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Träume statt Trauer: Fast genau sechs Monate ist es her, da stand Jürgen Klopp im Stadion an der Anfield Road und war auf einmal nicht mehr Trainer, sondern Fan. »Ab heute bin ich einer von euch«, sagte er nach seinem letzten Spiel als Coach des FC Liverpool – und stimmte einen Gesang auf seinen Nachfolger an: »Arne Slot, lala, la, lala«, auf die Melodie des Opus-Ohrwurms »Live is Life«. Es war der bemerkenswerte Beginn eines bemerkenswerten Trainerwechsels. Klopp zu beerben, ist wahrlich keine leichte Aufgabe. In Dortmund suchen sie bald zehn Jahre nach jemandem, der einerseits authentisch eine »Pöhler«-Kappe tragen kann und anderseits ein sehr guter Trainer ist. Aber in Liverpool gibt es keinen Grund, Klopp hinterherzutrauern. Weil Arne Slot Dinge schafft, an denen selbst Klopp scheiterte.
Das Ergebnis: Zum ersten Mal seit 15 Jahren gewinnt der FC Liverpool gegen Real Madrid. Unter Klopp hatte es gegen die Königlichen fünf Niederlagen, zwei davon in Champions-League-Endspielen, und ein Remis gegeben. Die Tore beim 2:0 (1:0) erzielten Alexis Mac Allister (52. Minute) und Cody Gakpo (76.). Mit fünf Siegen aus fünf Spielen führt Liverpool die Champions-League-Tabelle an. Real dagegen belegt den 24. Rang und stünde damit gerade so in den Playoffs, über die sich die Plätze neun bis 24 noch für das Achtelfinale qualifizieren können.
Königliche Sorgen: Zur Wahrheit dieses Spiels gehört auch: Selten wirkten die Madrilenen in den vergangenen Jahren so schlagbar wie zurzeit. Real schleppt sich durch die Saison, Neuverpflichtung Kylian Mbappé befindet sich in einem Formtief, frühere Leistungsträger (etwa Dani Carvajal, Aurélien Tchouaméni und David Alaba) sind verletzt. Seit dem Wochenende gilt das auch für Fast-Weltfußballer Vinícius Júnior, der mit einer Oberschenkelverletzung mehrere Wochen fehlen wird. In Reals Startaufstellung deshalb unter anderem: der 39-jährige Luka Modrić, der 19-jährige Arda Güler und Raúl Asencio, der zu Saisonbeginn noch in der zweiten Mannschaft verteidigte. Hinten rechts half Federico Valverde aus, eigentlich als Nachfolger von Toni Kroos im Zentrum vorgesehen.
Die erste Hälfte: Der bekennende Real-Fan und Ex-Tennisprofi Rafael Nadal ließ sich auf der Tribüne dazu hinreißen, die Liverpooler Hymne »You’ll Never Walk Alone« mitzusingen. Um dann mitanzusehen, wie Liverpool mühelos Madrids Hintermannschaft überlief. Asencio beförderte den Ball fast ins eigene Tor, klärte aber im letzten Moment auf der Linie (4.). Liverpool zeigte den von Slot implementierten Spielstil, war konterstark und gleichzeitig sehr kontrolliert im Passspiel. Real versuchte, die spielerische Unterlegenheit durch intensive Zweikampfführung auszugleichen, schaffte es aber immer seltener in die gegnerische Hälfte. Dennoch war es eine Abwehraktion von Liverpools Conor Bradley, die den wohl größten Jubel in Durchgang eins hervorrief: Als letzter Mann grätschte der 21-Jährige Mbappé den Ball vom Fuß (31.). Dass die Fans an der Anfield Road auch einen Treffer feiern durften, verhinderte Real-Keeper Thibaut Courtois (24./30.).
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Mo und der »dough«: Für Unruhe in der Liverpooler Post-Klopp-Idylle sorgt Mohamed Salah. »Wir haben schon fast Dezember und ich habe noch kein Angebot bekommen, beim Klub zu bleiben«, sagte Salah, dessen Vertrag im Sommer ausläuft, am Sonntag. Der Ägypter ist aktuell produktiv wie nie zuvor im Trikot der Reds. Vor Kurzem wurde er zum ersten Spieler in Europas Top-5-Ligen, dem in dieser Saison wettbewerbsübergreifend zehn Tore und zehn Assist gelangen. Die einzige Zahl, die nicht für Salah spricht, ist sein Alter. 32 Jahre ist er alt – aber eben auch in der Form seines Lebens. »Give Mo his dough«, »Gebt Mo seine Knete«, forderte zuletzt ein Fan. Gegen Real tat Salah lange wenig, um dieser Forderung Nachdruck zu verleihen. Im Gegenteil: Einen Foulelfmeter, den er selbst geschickt herausgeholt hatte, schoss er deutlich neben das Tor (70.).
Die zweite Hälfte: Auch nach dem Seitenwechsel war Real klar unterlegen. In den vergangenen Jahren hätte man spätestens zu diesem Zeitpunkt angefangen, sich auf einen 1:0-Sieg der Madrilenen einzustellen. Doch Liverpool erhöhte den Druck. Darwin Núñez scheiterte per Kopf an Courtois (51.), der eine Minute später beim Schuss von Alexis Mac Allister allerdings chancenlos war (52.). Dem Tor vorausgegangen war ein feiner Doppelpass zwischen Mac Allister und Bradley auf engstem Raum. Trotz des Rückstandes schaffte es Madrid, die Partie fahrig und damit offen zu halten. Mbappé und Salah verschossen Elfmeter (61./70.), ehe der eingewechselte Cody Gakpo per Kopfball für die Entscheidung sorgte (76.). »Arne Slot, lala, la, lala«, schallte es durch das Stadion als sicher schien, dass es im 19. Spiel unter Slot den 17. Sieg geben würde.
Konnte sich nur selten durchsetzen: Kylian Mbappé (Mitte)
Foto: Jose Breton / NurPhoto / IMAGOEin Superstar als Sorgenkind: Reals Formschwäche hat viele Gesichter. Etwa das von Jude Bellingham, der schon bei der EM überspielt wirkte und dessen linkes Knie in Liverpool derart großflächig eingewickelt war, als würden Unter- und Oberschenkel nur von weißer Bandage zusammengehalten. Am unerklärlichsten und damit für Real am besorgniserregendsten sind aber die Leistungen von Mbappé. Weil Vinícius Júnior fehlte, rückte Mbappé in Liverpool aus der Sturmspitze auf seine Lieblingsposition, dem linken Flügel. Gegen Rechtsverteidiger Bradley, der in der Champions League erstmals von Beginn an auf dem Feld stand, fand Mbappé jedoch nur selten einen Weg, seine Schnelligkeit auszuspielen. In der 61. Minute erlebte er dann den vorübergehenden Tiefpunkt seiner Real-Karriere: Einen Strafstoß, die Möglichkeit zum Ausgleich, schoss er so halbhoch und unplatziert aufs Tor, dass ihn Keeper Caoimhin Kelleher zur Seite abwehren konnte (61.).