Bundespolitik: Spahn: Auf Rückkehr zur Wehrpflicht vorbereiten

vor 15 Stunden 1

Wichtige Updates

Hubig: Dobrindt muss Zurückweisungen jetzt „sehr rasch“ begründen

Merz zu SPD-Russlandpapier: Bundesregierung bei Bewertung des Kriegs vollkommen einig 

Pistorius: Manifest zu Russland „ist Realitätsverweigerung“

Sozialverbände wenden sich gegen allgemeine Dienstpflicht

Verfassungsschutz hat deutlich mehr Extremisten im Blick

Spahn: Auf Rückkehr zur Wehrpflicht vorbereiten

Unionsfraktionschef Jens Spahn plädiert dafür, mit Vorbereitungen für eine Rückkehr zur Wehrpflicht zu beginnen. „Es muss auf jeden Fall eine Struktur bei der Bundeswehr geschaffen werden, die eine zügige Rückkehr zur Wehrpflicht möglich macht. Das geht nicht von heute auf morgen, aber wir müssen mit den Vorbereitungen beginnen“, sagte Spahn der Rheinischen Post. Deutschland müsse wieder verteidigungsfähig werden, dazu gehörten bis zu 60 000 zusätzliche Soldatinnen und Soldaten für die Bundeswehr. „Wenn das über Freiwilligkeit gelingen sollte, gut. Mein Eindruck aber ist, dass wir die Wehrpflicht dafür brauchen werden“, sagte der CDU-Politiker. Die Wehrpflicht war 2011 unter Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) nach 55 Jahren ausgesetzt worden. Sie galt bis dahin nur für Männer.

Auch der Wehrbeauftragte des Bundestags, Henning Otte, pocht auf eine Absicherung mittels eines verpflichtenden Wehrdiensts, falls es nicht genug Freiwillige gibt. „Sollte das nicht ausreichen, muss um verpflichtende Elemente erweitert werden“, sagte der CDU-Politiker der Welt am Sonntag.

Bei einer Wiedereinführung einer Wehrpflicht würde sich allerdings auch die Frage stellen, ob sie auch für Frauen gelten soll. Danach gefragt, antwortete Spahn: „Wenn die alte Wehrpflicht wieder eingesetzt wird, dann gilt sie nur für Männer. So steht es im Grundgesetz, ansonsten muss man die Verfassung ändern. Für die nächsten vier Jahre sehe ich das nicht.“ Für eine Grundgesetzänderung braucht es eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag und im Bundesrat.

Die ehemalige Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) dagegen möchte die Wehrpflicht auch auf Frauen ausgeweitet sehen. „Wenn wir uns die Zahlen des Geburtenrückgangs ansehen, wird sich am Ende die Frage stellen, ob wir auf irgendeine Gruppe verzichten können. Das heißt, auch die Frauen wären zur Wehrpflicht miteinzuziehen“, sagte sie der Berliner Zeitung. Auch Kramp-Karrenbauer sprach sich dafür aus, schon jetzt eine mögliche Wiedereinführung vorzubereiten.

Im Koalitionsvertrag von Union und SPD kommt das Wort „Wehrpflicht“ nicht vor. Darin heißt es stattdessen: „Wir schaffen einen neuen attraktiven Wehrdienst, der zunächst auf Freiwilligkeit basiert.“ Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hatte zuletzt mehrfach deutlich gemacht, dass die vereinbarte Freiwilligkeit nur gilt, wenn der Bedarf an Soldaten auf diesem Weg gedeckt werden kann.

Juri Auel

Hubig: Dobrindt muss Zurückweisungen jetzt „sehr rasch“ begründen

Bundesjustizministerin Stefanie Hubig (SPD) erwartet von Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) eine schnelle Reaktion auf die Eilentscheidungen des Berliner Verwaltungsgerichts zu den Zurückweisungen an den deutschen Grenzen. „Für mich ist klar: Der Bundesinnenminister muss nun sehr rasch die von ihm zugesagte Begründung nachliefern“, sagte Hubig dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Es werde sehr schwierig sein, eine Begründung für das Zurückweisen zu liefern, die den Voraussetzungen des EU-Rechts genüge.

„Der Bundesinnenminister hat die Zurückweisungen in eigener Verantwortung angeordnet“, sagte Hubig. Weitere gerichtliche Entscheidungen seien sehr genau zu beobachten. „Und natürlich werden wir dann auch darüber sprechen, ob man mit Blick darauf an den Zurückweisungen von Asylsuchenden festhalten kann“, sagte die SPD-Politikerin.

Das Berliner Verwaltungsgericht hatte am 2. Juni in den Fällen von drei Menschen aus Somalia entschieden, dass die von der Bundesregierung forcierte Praxis des Zurückweisens an den Grenzen rechtswidrig ist. Es stützt damit die Argumentation zahlreicher Juristen und Kritiker, dass Deutschland bei Asylgesuchen auch bei Einreisen aus einem sicheren Drittstaat aufgrund des europäischen Dublin-Abkommens zumindest verpflichtet ist, zu prüfen, welcher Mitgliedstaat für das Asylverfahren zuständig ist, und nicht einfach zurückweisen darf.

Die Bundesregierung will vorläufig an den Zurückweisungen festhalten. Innenminister Dobrindt argumentiert mit einer Notlage sowie dem Schutz der öffentlichen Ordnung und strebt nach eigenen Worten eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs an. Aus Hubigs Sicht kann es bis zu einer Klärung durch den Gerichtshof jedoch dauern. Sollten auch nach einer Vorlage der Begründung für das Zurückweisen durch Dobrindt unabhängige deutsche Gerichte weiterhin zu der Auffassung gelangen, dass das Vorgehen rechtswidrig ist, wäre es nach den Worten der Justizministerin „schwer vermittelbar, solange daran festzuhalten, bis auch der Europäische Gerichtshof dazu geurteilt hat“.

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Anna-Maria Salmen

Merz zu SPD-Russlandpapier: Bundesregierung bei Bewertung des Kriegs vollkommen einig 

Der Bundeskanzler setzt ungeachtet von Forderungen aus der SPD nach einem Ende der Aufrüstung und direkten Gesprächen mit Russland auf Einigkeit innerhalb der schwarz-roten Koalition. „Wir sind uns in der Bundesregierung zwischen CDU, CSU und SPD in der Bewertung des Krieges, den Russland gegen die Ukraine führt, und in den Konsequenzen, die es daraus zu ziehen gilt, vollkommen einig“, sagte der CDU-Vorsitzende bei einem Treffen mit der dänischen Ministerpräsidentin Mette Frederiksen in Berlin. „Und ich setze darauf, dass diese Einigkeit auch bestehen bleibt“, fügte er hinzu.

Angesichts der jüngsten russischen Angriffe auf die Ukraine sagte Merz, jeder müsse erkennen: „Russland ist eine Bedrohung für die Sicherheit der gesamten Allianz“. Mit Blick auf den Nato-Gipfel in Den Haag in zwei Wochen betonte der Kanzler: „Russland ist ein Risiko für die Sicherheit diesseits und jenseits des Atlantiks.“ Deshalb werden man bei dem Gipfel eine langfristige historische Erhöhung der Verteidigungsausgaben beschließen. „Wir werden den europäischen Pfeiler der Nato gemeinsam stärken“, betonte Merz. Frederiksen äußerte sich ähnlich.

Prominente SPD-Politiker fordern in einem „Manifest“ direkte diplomatische Gespräche mit Russland, berichten Georg Ismar und Vivien Timmler aus Berlin (SZ Plus): 

Pistorius: Manifest zu Russland „ist Realitätsverweigerung“

Verteidigungsminister Boris Pistorius hat Forderungen prominenter Politiker aus seiner SPD nach einer Kehrtwende in der Russland-Politik scharf zurückgewiesen. „Dieses Papier ist Realitätsverweigerung. Es missbraucht den Wunsch der Menschen in unserem Land nach Ende des furchtbaren Krieges in der Ukraine. Nach Frieden“, sagte Pistorius der Nachrichtenagentur dpa.

Pistorius machte dabei deutlich, dass er den Wunsch nach Frieden teile. Russlands Präsident Wladimir Putin aber schlage Angebote aus der Ukraine nach einem bedingungslosen Waffenstillstand in den Wind. „Verhandlungen bricht er ab. Und wenn er sie führt, bombardiert er gleichzeitig mit noch größerer Härte und Brutalität die Städte in der Ukraine“, sagte er.

Mit diesem Putin können wir nur aus einer Position der Stärke verhandeln – nur so werden wir ihn an den Verhandlungstisch bringen 

Verteidigungsminister Boris Pistorius

All dies mache deutlich: Russland wolle den Frieden nicht, und wenn nur zu eigenen Bedingungen. Pistorius warnte vor Bedingungen, die einer Kapitulation der Ukraine gleichkämen und sagte: „Ein solcher Frieden würde die Ukraine schutzlos der russischen Willkür ausliefern.“ Zugleich rüste Putin weiter auf, habe auf Kriegswirtschaft umgestellt und spreche selbst von einem ernsthaften, unversöhnlichen Kampf um die Entwicklung einer neuen Weltordnung.

Putin habe jahrelange diplomatische Vermittlungsversuche in den Wind geschlagen. „Er verfolgt die Konfrontationsstrategie. Nicht wir“, so Pistorius, der sagt, er benenne die Lage und die Folgen für Deutschland klar. Und: „Das vermisse ich bei den Verfassern des Papiers.“ 

Juri Auel

Sozialverbände wenden sich gegen allgemeine Dienstpflicht

Mehrere große Sozialverbände sprechen sich in der aktuellen Diskussion um die Wiedereinführung des Wehrdienstes gegen eine allgemeine Dienstpflicht aus. Süddeutsche Zeitung Dossier berichtete vorab, dass die jeweiligen Chefs von AWO und Diakonie, Michael Groß und Rüdiger Schuch, sowie die Präsidentin des Deutschen Roten Kreuzes, Gerda Hasselfeldt, gegen einen Pflichtdienst seien. Schuch sagte, er halte eine Dienstpflicht für „nicht nötig“. Vielmehr seien Freiwilligendienste „ein Motor für die Demokratie“. 

AWO-Prösident Groß ergänzt: „Es ist eine hartnäckige Fehleinschätzung, dass junge Menschen zum Engagement gezwungen werden müssen.“
Einen Pflichtdienst nennt Groß „die falsche Antwort“. Hasselfeldt befürwortet den Angaben zufolge ein „Jahr für die Gesellschaft“, doch solle dieses „freiwillig, pragmatisch und für alle Jugendlichen offen sein“.

Groß und Hasselfeldt appellierten an die neue Bundesregierung, verlässliche finanzielle Rahmenbedingungen für Freiwilligendienste zu schaffen. Aktuell zwingen nach Darstellung des AWO-Chefs Etatkürzungen die Träger, Plätze und pädagogisches Personal abzubauen. Es sei aber gut, dass der Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD hier eine Wende ankündige, sagte Groß.

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Philipp Saul

Verfassungsschutz hat deutlich mehr Extremisten im Blick

Der Verfassungsschutz hat im vergangenen Jahr deutlich mehr Extremisten beobachtet als in den Jahren zuvor. Das geht aus dem Jahresbericht des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) für 2024 hervor, den Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) und der Vizepräsident des Inlandsgeheimdienstes, Sinan Selen, in Berlin vorgestellt haben. Die wichtigsten Punkte im Überblick:

  • Die Zahl der beobachteten Rechtsextremisten stieg binnen eines Jahres um etwa 23 Prozent auf 50 250 Rechtsextremisten an. Davon schätzte der Verfassungsschutz 15 300 als gewaltorientiert ein – 800 mehr als im Jahr zuvor.
  • Bei „Reichsbürgern“ und Selbstverwaltern geht der Verfassungsschutz von einem Zuwachs um 1000 auf etwa 26 000 Menschen aus.
  • Nach einem leichten Rückgang bei islamistischen Gruppierungen in den Jahren zuvor sieht der Verfassungsschutz einen leichten Zuwachs um knapp vier Prozent auf 28 280 Personen. Das gewaltorientierte islamistische Potenzial schätzt die Sicherheitsbehörde auf 9540 Personen.
  • Die Zahl der Linksextremisten wuchs zwar 2024 laut BfV von 37 000 auf etwa 38 000 extremistische Linke. Bei den als gewaltorientiert eingeschätzten Linksextremisten blieb das Personenpotenzial jedoch mit 11 200 Extremisten auf dem Niveau des Vorjahres.

Rechtsextremisten, linke Anschläge, Islamismus und Sabotage: Das Bundesamt für Verfassungsschutz verschärft in seinem Jahresbericht die Warnungen vor Gefahren für die Demokratie – und geht härter gegen die Neue Rechte vor, schreibt Markus Balser:

Philipp Saul

Bundesregierung stellt sich gegen Unicredit

Nach Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) spricht sich auch Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) gegen die Pläne von Unicredit aus, die Commerzbank zu übernehmen. Deren Betriebsratschef Sascha Uebel veröffentlichte im Netzwerk Linkedin einen Brief des Kanzlers, in dem sich dieser für die Eigenständigkeit der Commerzbank ausspricht. Diese sei nicht nur eine der großen und systemrelevanten Banken Europas, sondern auch eine führende Adresse bei der Finanzierung des deutschen Mittelstands im Ausland. Merz machte deutlich, dass er das einseitige und unkoordinierte Vorgehen Unicredits für nicht akzeptabel halte.

Über die Hintergründe des Übernahmestreits berichtet Banken-Korrespondentin Meike Schreiber (SZ Plus):

Juri Auel

AfD-Verbotsverfahren – Grüne fordern Bund-Länder-Arbeitsgruppe 

Die Grünen fordern Bund und Länder auf, in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe Material für ein AfD-Verbotsverfahren zu sammeln. „So können alle Verantwortlichen ein gemeinsames Vorgehen hin zu einem zügigen Verbotsverfahren erarbeiten“, sagten der stellvertretende Fraktionschef der Grünen im Bundestag, Konstantin von Notz, und die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin Irene Mihalic den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.

Der grüne Rechtspolitiker Till Steffen sagte: „Wir schlagen die Einrichtung einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe vor, um mit allen Verantwortlichen die Lage einzuschätzen und ein gemeinsames Vorgehen zu erarbeiten.“ Dafür sei das Gutachten des Bundesamtes für Verfassungsschutz ein wichtiger Baustein.

Der Verfassungsschutz hatte die AfD Anfang Mai zur „gesichert rechtsextremistischen Bestrebung“ hochgestuft. Dagegen setzt sich die Partei mit einem Eilantrag zur Wehr. Bis zu einer Entscheidung des zuständigen Verwaltungsgerichts Köln hat der Inlandsgeheimdienst die neue Einstufung auf Eis gelegt und führt die AfD daher weiter nur als sogenannten Verdachtsfall.

In der schwarz-roten Bundesregierung gehen die Ansichten über einen Verbotsantrag auseinander. SPD-Chef und Finanzminister Lars Klingbeil zeigte sich offen dafür. Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) ist skeptisch. Aus seiner Sicht reicht das Gutachten des Verfassungsschutzes zur AfD nicht aus für ein Verbotsverfahren. Ein Verbotsverfahren könnten Bundesregierung, Bundestag oder Bundesrat beim Bundesverfassungsgericht beantragen. 

Juri Auel

SPD kritisiert Linnemann für seinen harten Bürgergeld-Kurs 

Das Drängen von CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann auf einen harten Kurs beim vereinbarten Umbau des Bürgergelds stößt beim Koalitionspartner SPD auf deutliche Kritik. „Die Attacken auf den Sozialstaat werden jeden Tag mehr. Dabei ist er kein Kostenfaktor, den man einfach nach Kassenlage zusammenstreicht“, sagte die für Arbeit und Soziales zuständige stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Dagmar Schmidt der Deutschen Presse-Agentur. Die Sozialsysteme im Land seien das solidarische Fundament des Zusammenhalts in der Gesellschaft.

Union und SPD hatten im Koalitionsvertrag vereinbart, das Bürgergeld zu einer neuen „Grundsicherung für Arbeitssuchende“ umzubauen. Linnemann drängt darauf, dabei „wirklich an die Substanz des Systems“ zu gehen, wie er sagte. Ein Punkt ist seiner Meinung nach besonders wichtig: „Wenn jemand nachweislich wiederholt einen zumutbaren Job nicht annimmt, obwohl er offenkundig arbeiten kann, dann muss der Staat davon ausgehen, dass derjenige nicht bedürftig ist. Und dann bekommt er auch kein Bürgergeld mehr.“

Schmidt entgegnete: „Statt immer wieder die Gerechtigkeitsfrage allein bei denen zu stellen, die kleine, kleinste oder gar keine eigenen Einkommen haben, gilt es diejenigen stärker an der Finanzierung unseres Gemeinwesens zu beteiligen, die höchste Einkommen und Vermögen haben.“ Sie fügte hinzu: „Und statt die Realitäten vieler Menschen zu ignorieren, die aufgrund von schwierigen Lebenslagen, Krankheit, Arbeitslosigkeit oder anderer Hürden diese Unterstützung brauchen, könnte man sich auch Gedanken darüber machen, wie man die Hürden abbaut und zielgerichtet und nachhaltig auf dem Weg in Arbeit unterstützt.“

Die Debatte ist nicht neu, steht jetzt aber unter anderem Vorzeichen, weil Union und SPD gemeinsam regieren. Im vergangenen Sommer hatte Linnemann in der Diskussion über einen Anstieg der Zahl der Bürgergeldempfänger und die stark gestiegenen Kosten für die Leistung schon einmal den Vorschlag in die Diskussion gebracht, mutmaßlich arbeitsunwilligen Bürgergeldempfängern die Grundsicherung komplett zu streichen. Gegenwind bekam er damals unter anderem von SPD. Der CDU-Sozialflügel bekräftigte seine Kritik an Linnemanns Vorstoß. Der Vize-Vorsitzende der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), Christian Bäumler, sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Das Bürgergeld ist für Carsten Linnemann eine politische Obsession.“ Sanktionen seien richtig, reichten aber nicht aus. „Unser Ziel muss es sein, Menschen in Arbeit zu bringen, nicht sie verhungern oder obdachlos werden zu lassen“, sagte Bäumler. Die vollständige Streichung der Grundsicherung dürfe nur die letzte Möglichkeit sein. Aktuell ist eine Streichung bis zwei Monate möglich. 

Diskussion um Taser-Forderung: Zweifel von der SPD, Kritik von den Linken, Zustimmung von Polizeigewerkschaften

Um die Ankündigung von Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU), die Bundespolizei mit Tasern auszurüsten, ist eine Diskussion entflammt. Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens (SPD) äußerte Zweifel daran, „ob der Einsatz weiterer Geräte wie Taser wirklich sinnvoll ist“. Den Zeitungen der Funke Mediengruppe sagte sie: „Gerade in Hochstresssituationen könnte die Auswahl des geeigneten Einsatzmittels zu einer erheblichen Erhöhung der Komplexität im Einsatz führen.“

Auch die Partei Die Linke äußerte sich kritisch zu dem Vorhaben. „Es gibt zahlreiche dokumentierte Todesfälle nach Taser-Einsätzen, auch bei unbewaffneten oder verwirrten Personen. Die angebliche Erfolgsquote ist in der Praxis erschreckend niedrig“, sagte Clara Bünger, die innenpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion, der Rheinischen Post. Die Pläne seien deshalb falsch und gefährlich. „Das ist keine Maßnahme zur Deeskalation, sondern ein weiterer Schritt in Richtung Aufrüstung der Polizei.“

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) begrüßte Dobrindts Pläne. Der GdP-Chef für die Bundespolizei, Andreas Roßkopf, sagte der Rheinischen Post: „Bei der gestiegenen Gefahrenlage, insbesondere an Bahnhöfen, wie wir zuletzt in Hamburg erlebt haben, stellen die Geräte ein wichtiges Einsatzmittel dar.“ Am Hamburger Hauptbahnhof hatte vor zwei Wochen eine Frau wahllos um sich gestochen, 18 Menschen wurden bei dem Angriff verletzt. Die laufende Erprobung von Tasern an manchen Bahnhöfen durch die Bundespolizei zeige, dass oft schon die Androhung aufgebrachte Situationen beruhige, sagte Roßkopf.

Zuletzt hatte nach den tödlichen Schüssen bei einem Polizeieinsatz in Oldenburg auch die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) in Niedersachsen ihre Forderung zum Einsatz von Tasern bekräftigt. Ein Polizist hatte in der Nacht zu Ostersonntag mindestens viermal auf einen 21-Jährigen geschossen, der Mann starb. Nach Angaben der Polizei hatte der junge Mann zuvor vor einer Diskothek Reizgas versprüht und mehrere Menschen leicht verletzt.

Nadja Lissok

Dobrindt fordert Taser für Bundespolizisten

Bundesinnenminister Alexander Dobrindt will laut einem Medienbericht die Bundespolizei mit Elektroschockgeräten ausstatten. „Ich bin davon überzeugt, dass der Einsatz von Tasern bei unserer Polizei zwingend notwendig ist“, sagte der CSU-Politiker den Zeitungen der Funke-Mediengruppe vorab. Er werde dafür sorgen, dass „die Bundespolizei schnell mit Tasern ausgerüstet wird und die notwendigen rechtlichen Rahmenbedingungen dafür noch schnell in diesem Jahr aufgesetzt werden“. Den gleichen Vorschlag machte schon Justizminister Marco Buschmann (FDP).

Auch die finanziellen Mittel für die Beschaffung der Distanzelektroimpulsgeräte will der Minister dem Vorabbericht zufolge bereitstellen. Der Einsatz des Tasers sei „ein geeignetes Mittel, um auf die gestiegene Bedrohung der Polizei im öffentlichen Raum zu reagieren“. Gerade wenn Personen Bundespolizisten mit Stichwaffen wie Messern angreifen würden, könnten die Beamten die Angreifer „effektiver ausschalten“ und „sich selbst besser schützen“. 

Laut der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPoIG) werden Teaser bereits in zehn Bundesländern verwendet. Bei der Bundespolizei werde die flächendeckende Verbreitung bereits vorbereitet. Mit dem Elektroimpulsgerät sollen Polizisten einen Angreifer auf Distanz halten können. Aus zwei bis fünf Metern schießt der Polizist mit Draht verbundene Pfeile ab. Für den Betroffenen ist das schmerzhaft. Der Pfeil gibt einen Stromimpuls ab, der sich auf Nerven und Muskeln auswirkt. Taser sind umstritten, weil es in den USA Fälle gab, bei denen Menschen mit einem Herzfehler gestorben sein sollen.

Christoph Heinlein

Miersch will über Wehrpflicht erst in der nächsten Legislaturperiode reden

In dieser Legislaturperiode wird es nach Angaben von SPD-Fraktionschef Matthias Miersch keine Verhandlungen über eine mögliche Rückkehr zur Wehrpflicht geben. „Im Koalitionsvertrag ist eindeutig festgelegt, dass wir auf Freiwilligkeit setzen“, sagte Miersch der Neuen Osnabrücker Zeitung (NOZ). „Über eine Wehrpflicht kann man dann gegebenenfalls in der kommenden Legislaturperiode verhandeln, in dieser nicht.“

Miersch hält das Ziel von 60 000 zusätzlichen Soldaten mittelfristig für erreichbar. „Aktuell wären auch nicht annähernd ausreichend Ausbildungskapazitäten vorhanden.“ Er sagte, die Kernfrage laute: „Wie sorgen wir dafür, dass der Dienst attraktiv wird?“ Er erklärte: „Das war allein schon wegen der mangelnden Ausrüstung nicht möglich. Boris Pistorius kann jetzt investieren und junge Leute anders ansprechen.“ 

Verteidigungsminister Pistorius (SPD) hatte angekündigt, dass bis zu 60 000 Soldaten zusätzlich in der aktiven Truppe für die neuen Nato-Planungsziele zur verstärkten Verteidigungsfähigkeit nötig seien:

Christoph Heinlein

Dobrindt will Europäischen Gerichtshof über Zurückweisungen entscheiden lassen

Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) hält an verstärkten Grenzkontrollen fest und will den Europäischen Gerichtshof über die umstrittenen Zurückweisungen entscheiden lassen. Das Berliner Verwaltungsgericht habe in seiner jüngsten Entscheidung angemerkt, dass die Begründung für die Anwendung von Artikel 72 - einer Ausnahmeregel im Europäischen Recht - nicht ausreichend sei, sagte Dobrindt den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. „Wir werden eine ausreichende Begründung liefern, aber darüber sollte der Europäische Gerichtshof entscheiden.“

Dobrindt sagte weiter: „Ich bin der Überzeugung, dass wir uns mit unseren Maßnahmen innerhalb des europäischen Rechts bewegen.“ Ein mögliches Veto des Europäischen Gerichtshofs gegen Zurückweisungen würde er aber „selbstverständlich“ akzeptieren, so der Innenminister. 

Das Verwaltungsgericht Berlin hatte am Montag in einer Eilentscheidung festgestellt, die Zurückweisung dreier Somalier bei einer Grenzkontrolle am Bahnhof Frankfurt (Oder) sei rechtswidrig.

Merz: Wir haben „eine Art importierten Antisemitismus“

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) sieht Migration als eine wichtige Ursache für Antisemitismus in Deutschland. Auf die Frage, was er in seinem Land tue, um Antisemitismus einzudämmen, antwortete Merz in einem Interview des US-Senders Fox News auf Englisch: Man tue alles, was man könne, um die Zahl antisemitischer Vorfälle zu reduzieren. „Wir verfolgen diejenigen, die gegen das Gesetz verstoßen, und offen gesagt, haben wir eine Art importierten Antisemitismus mit dieser großen Zahl von Migranten“, die man seit 2015 in Deutschland habe.

Die Formulierung „importierter Antisemitismus“ war vor einigen Monaten Thema bei der institutionell unabhängigen und ehrenamtlichen Aktion „Unwort des Jahres“. Die Publizistin und Politologin Saba-Nur Cheema sowie Meron Mendel, Publizist, Historiker, Pädagoge und Direktor der Bildungsstätte Anne Frank, waren diesmal Teil der Jury – und kürten „importierten Antisemitismus“ zu ihrem persönlichen Unwort des Jahres 2024.

Der Ausdruck suggeriere, dass Judenhass vor allem mit dem Zuzug von Migrantinnen und Migranten zum Problem geworden sei, hieß es zur Begründung. Der Begriff werde vor allem in rechten Kreisen verwendet, um Musliminnen und Muslime sowie Menschen mit Migrationsbiographie auszugrenzen „und vom eigenen Antisemitismus abzulenken“, so die Jury.

Merz: Ging bei Gesprächen mit Trump nicht um AfD

Kanzler Friedrich Merz (CDU) hat bei seinem Treffen mit US-Präsident Donald Trump in der Hauptstadt Washington nach eigenen Angaben nicht über den Umgang mit der AfD gesprochen. Auf die Frage, ob das Thema zur Sprache gekommen sei, antwortete Merz in einem Interview des Senders CNN: „Interessanterweise nicht mit einem Wort.“ Er schlussfolgere daraus, dass man sich in den USA inzwischen etwas klarer darüber sei, „was für eine Art Partei diese sogenannte Alternative für Deutschland wirklich ist“.

Deutschland sei eine sehr starke und standhafte Demokratie, sagte Merz. „Wir sind erwachsen, und offen gesagt, wir brauchen keine Lektionen von außen, wie wir unser Land regieren und wie wir Demokratie in Deutschland machen, das machen wir selbst“, bekräftigte er seinen Standpunkt.

Die Trump-Regierung hatte Deutschland und anderen europäischen Verbündeten in den vergangenen Monaten eine Einschränkung der Meinungsfreiheit und eine Ausgrenzung von Parteien wie der AfD vorgeworfen. US-Vizepräsident J. D. Vance etwa hatte die europäischen Partner im Februar bei der Münchner Sicherheitskonferenz ungewöhnlich scharf attackiert und sie vor einer Gefährdung der Demokratie gewarnt. Er nahm dabei indirekt Bezug auf die deutsche Debatte über eine Abgrenzung von der AfD und warnte vor „Brandmauern“ in Europa.

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