Nun liegt er also vor – der Gesetzentwurf für den neuen Wehrdienst. Lange wurde spekuliert, mit welchen Maßnahmen Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) dem Personalmangel in der Bundeswehr begegnen will. Jetzt zeigt sich: Auch verpflichtende Elemente sollen dabei helfen.
Wie der Spiegel am Montag aus dem Entwurf zitierte, soll das neue Modell zunächst auf Freiwilligkeit basieren, enthält „mit der für Männer verpflichtenden Bereitschaftserklärung und der Wiedereinführung der Musterung von vorneherein aber auch verpflichtende Elemente“. Im Ernstfall – etwa bei einer verschärften sicherheitspolitischen Lage – soll die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundestags Wehrpflichtige einberufen dürfen. Dies ist auch vorgesehen, wenn Anreize wie etwa höhere Bezahlung oder eine verbesserte Infrastruktur nicht ausreichen, um genügend Freiwillige zu gewinnen.
Zentrales Element: ein Fragebogen an die 18-Jährigen
Ob diese Anreize tatsächlich zu einem spürbaren Aufwuchs beitragen werden, bleibt abzuwarten. Immerhin ist die Zahl der freiwillig Wehrdienstleistenden zuletzt gestiegen. Doch insgesamt stagniert die Truppenstärke seit Jahren bei rund 180 000 Uniformierten. Pistorius will die Zahl der aktiven Soldatinnen und Soldaten jedoch um 80 000 erhöhen und die Zahl der Reservisten auf 200 000 zu erhöhen. Schließlich erfordere „der deutsche Beitrag zur Bündnisverteidigung nach heutiger Bewertung bereits eine deutlich erhöhte Friedensstärke“.
Mit seinem Gesetzesentwurf scheint sich der Verteidigungsminister darauf vorbereiten zu wollen, dass sich nicht genügend Freiwillige finden. In der Vergangenheit jedenfalls blieben viele Wehrpflichtige nach dem Dienst bei der Bundeswehr, weil sie Gefallen an der militärischen Laufbahn fanden.
Vor gut zwei Wochen sagte der Verteidigungsminister in der ARD, dass man, wenn die Freiwilligen fehlen, nicht erst in ein neues Gesetzgebungsverfahren einsteigen könne. „Dafür haben wir keine Zeit“, so der Minister. Wäre der Mechanismus einer dann einsetzenden Wehrpflicht jedoch schon jetzt im Gesetz angelegt, sei das dann kein Problem. Wenn die Zahl der Plätze in den Kasernen größer sei als die der Freiwilligen, könne auch die Wehrpflicht greifen: „Dann ist genau der Punkt, einen solchen Mechanismus von Kabinett und Parlament in Gang setzen zu lassen, und zwar schnell, damit wir auf Teilverpflichtung von Teiljahrgängen zugreifen können.“
Bereits im Vorfeld gab es Kritik vom eigenen Koalitionspartner
Bei seinem Gesetzesentwurf orientiert sich Pistorius am sogenannten Schwedischen Modell sowie an einem bereits vor dem Ende der Ampelkoalition im Kabinett verabschiedeten Gesetzesentwurf. Ein zentrales Element soll ein Fragebogen sein, der ab 2026 an junge Menschen verschickt werden könnte, die 18 Jahre alt werden. Anders als in Schweden, wo alle jungen Menschen zur Rückmeldung verpflichtet sind, sollen in Deutschland nur Männer zur Beantwortung des Fragebogens verpflichtet werden. Frauen können freiwillig teilnehmen. So will die Bundeswehr frühzeitig erkennen, wer grundsätzlich Interesse und Eignung für den Dienst mitbringt. Zudem soll dieses Vorgehen eine umfassende Wehrerfassung ermöglichen. Weiter soll laut Spiegel von 2027 an eine verpflichtende Musterung eingeführt werden.
Wie sich seine eigene Partei, die sich zuletzt kritisch gegenüber einer Verpflichtung geäußert hat, und die Union zum neuen Gesetzentwurf positionieren werden, ist noch offen. Unionsfraktionsvize Norbert Röttgen kritisierte die Pläne des Verteidigungsministers bereits vor wenigen Tagen, als die ersten Details seines des Gesetzesentwurfs bekannt wurden. Dieser reiche angesichts der verschärften sicherheitspolitischen Lage nicht aus. Deutschland dürfe nicht erneut sehenden Auges und unvorbereitet in ein gefährliches Risiko laufen, sagte Röttgen. „Dieser Kernanforderung werden die Pläne von Pistorius – neben vielen guten einzelnen Ideen – leider noch nicht gerecht.“
Wie viel Freiwilligkeit am Ende bleibt, entscheidet sich wohl weniger im Kabinett als auf dem Weltparkett. Denn mit jedem Monat, den die sicherheitspolitische Lage sich zuspitzt, wächst auch der Druck, auf eine verlässlich aufgestellte Truppe zurückgreifen zu können. Die Bundeswehr soll vorbereitet sein – und mit ihr ein ganzes Land.