Fans aus Lauen lassen sich die Conference-League-Auswärtsfahrt nach Helsinki zum Spiel bei KuPS Kuopio nicht nehmen
Foto: Kimmo Brandt / EPAAn diesem Abend ist es noch einmal so weit. AEK Larnaca empfängt KF Shkëndija, NK Celje spielt gegen Shelbourne FC, die Shamrock Rovers erwarten Hamrun Spartans, und Omonia Nikosia muss gegen Raków Częstochowa ran. Im Einsatz sind zudem UMF Breidablik und Universitatea Craiova. Das Ganze heißt Conference League, und es ist das letzte Hochfest für die Fußallromantiker.
Vor vier Jahren hat der Europäische Fußballverband den Wettbewerb ins Leben gerufen. Überflüssig, haben da viele Kritiker gesagt, das nächste künstliche Produkt aus der Manufaktur der Fußball-Geldeintreiber. Die drittklassige, ganz kleine Schwester der Champions League.
Wenn nicht gerade der berühmte FC Chelsea beim nicht ganz so berühmten 1. FC Heidenheim anzutreten hat, zudem ein Wettbewerb, der weitgehend am öffentlichen Interesse in Deutschland komplett vorbeisegelt. Man muss sagen: zum Glück.
Der Geist des alten Europapokals
Denn nur hier lebt er noch, der Geist des alten Europapokals aus den Siebziger- und Achtzigerjahren. Ein Festschmaus für 11-Freunde-Redakteure, Groundhopper und Sporthistoriker. Die Uefa, mit ihrem Premiumprodukt Champions League primär darauf versessen, den Profit auszupressen, wie es nur eben noch möglich ist, hat mit der Conference League ein Instrument geschaffen, das die anderen Bedürfnisse der Fußballseele bedient. Etwa das Gefühl, dass früher alles besser war.
Shamrock Rovers gegen Shakhtar Donezk in der Conference League
Foto: Brian Lawless / APFrüher, als es noch den Fußball-Uefa-Cup gab und den Europapokal der Pokalsieger. Und man in diesen Wettbewerben mehr über die Geografie Europas, über Landeskunde und exotisch klingende Klub- und Städtenamen lernte als in jedem Erdkundeunterricht.
Olmütz – undenkbar ohne Sigma
Olmütz ist eine alte tschechische Stadt mit 100.000 Einwohnern, der zweitältesten Universität des Landes, gerühmt für seinen Sauermilchkäse, den Olmützer Quargel – und dennoch: Auf ewig und untrennbar wird diese Stadt für jeden, der mit dem Fußball aufwuchs, mit dem Klubnamen Sigma Olmütz verbunden sein. Sigma ist übrigens ein ansässiger Pumpentechnikhersteller.
Sigma Olmütz, Universitatea Craiova, Haka Valkeakoski, Progres Niederkorn, die Sliema Wanderers, SK Beveren, Limerick United – man konnte sich den Diercke Schulatlas hervornehmen und sich auf die Suche begeben. Und manchmal wurde man sogar fündig: Ach, sieh an, Sliema liegt also auf Malta, Beveren in Belgien, Craiova in Bulgarien, ach, nein, Rumänien, und offensichtlich scheint es dort eine bedeutende Bildungstradition zu geben, ein Klub, der sich nach einer Hochschule benennt. So etwas.
Fans des FC Videoton, hier in der Europa League 2017
Foto: EPA/REX/ShutterstockGerade die Klubs jenseits des Eisernen Vorhangs, deren Europapokal-Heimspiele gern im Novembernebel um 14 Uhr begannen, mit unscharfen Fernsehbildern mit Grauschleier und wackeligem Ton, der immer mal wieder ausfiel, sodass Klaus Schwarze aus dem Kölner ARD-Studio die Livebilder kommentieren musste, eröffneten eine neue Welt.
Über allem thront Videoton
Banyaz Tatabanya in Ungarn, Arges Pitesti in Rumänien, Szombierki Byton in Polen, Radnicki Nis in Jugoslawien, Lewski Spartak Sofia in Bulgarien, aber über all dem thronte dieser eine Klubname, der, wenn man ihn einmal gehört und ihn sich hatte merken können, nie mehr vergaß: Videoton Székesfehérvár.
Heute kann man das alles nachgoogeln, dass sich der Ortsname aus den Bestandteilen der ungarischen Wörter für »Stuhl« und »weiße Burg« zusammensetzt und dass Videoton ein regionaler Elektrogerätehersteller ist, den es übrigens auch heute noch gibt.
Hamrun Spartans ggeen die Lincoln Red Imps
Foto: Domenic Aquilina / IMAGOFrüher war das alles nur ferne Welt, die sich über die Berichte im Donnerstags-Kicker näherte. Rapid Wien gegen Videoton 2:2 in der 1. Runde des Uefa-Cups 1981/1982. Ausgleich für Rapid in der 90. Minute durch Antonín Panenka, per Elfmeter, wie sonst.
Heute ist das alles vergangen, das Wort Europapokal trägt bereits das Gestrige in sich. Heute heißt das Multi Club Ownership, die Geldgeber kommen vom Golf oder aus Übersee, irgendwelche Wettbetreiber sind Sponsoren, Jürgen Klopp im Werbespot für eine Vermögensberatung, all das ist häufig genug beschrieben und auch oft genug bejammert worden.
Und mittendrin in diesem ganz großen Business, das die Uefa vor allem mit der Erfindung der Champions League geschaffen hat, spielt um 21 Uhr am Donnerstag vor Weihnachten 2025 Legia Warschau gegen Lincoln Red Imps und Rapid Wien, diesmal nicht gegen Videoton, aber immerhin gegen Zrijnski Mostar.
Mittlerweile gibt es ein paar Länder mehr als zu den alten Uefa-Cup-Zeiten 1982 und dafür ein paar andere Länder weniger. Der Diercke Schulatlas von damals ist überholt. Aber Sigma Olmütz ist immer noch Sigma Olmütz. Und spielt heute Abend gegen Lech Posen. Conference League, wir gehen rein.

vor 2 Stunden
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