"Bits & Böses": Wenn aus Worten Waffen werden – Hass im Netz

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"Ich möchte erreichen, dass Betroffene es sich nicht quasi zur Lebensaufgabe machen müssen, ständig falsche Zitate zu suchen und die zu melden", erklärt die Grünen-Politikerin Renate Künast in der ersten Folge der zweiten Staffel des Reportage-Podcasts "Bits & Böses". Sie ist eine der bekanntesten Stimmen im Kampf gegen Hass im Netz und führt seit Jahren Prozesse, aktuell gegen den Meta-Konzern wegen eines Falschzitats, das ihr untergeschoben wurde und trotz Meldung immer wieder auf Facebook kursiert. Künast strebt eine Grundsatzentscheidung an, damit Plattformen wie Meta verpflichtet werden, sinngleiche Inhalte eigenständig zu suchen und zu löschen. Diese Ansicht teilten bereits das Landgericht und Oberlandesgericht Frankfurt. Nun liegt der Fall beim Bundesgerichtshof.

Neben Renate Künast sind auch andere Personen des öffentlichen Lebens betroffen. Die Klimaaktivistin Luisa Neubauer erhält regelmäßig Hasskommentare und Drohungen, wie ein Video zeigt, in dem ein Mitglied eines AfD-Kreisverbands sie als seinen "schlimmsten Feind" bezeichnet. Auch der SPD-Politiker Karamba Diaby, erster schwarzer, in Afrika geborener Bundestagsabgeordneter, ist seit Jahren Ziel von Hass und Hetze.

Doch Hass trifft nicht nur bekannte Persönlichkeiten. Die 15-jährige Amanda Todd aus Kanada wurde Opfer von Sextortion und nahm sich 2012 das Leben, nachdem intime Bilder von ihr verbreitet wurden. Ihr Fall führte zur Gründung des Amanda Todd Legacy Fund. Ähnlich erging es dem 20-jährigen Tim Ribberink aus den Niederlanden, der jahrelang online gemobbt wurde und 2012 Suizid beging. Sein Tod löste eine nationale Debatte aus, die zu gesetzlichen Anti-Mobbing-Maßnahmen an niederländischen Schulen führte. Eine WHO-Studie von 2024 zeigt, dass Cybermobbing unter Jugendlichen zugenommen hat, und laut der Studie "Lauter Hass, leiser Rückzug" wurde in Deutschland fast jede zweite Person schon online beleidigt, was viele zum Rückzug aus Online-Diskussionen bewegt.

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Eine weitere Form digitaler Gewalt sind Deepfakes, manipulierte Bilder und Videos, die täuschend echt wirken. Anna-Lena von Hodenberg von der Organisation HateAid berichtet im Podcast, dass sich seit etwa 2020 vermehrt Frauen melden, die manipulierte Bilder von sich auf Social Media oder Pornoplattformen entdecken. Dies diene dazu, "Frauen aus bestimmten Räumen, aus bestimmten Rollen zu drängen und sie stillzumachen". Diese Entwicklung gefährde nicht nur Einzelne, sondern auch die Demokratie, da sie die Glaubwürdigkeit von Informationen untergrabe.

Zwar gibt es auf EU-Ebene den Digital Services Act, der Plattformen zu leichter erreichbaren Meldewegen verpflichtet, doch wie Holger Bleich vom c't Magazin betont: "Hass, auch wenn das oft anders dargestellt wird, ist in Deutschland erstmal eine Meinung." Solange diese Meinung keine Persönlichkeitsrechte verletze oder Volksverhetzung darstelle, sei sie nicht illegal. Das Bundesjustizministerium legte im Dezember 2024 einen Entwurf zum Gesetz gegen digitale Gewalt vor. HateAid fordert von der neuen Bundesregierung nun eine zügige Verabschiedung eines entsprechenden Gesetzes. Im Fall Künast wartet der BGH derzeit auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs, die für den Prozess relevant sein könnte.

"Bits & Böses" erscheint alle zwei Wochen überall, wo es Podcasts gibt. Wenn Sie keine Folge verpassen wollen, können Sie "Bits & Böses" hier abonnieren. (igr)

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