Das Wort „Winterwahlkampf“ hört sich schon ungemütlich an, manche scherzen, es klinge nach Stalingrad. Während aber anderswo in Europa wirklich Krieg ist, herrscht in Deutschland Frieden – es wird nur ein neuer Bundestag gewählt, am 23. Februar. Einigen wird aber der Ton im politischen Wettbewerb bereits jetzt zu martialisch. Schuld daran sind in diesem Fall nicht irgendwelche Radikale. Sondern die Wahlplakate der SPD.
Die Sozialdemokraten haben ihre Werbemotive in dieser Woche in Windeseile aus dem Boden gestampft. Die von ihnen beauftragte Agentur Brinkert Lück soll viele Überstunden gemacht haben, denn alles sollte fertig werden vor einer Veranstaltung an diesem Samstag in der Parteizentrale in Berlin, die einen auch nicht gerade zarten Namen bekommen hat, nämlich „Wahlsiegkonferenz“. Die Aussage der Kampagne lautet: Kampf. Und im Hintergrund sind überall die Nationalfarben zu sehen.
Pistorius kämpft im Flecktarn
Da sieht man etwa den Bundeskanzler, der es wieder werden will, mit dem Spruch „Wir kämpfen für dich und Deutschland“ vor Schwarz-Rot-Gold, wobei das Rot ganz zufällig größer ins Bild flattert. Oder Boris Pistorius im Flecktarn auf einem Panzer, der „für deine Sicherheit“ kämpft, oder wiederum Svenja Schulze, die Entwicklungshilfeministerin, die es ein wenig ziviler und weltläufiger „für globale Gerechtigkeit“ tut.
Die SPD versucht sich hochzuboxen, soll das wohl heißen – in Umfragen liegt sie um die 15 Prozent, ihr Potenzial aber laut Parteichefin Saskia Esken „immer noch bei 47 Prozent“. Wo die SPD die Motive in den sozialen Netzwerken verbreitet hat (die Straßenplakate kommen erst im Dezember), schlägt den Kämpfern allerdings eine Welle von kritischen Kommentaren entgegen.
„Solche Plakate hänge ich nicht auf“
Auf Instagram oder X liest man da solche Dinge: „Bei mir löst die Kampagne nur eines aus: Angst!“, „Ihr habt sie nicht mehr alle“, man findet die Nationalflaggen „mega cringe und grenzwertig“. Und anscheinend sind es nicht nur die üblichen Trolle oder politischen Gegner, die dagegenhalten – einer, der offenbar SPD-Mitglied ist, schreibt: „Solche Plakate hänge ich nicht auf.“ Wird das noch ein Hindernis für die Partei, neben dem kühlen Kanzler, der kurzen Vorbereitungszeit und den klammen Fingern im Straßenwahlkampf?
Das Social-Media-Team von SPD-Generalsekretär Matthias Miersch nimmt die Vorwürfe jedenfalls schon so ernst, dass es eine Erklärung unter den Kommentaren postet: „Wir sehen die kritischen Meldungen zu unserer Kampagne“, heißt es da, „und wir wissen, dass das gewählte Layout mit der deutschen Flagge für einige ungewohnt wirkt.“ Man wolle damit aber zeigen, „wie sehr wir für dieses Land und seine Menschen einstehen“. Bei der Vorstellung der Kampagne nannte Miersch diese „entschlossen“, sie sei Ausdruck des Einsatzes der SPD für „die hart arbeitende Mitte in Deutschland“. Die CDU mit Friedrich Merz als Kanzlerkandidaten geht übrigens mit dem Slogan „Wieder nach vorne“ ins Rennen, hat ihre Plakatmotive aber noch nicht fertig.
Wer jetzt allerdings bei der SPD einen Tabubruch wähnt, sollte sich daran erinnern, dass die Sozialdemokraten schon seit langer Zeit dem Ruf entgegentraten, „vaterlandslose Gesellen“ zu sein. Sie zeigten sich gerne patriotisch. Auch das „Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold“, ein Verband zum Schutz der Weimarer Republik (der 1953 wieder gegründet wurde), warb sehr wehrhaft für die demokratische Flagge. Und als Helmut Schmidt, Olaf Scholz’ Vorbild, für die SPD 1976 und 1980 in den Bundestagswahlkampf zog, prangte seine entschlossene Tolle auch schon vor den Nationalfarben.