China und Europa: Frostige Stimmung zwischen China und der EU

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Chinas Außenminister hat erklärt, sein Land habe kein Interesse, dass Russland in der Ukraine verliert. Es ist nicht der einzige Konflikt, den die EU mit Peking hat.

9. Juli 2025, 19:46 Uhr

 Chinas Außenminister Wang Yi Anfang Juli in Berlin
Chinas Außenminister Wang Yi Anfang Juli in Berlin © Odd Andersen/​AFP/​Getty Images

Die EU hat gerade zwei existenzielle Probleme mit China: dass es den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine stützt und dass Unternehmen aus der Volksrepublik massenhaft subventionierte Waren nach Europa exportieren wollen. Die Differenzen sind so groß, dass ein für Ende Juli angesetzter gemeinsamer Gipfel in China wahrscheinlich von zwei Tagen auf einen Tag verkürzt wird. Die EU-Vertreter wollten an diesem zweiten Tag eigentlich über die Schwierigkeiten europäischer Unternehmen in China sprechen. Gastgeber China aber wollte lieber gut laufende, gemeinsame Projekte präsentieren. 

Worum es geht, spiegelte eine Rede von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Dienstag im Europaparlament in Strasbourg. Zu Putins Krieg sagte sie: "China ermöglicht de facto Russlands Kriegswirtschaft." Die "beharrliche" Unterstützung für Russland führe "zu mehr Instabilität und Unsicherheit hier in Europa", und wie China mit dem Krieg des russischen Präsidenten Wladimir Putin interagiere, "wird ein entscheidender Faktor für die künftigen Beziehungen zwischen der EU und China sein". 

Schlechte Nachrichten für die Ukraine

Aus von der Leyen spricht tief sitzender Ärger darüber, dass die Führungskader der in China herrschenden Kommunistischen Partei die Interessen Europas nicht wirklich ernst nehmen. Dass sie die EU als Verhandlungspartner offenbar für schwach halten. Chinas Führung wird die Unterstützung für Putin so schnell nicht einstellen, an einem schnellen Ende von Russlands Krieg hat man kein großes Interesse. Das wurde Anfang Juli deutlich, als Chinas Außenminister Wang Yi der EU-Außenbeauftragten Kaja Kallas in einem privaten Statement gesagt haben soll, dass seine Regierung es sich gar nicht leisten könne, dass Putin den Krieg in der Ukraine verliere. Man befürchte, die USA würden sich dann voll auf ihre Rivalität mit China konzentrieren. Das berichtete die South China Morning Post unter Berufung auf EU-Beamte, die mit dem Gesprächsverlauf vertraut sind

Für die Ukraine wäre das eine schlechte Nachricht. Zumal die China-Hardliner in der Trump-Regierung, etwa Pentagon-Staatssekretär Elbridge Colby, es gar nicht abwarten können, militärische und finanzielle Ressourcen aus Europa in Richtung Ostasien abzuziehen – als Gegenpol zur sich im Westpazifik ausbreitenden Volksbefreiungsarmee. 

Wangs Äußerung ist tatsächlich keine Überraschung – auch wenn sie im direkten Gegensatz zu Chinas offiziellem Narrativ steht, man sei ein neutraler Staat. Diese Erzählung ist aber ohnehin lange widerlegt: Chinesische Unternehmen liefern Dual-Use-Güter für Putins Kriegswirtschaft und kaufen günstiges Öl und Gas von russischen Energiekonzernen, die wegen des Ukrainekriegs vom Westen sanktioniert wurden. Staatschef Xi Jinping liefert Russlands Präsidenten eine große politische Bühne, beide zelebrieren für die Öffentlichkeit eine Art Freundschaft.   

Die EU beklagt, dass europäische Unternehmen keinen fairen Marktzugang haben

Gegenüber Kallas soll Wang den Vorwurf zurückgewiesen haben, China unterstütze Russlands Kriegsanstrengungen materiell oder militärisch. Er meinte, wenn China dies täte, hätte Russland längst gewonnen. Doch die von europäischen Politikern lang gehegte Hoffnung, dass Chinas Staatschef Xi Jinping auf Wladimir Putin einwirkt, um den Krieg zu beenden, ist damit endgültig hinfällig. Zu Chinas Verstimmung plant die EU-Kommission nun Sanktionen gegen zwei chinesische Banken, denen die Umgehung westlicher Sanktionen gegen Russland vorgeworfen wird. 

Auch Europas zweites Chinaproblem sprach die Kommissionspräsidentin am Dienstag an: China würde die Weltmärkte mit "subventionierten Überkapazitäten überschwemmen". Damit wolle Peking nicht nur "die eigene Industrie ankurbeln", sondern auch den "internationalen Wettbewerb ersticken". Das betrifft in erster Linie die Automobilindustrie, die Elektronikbranche, die Stahlindustrie sowie Solarzellen. Deswegen hat die EU-Kommission unter anderem hohe Zölle auf subventionierte E-Autos aus China festgelegt. 

Die EU beklagt auch, dass europäische Unternehmen keinen fairen Marktzugang in China haben. So kam die Kommission Anfang des Jahres zu dem Schluss, dass in der EU hergestellte Medizinprodukte vom öffentlichen Beschaffungsmarkt Chinas ferngehalten werden. Chinesische Unternehmen wurden darauf von öffentlichen Ausschreibungen für Medizinprodukte in Europa ausgeschlossen. Am Sonntag legten Chinas Behörden wieder nach: Europäischen Herstellern würden ab sofort zusätzliche Beschränkungen auferlegt.

Das ist nur ein kleiner Ausschnitt der Friktionen zwischen Europa und China. EU-Vertreter sagen, dass China sich bei den Verhandlungen zur Überproduktion und zum fairen Marktzugang kaum bewegt. Hinzu kommt, dass China jetzt als Druckmittel gegen Donald Trumps Zölle Ausfuhrkontrollen für Seltene Erden instrumentalisiert, um die Ausfuhren zu beschränken. Diese Rohstoffe sind unverzichtbar bei der Herstellung moderner technischer Produkte. Sie werden benötigt für Batterien, Windkraftanlagen und vieles mehr. China fördert etwa 60 Prozent des weltweiten Bedarfs und setzt 90 Prozent der Weiterverarbeitung um. 

Die Industrien westlicher Staaten sind beim Einkauf Seltener Erden von China abhängig, und die Ausfuhrbeschränkungen gegen die USA haben auch Europa getroffen. "Chinas Beschränkungen für Seltene Erden zwangen Washington zu Zugeständnissen. Nun fordert Peking dasselbe von Europa: die Abschaffung der EU-Zölle auf Elektrofahrzeuge, die Öffnung der Türen für chinesische Investitionen und die Einstellung der Untersuchungen chinesischer Subventionen", konstatiert Chinaexpertin Janka Oertel vom European Council on Foreign Relations. Die EU müsse sich dagegen wehren. 

Das alles sind schlechte Voraussetzungen für einen gemeinsamen Gipfel. Wahrscheinlich wird er so enden, wie es Italiens Botschafter in Peking vor ein paar Tagen prognostizierte: "Es tut mir leid, pessimistisch zu sein. Der nächste EU-China-Gipfel wird ein wunderbarer Gipfel mit wunderbaren Grundsatzerklärungen sein, aber ich bezweifle, dass wir schrittweise strategische Fortschritte erzielen werden."

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