - und offenbarte trotzdem ungewohnte Unzulänglichkeiten in der Defensive. Das hat Gründe.

Unglücklicher Kurzauftritt: Ilya Zabarnyi (li., hier gegen Christian Kofane). IMAGO/Moritz Müller
Zwei Dinge sind es zuvorderst, die beim Pariser 7:2 in Leverkusen über das Hauptproblem dieses Starensembles hinwegtäuschten: das hohe Ergebnis sowie die bei Bedarf gezeigte Dominanz im Mittelfeld. Dennoch belegte der Kantersieg in der BayArena: Die PSG-Verteidigung ist isoliert betrachtet noch nicht auf dem Niveau des vergangenen Jahres. Was sind die Gründe? Und wie sind die Defizite zu beheben?
Eines vorneweg: Mit Achraf Hakimi, Illya Zabarnyi, Willian Pacho und Nuno Mendes stand gegen Leverkusen - zumindest nominell - eine herausragend besetzte Defensivreihe auf dem Rasen, eine Abwehr, die Tempo, Robustheit und Kopfballstärke kombiniert und in Bestform nur ganz schwer zu bezwingen sein dürfte. Bayer jedoch bekam zumindest in fünf Situationen einen Zugriff, der Fragen aufwirft. Fragen, ob beispielsweise der im Sommer aus Bournemouth gekommene Zabarnyi schon jetzt wirklich jenen Ansprüchen genügt, die Staff und Spieler bei PSG nicht erst nach der Lehrstunde in Leverkusen unisono betonen und die am Ende der Saison nichts anderes als den erneuten Titel in der Champions League zulassen.
Zabarnyi, immerhin gut 60 Millionen Euro teuer, verschuldete nicht nur den ersten Leverkusener Elfmeter mit einem Handspiel, sondern sorgte auch für Bayers zweiten Strafstoß, diesmal mit einem Foul. Das jedoch war nur oberflächlich betrachtet das Problem des sonst stabilen Ukrainers, viel schwerer wiegt die fehlende Abstimmung mit seinem Abwehrkollegen Willian Pacho. Der Ex-Frankfurter hatte vor Bayers Anschlusstor zu sehr den Ball und zu wenig Zabarnyi im Blick, beide standen sich bei ihrer Aktion gegenseitig im Weg - bis dem Sommerzugang nur noch das Foul blieb. Ein Elfmeter und die Rote Karte waren die Folge.
Ohne Zabarnyi rückte der ohnehin defensiv ausgerichtete Mittelfeldakteur Vitinha immer wieder eine Position nach hinten, nach der Pause kam Lucas Hernandez in die Partie. Der Ex-Münchner erledigte seinen Job unaufgeregt, war aber auch lange nicht so gefordert wie vor ihm Zabarnyi. Angesichts seiner früheren Auftritte und seiner Nebenrolle bei PSG liegt nahe, dass der Franzose nicht die Lösung sein dürfte, sollte Zabarnyi weiterhin Patzer in sein Spiel einstreuen.
Marquinhos stand schon in der Vorsaison in der Kritik
Bleiben noch Marquinhos und Lucas Beraldo. Die beiden Brasilianer, der eine 31 Jahre alt, routiniert, jahrelang Kapitän, der andere zehn Jahre jünger, haben derweil sehr unterschiedliche Ausgangspositionen. Marquinhos stand bereits in der vergangenen Spielzeit trotz des Sieges in der Königsklasse bisweilen in der Kritik, sein Auftreten hatte schlicht nicht mehr die Klasse von einst, zudem fehle es ihm an Größe und körperlicher Robustheit. Beides hat übrigens Zabarnyi, weshalb er Marquinhos beerben sollte.
Lucas Beraldo stellt bei seinen Einsätzen zwar ein ums andere Mal sein überaus präzises Passspiel unter Beweis, mit seinen 21 Jahren aber braucht er noch Zeit, um seine Defizite im Zweikampf und Stellungsspiel abzustellen.
Was also nun? Klar ist: Luis Enrique weiß genau, was er mit Zabarnyi bekommt; der Trainer holte ihn unter anderem deshalb, weil der Verteidiger in der europäischen Spitze noch nicht groß in Erscheinung getreten war und deshalb noch diesen Hunger, diese Gier, die den PSG-Kader ausmachen soll, verkörpert. Er wird seinem Profi die nötige Zeit geben, ihm Einsätze verschaffen, ihn schleifen. Dann kann der 23-Jährige dank seiner Anlagen auch zu jenem Verteidiger werden, den Paris Saint-Germain braucht.
Michael Postl

vor 1 Tag
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