Angebliche Kriminelle im Cecot: »Keine redaktionelle, sondern eine politische Entscheidung«
Foto: Regierung von El Salvador / dpaAutomatisch erstellt mit KI. Mehr Informationen dazu hier.
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Schon bevor irgendjemand außerhalb von CBS News den regierungskritischen Beitrag der Sendereihe »60 Minutes« sehen konnte, hatte er für Schlagzeilen und schwere Vorwürfe gesorgt. Jetzt dürfte es erst recht eine Debatte darüber geben.
Die Vorgeschichte: Am vergangenen Sonntag hatte der US-Sender drei Stunden vor der geplanten Ausstrahlung mitgeteilt, ein Bericht über die menschenunwürdigen Zustände im Abschiebegefängnis Centro de Confinamento del Terrorismo (Cecot) in El Salvador werde verschoben und zu einem späteren Zeitpunkt ausgestrahlt. Die US-Einwanderungsbehörde ICE schiebt angebliche Kriminelle in das als Folterknast berüchtigte Cecot ab, die USA bezahlen El Salvador dafür. Menschenrechtsorganisationen sprechen von »alarmierenden Verstößen gegen internationales Recht und Menschenrechte«. Lesen Sie hier, was ehemalige Cecot-Häftlinge dem SPIEGEL berichteten .
Die Journalistin Sharyn Alfonsi, die den Beitrag mitproduziert hatte, schrieb nach Bekanntwerden der CBS-Entscheidung in einer E-Mail, aus der die »New York Times« zitiert: »Unsere Geschichte wurde fünfmal geprüft.« Sowohl die Rechtsabteilung als auch die Faktenchecker im Haus hätten den Beitrag freigegeben. »Er ist faktisch korrekt. Meiner Ansicht nach ist die jetzige Zurücknahme des Beitrags, nachdem alle strengen internen Prüfungen abgeschlossen sind, keine redaktionelle, sondern eine politische Entscheidung.«
Chefredakteurin Bari Weiss erklärte daraufhin, ihre Aufgabe sei es, sicherzustellen, dass alle veröffentlichten Recherchen so gut wie möglich sind. »Geschichten, die aus irgendeinem Grund noch nicht fertig sind – etwa weil ihnen der nötige Kontext fehlt oder weil wichtige Stimmen fehlen –, werden täglich in jeder Redaktion zurückgehalten.« Sie fügte hinzu, sie freue sich darauf, den Beitrag auszustrahlen, »sobald er fertig ist«.
Paramount versucht, den Beitrag aus dem Internet zu tilgen
CBS-News-Chefin Weiss: »Sobald er fertig ist«
Foto:Noam Galai / The Free Press / Getty Images
Am Montag (Ortszeit) jedoch war der Beitrag zu sehen, zumindest in Kanada. In einer App von Global TV, das »60 Minutes« in Kanada ausstrahlt, war der knapp 14 Minuten lange Bericht zu sehen. Seither ist er auch im Internet auf Archivseiten zu finden .
Die Ausstrahlung durch Global TV sei »versehentlich« erfolgt, teilte CBS News dem »Guardian« mit. »Zwar hat Global TV die Episode aus seiner App entfernt, der Beitrag wurde seither aber in sozialen und digitalen Medien verbreitet. Paramounts Abteilung für Rechteverwertung gehe dagegen nun mit Anordnungen zum Löschen vor.
In dem Beitrag kommen unter anderem zwei ehemalige Inhaftierte zu Wort, die von Gewalt und Folter berichten. Einer von ihnen sagt, er sei von vier Wärtern blutig geschlagen worden und habe einen Zahn verloren, als er mit dem Kopf gegen eine Wand geschleudert wurde. CBS-Recherchen haben dem Beitrag zufolge auch bestätigt, was Menschenrechtsorganisationen schon länger anprangern: Sehr viele der aus den USA Abgeschobenen sind dort inhaftiert, obwohl es keinerlei konkrete Vorwürfe gegen sie gibt.
Nach Informationen von »Axios« jedoch stimmt eine wichtige Aussage in dem Beitrag nicht: Journalistin Alfonsi sagt darin, das Heimatschutzministerium, dem die Einwanderungsbehörde ICE untersteht, habe eine Interviewanfrage abgelehnt, die Regierung nicht auf Anfragen geantwortet. Gezeigt werden dafür ältere Aussagen, etwa von Karoline Leavitt, Pressesprecherin des Weißen Hauses, die von »abscheulichen Monstern, Vergewaltigern, Mördern« sprach, die »kein Recht« hätten, in den USA zu sein. Tatsächlich aber hätten der Quelle von »Axios« zufolge sowohl das Weiße Haus, als auch das Außenministerium und das Heimatschutzministerium Statements abgegeben, von denen keines im Beitrag erwähnt wird.
Brisant ist der Vorfall aufgrund des besonderen Verhältnisses zwischen CBS News und US-Präsident Donald Trump. Der Sender gehört zur Mediengruppe Paramount. Trump hatte Paramount vor seinem Wahlsieg wegen eines »60 Minutes«-Beitrags über seine demokratische Kontrahentin Kamala Harris verklagt, Paramount stimmte letztlich einem 16 Millionen Dollar schweren Vergleich zu.
Mittlerweile gehört die Mediengruppe der Familie des Softwaremilliardärs Larry Ellison, der als Trump-Unterstützer bekannt ist. Ellison war es auch, der Bari Weiss als Chefredakteurin bei CBS News einsetzte. Trump ist aber noch immer wütend auf den Sender und die Mediengruppe. In den vergangenen Wochen schrieb er in seinem Netzwerk Truth Social: »An alle, die denke, ich stünde den neuen Eigentümern von CBS nahe: Bitte versteht, dass ›60 minutes‹ mich seit der sogenannten ›Übernahme‹ viel schlimmer behandelt als je zuvor. Wenn das meine Freunde sind, will ich meine Feinde nicht sehen!«

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