Dann mach ich halt mein eigenes Game

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Das Treiben auf dem Bildschirm erinnert an einen Ameisen­haufen. Wohin man auch blickt, laufen kleine Figuren umher. Steinmetze machen sich mit Spitzhacken auf den Weg zu Felsvorkommen. Landwirte bestellen Getreidefelder. Müller legen Mehlsäcke für die Bäckerei nebenan bereit. Und Bauarbeiter stampfen kleine Gebäude aus dem Boden.

Dieses Gewusel ist das Marken­zeichen der »Siedler«-Reihe. In den Aufbauspielen geht es darum, Rohstoffe zu gewinnen und Warenketten zu organisieren, um eine florierende Siedlung zu errichten. Sebastian Buchwald, 32, war schon als Kind riesiger Fan der Reihe. »Ich habe die alten ›Siedler‹-Games stundenlang gespielt«, sagt er.

Der erste »Siedler«-Teil erschien vor rund 30 Jahren, die Veröffent­lichung des siebten Teils ist 15 Jahre her. Danach warteten Fans lange auf eine Fortsetzung. Im Jahr 2023 war es so weit: »Die Siedler: Neue Allianzen« kam auf den Markt.

Doch statt Freude löste das Game Enttäuschung aus. »Es hatte viele Fehler und stürzte ständig ab«, sagt Sebastian. »Außerdem fehlten darin beliebte Mechaniken von früher.« Das Spiel war unfertig und wenig durchdacht. Veröffentlicht wurde es trotzdem.

So läuft es heutzutage häufig. Immer wieder erscheinen heiß erwartete Videospiele in einem miserablen Zustand, zuletzt etwa die Städtebau­simulation »Cities: Skylines II« oder das Rollenspiel »Der Herr der Ringe: Gollum«. Letzteres war kurz nach seiner Veröffentlichung nahezu unspielbar: Ständig gab es Abstürze, nervige Ruckler, im Boden feststeckende Spielfiguren und matschige Grafik­texturen.

Dass so etwas passiert, liegt oftmals an der Zusammenarbeit zwischen Entwicklungsstudios und Publishern. Publisher sind Unternehmen, die Studios bei deren Arbeit unterstützen. Sie sorgen etwa durch Werbung dafür, dass Games bekannter werden – und sie leisten während der Spieleentwicklung finanzielle Hilfe.

Dafür wollen die Publisher am Ende etwas zurück: Geld. Allein dabei bleibt es aber selten. Oft sichern sich Publisher auch das Recht, beim Entwicklungsprozess von Spielen mitzubestimmen. Manche verlangen dann, dass Lootboxen oder ein Battle-Pass im fertigen Spiel landen, weil sich dadurch noch mehr Geld verdienen lässt.

Foto: DEIN SPIEGEL

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Und die Publisher bestimmen in der Regel auch, wann ein Game zum Verkauf erscheinen soll. In der Regel dauert es Jahre, ein großes und gut funktionierendes Spiel zu entwickeln. Weil manche Publisher nicht so lange auf ihr Geld warten wollen, sorgen sie dafür, dass das Game auf den Markt kommt – selbst wenn das Entwicklerteam seine Arbeit noch gar nicht abgeschlossen hat.

Beim achten Teil der »Siedler«-Reihe lief es wohl ähnlich: Der Publisher gab während der Entwicklung des Spiels den Ton an und ignorierte das Feedback der Fans. Am Ende kam ein Spiel heraus, mit dem niemand so wirklich zufrieden war. »Mich hat das alles enorm frustriert«, erzählt Sebastian. Er fasste daraufhin einen Entschluss: »Ich wollte mein eigenes Spiel entwickeln.«

Damit ist der 32-Jährige seit mittlerweile zweieinhalb Jahren beschäftigt – neben seinem Job als Maschinenbau-Ingenieur. Wie man programmiert, hat Sebastian in seinem Studium gelernt. »Alles Weitere habe ich mir selbst beigebracht.« Zum Beispiel den Umgang mit einer Grafik-Engine. »So heißen die Programme, mit denen sich 3D-Modelle wie Spielfiguren oder Bäume erstellen und animieren lassen.« Sebastian nutzt dafür die »Unreal Engine«, auf der unter anderem »Fortnite« und »Hogwarts Legacy« basieren.

Ein Screenshot aus der Pre-Alpha-Version von »The First Explorers«.

Ein Screenshot aus der Pre-Alpha-Version von »The First Explorers«.

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Buchwald Interactive

Sebastians Game heißt »The First Explorers«. Es soll alles haben, was sich Fans der »Siedler«-Reihe wünschen. Und die sind längst auf das Strategiespiel aufmerksam geworden. Ein Trailer zu dem Game wurde bei YouTube mehr als 500.000-mal aufgerufen. Und auf der Spieleplattform Steam setzten über 50.000 Menschen »The First Explorers« auf ihre Wunschliste.

Jeden Tag steht Sebastian um 5 Uhr morgens auf, um vor seinem eigentlichen Job drei Stunden lang an seinem Spiel zu arbeiten. »Das kann wahnsinnig anstrengend sein«, sagt er. »Vor allem, wenn ich tagelang daran sitze, den Code des Games auf Fehler zu überprüfen.« Sebastian hofft, dass sich seine Mühen auszahlen. »Ich würde mich gern irgendwann komplett dem Spiel und seiner Entwicklung widmen.«

Doch Geld wird Sebastian erst verdienen, wenn »The First Explorers« zum Kauf erschienen ist. Wann es so weit sein wird, weiß er noch nicht genau. Er sieht das Ganze entspannt. »Das ist das Beste daran, allein an einem Game zu arbeiten«, sagt Sebastian. »Es gibt niemanden, der mir Druck macht.«

Dieser Artikel erschien in DEIN SPIEGEL 6/2025.

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