Bundeshaushalt: „Nichts ist teurer als der Stillstand“

vor 23 Stunden 1

Es soll ja Zeiten gegeben haben, da zerbrachen am Streit über den Bundeshaushalt ganze Regierungen. Insofern muss man es wohl als gute Nachricht sehen, dass Lars Klingbeil am Dienstag vor der Presse sitzt und nicht nur die Finanzplanung der schwarz-roten Koalition für die Jahre 2025 bis 2029 verkündet. Nein, so berichtet der immer noch recht neue Finanzminister, die regierungsinternen Gespräche seien sogar sehr harmonisch verlaufen. Zwar hätten die Kabinettskollegen gerne 47 Milliarden Euro mehr ausgegeben als zur Verfügung gestanden habe. Am Ende aber, so die Botschaft, hätten sich alle der gemeinsamen Sache verschrieben.

Friede, Freude, Frohsinn in Berlin also – kein Wunder, denn noch nie standen einer neuen Regierung zu Beginn ihrer Amtszeit so viele Geldtöpfe zur Verfügung wie dem Bündnis aus CDU, CSU und SPD: Allein der Kernhaushalt soll dieses Jahr 503 Milliarden Euro umfassen, dazu kommen über zehn Jahre der mit 500 Milliarden Euro gefüllte Sonderetat für Infrastrukturinvestitionen, der Klima- und Transformationsfonds (KTF), die Reste des 100 Milliarden Euro schweren Bundeswehr-Sondervermögens sowie die Aussetzung der Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben. Es ist ein Füllhorn, das seinesgleichen sucht.

Die „schwarze Null“ hilft nicht, wenn Schulen vergammeln, sagt Klinbeil

SPD-Mann Klingbeil ist allerdings weit entfernt davon, sich für den Geldsegen zu entschuldigen, mit dem er das Wachstum ankurbeln, Brücken, Schienen und Krankenhäuser modernisieren und das Land verteidigungsfähig machen will. Im Gegenteil, er verkauft sich als Sanierer, als Trümmerbeseitiger gar. „Dieses Land ist kaputtgespart worden an vielen Stellen“, sagt er im Stil eines Staatsanwalts, der die Verfehlungen seiner Amtsvorgänger Wolfgang Schäuble (CDU), Olaf Scholz (SPD) und Christian Lindner (FDP) aufzählt. Alle drei Ex-Minister nämlich hatten während ihrer Amtszeit der „schwarzen Null“, also einem Haushalt ohne neue Schulden, gehuldigt oder sich sklavisch an die Schuldenbremse des Grundgesetzes gekettet.

Nicht so Klingbeil. „Die schwarze Null ist für mich kein Wert an sich, wenn dabei Brücken vergammeln, Schulen vergammeln und die Bundeswehr vernachlässigt wird“, so der Kassenwart. „Deswegen müssen wir jetzt aufholen.“ Zwar sei es richtig, dass das einiges koste. Aber: „Ich glaube, dass nichts teurer ist als der Stillstand der letzten Jahre.“ Mit dem Haushalt für 2025 und der Finanzplanung bis 2029 sende die Koalition „auch ein Signal an die Bürgerinnen und Bürger, dass diese Regierung sie gehört hat, dass wir verstanden haben, dass im Land etwas anders werden muss“.

Einiges anders werden soll in der Tat. Allein in diesem Jahr will der Bund 116 Milliarden Euro in Straßen und Schienen, eine digitale Verwaltung, bessere 5-G-Netze, Bildung, Forschung und den Klimaschutz investieren. Das sind 55 Prozent mehr als im vergangenen Jahr. 2026 soll die Summe dann auf fast 124 Milliarden Euro steigen. Allein für die Sanierung und die Digitalisierung des Bahnnetzes will Klingbeil bis 2029 insgesamt mehr als 100 Milliarden Euro zur Verfügung stellen. Für Investitionen in die Kindertagesbetreuung und die digitale Bildung sollen 6,5 Milliarden Euro fließen, für den Sozialen Wohnungsbau und die Städtebauförderung sind insgesamt gut 20 Milliarden Euro vorgesehen.

Noch schwindelerregender wachsen die Ausgaben für die Sicherheit. Addiert man die Mittel aus dem Kernhaushalt und dem Bundeswehr-Sondervermögen, das die Vorgängerregierung nach dem russischen Überfall auf die Ukraine geschaffen hatte, will Schwarz-Rot allein im laufenden Jahr knapp 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr, den Zivilschutz, die Nachrichtendienste, die Unterstützung der Ukraine sowie den Kampf gegen Cyberangriffe – etwa aus Russland – ausgeben.

Bis 2029 sollen die gesamten Sicherheitsausgaben gar auf sagenhafte 168 Milliarden Euro steigen. Bereits von 2028 an muss die Summe in voller Höhe aus dem regulären Etat gestemmt werden, weil das Bundeswehr-Sondervermögen dann aufgebraucht sein wird. Das hieße, dass der Bund fortan fast 30 Prozent seiner Gesamtausgaben für die äußere Sicherheit reservieren müsste.

Deutschland würde damit als eines der ersten Nato-Länder die neue Zielmarke von 3,5 Prozent der Wirtschaftsleistung erreichen und innerhalb der Allianz von einem hinteren auf einen Spitzenplatz aufsteigen. Die Frage, ob man es nach den Versäumnissen der Vergangenheit nun nicht übertreibe, bringt den Ex-Verteidigungspolitiker Klingbeil sichtlich in Fahrt: „Wir tun das, was notwendig ist, um die Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten“, sagt er. „Ich möchte jederzeit als politisch Verantwortlicher vor die eigenen Wählerinnen und Wähler treten können und sagen können: Ich habe alles dafür getan, dass ihr hier sicher leben könnt.“

30 Milliarden Euro Zinsen muss der Bund 2025 zahlen

Das Preisschild, das an all den Investitionsvorhaben und Sondertöpfen klebt, will der Minister allerdings nicht so recht vorzeigen. Zwar verschweigt er nicht, dass die Nettokreditaufnahme des Bundes, also die Differenz zwischen neu aufgenommenen Darlehen und der Tilgung von Altschulden, allein in diesem Jahr um 150 Prozent auf fast 82 Milliarden Euro steigen und 2029 gar 126 Milliarden Euro erreichen soll. Was das an Zinsen kostet, beantwortet Klingbeils Haus aber erst auf wiederholte Nachfrage. Kein Wunder, denn die Zahlen lesen sich nicht schön: Bereits in diesem Jahr wird der Bund 30 Milliarden Euro an Banken, Versicherer, Pensionsfonds und alle übrigen Gläubiger überweisen müssen. Bis 2029 dürften sich diese Kosten auf rund 62 Milliarden Euro verdoppeln.

Und noch ein Punkt fehlt in der bunten Präsentation, die Klingbeil am Dienstag verteilen lässt: das Eingeständnis nämlich, dass in der Finanzplanung bis 2029 noch gigantische Löcher klaffen. Für 2027 fehlen bisher Einnahmen von 22 Milliarden, für 2028 von 56 Milliarden Euro. Für 2029 sind es gar 66 Milliarden. Woher das Geld kommen soll? Der Finanzminister setzt auf Wachstum und höhere Steuereinnahmen – und die Sparbereitschaft des gesamten Kabinetts. Klingbeil: „Ich hab’ den Kollegen immer gesagt: Die 25er-Gespräche waren jetzt zum Warmwerden.“

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