
Biko Botowamungu: Achtmal österreichischer Boxmeister
Foto: brandstaetter images / Votava / akg-imagesDieser Artikel gehört zum Angebot von SPIEGEL+. Sie können ihn auch ohne Abonnement lesen, weil er Ihnen geschenkt wurde.
Mit 17 hatte Biko Botowamungu, der später mal Prediger werden sollte, sein erstes Erweckungserlebnis. Er war in Kinshasa, in seinem Heimatland, das damals noch Zaire hieß, um ihn herum im Stade du 20 Mai brodelte, dampfte, kochte es, das Publikum war nah am Durchdrehen, es brüllte, schrie, niemand hielt es auf den Sitzen. Und er war mitten unter ihnen.
Augenzeuge des berühmtesten Boxkampfs der Sportgeschichte, des »Rumble in the Jungle«, des Duells von Muhammad Ali mit George Foreman, viel besungen in Liedern, in Filmen, in Büchern. Ein Monument der Popkultur.
Die Siebzigerjahre bündelten sich in dieser Nacht von Kinshasa des 30. Oktober 1974, der junge Biko Botowamungu sah das alles, sah Ali siegen, war dabei in dieser Nacht der Nächte und dachte sich nur: Das will ich auch.

»Rumble in the Jungle« 1974: Ein Erweckungserlebnis
Foto: picture alliance / APEin Muhammad Ali ist er nicht geworden, aber immerhin nannte ihn Holger Gertz in der »Süddeutschen Zeitung« später den »Ali von Wien«, und das bedeutet ja auch schon etwas. Botowamungu besaß ein Fotoalbum, darin befanden sich unter anderem zwei Schwarz-Weiß-Aufnahmen: Die eine zeigt ihn in Neapel auf einer Party mit Diego Maradona, die andere mit dem einzig wahren Muhammad Ali. Promoter Don King steht daneben und lacht sein berüchtigtes Don-King-Lachen. Das war der Moment, in der der Ali von Wien und der echte Ali sich einmal ganz nah gekommen waren.
Erst Ringer, dann Boxer
Bis dahin hatte Botowamungu, am Sonntag im Alter von 68 Jahren in Wien gestorben, ein paar Umwege genommen. Botowamungu war zunächst kein Boxer, sondern Ringer. Und zwar gar kein schlechter, er qualifizierte sich für die Olympischen Spiele von Montreal 1976.

Boxer Botowamungu als Prediger: Der Hergott erschien im Traum
Foto:Manfred Schmid / Getty Images
Aber weil zahlreiche afrikanische Staaten, unter ihnen Zaire, die Spiele von Montreal boykottierten, aus Protest gegen das Apartheidland Südafrika, zerstob der Olympiatraum des Biko Botowamungu. Er reiste stattdessen in die USA und nach Europa, um sich dort als Ringer zu verdingen.
Seine Reise endete in Österreich, wo er von dem Wiener Wrestling-König jener Tage, Georg »Schurl« Biemenschütz verpflichtet wurde – als Wrestler, oder wie es damals noch hieß, als Catcher, für das allsommerliche Catch-Spektakel auf dem Wiener Heumarkt. Kampfname »Dr. Biko«.
Kirmes-Catchen unter dem Gejohle der Zuschauer statt Olympia-Ringen, die sportliche Laufbahn des Biko Botowamungu schien ein frühes und eher trauriges Ende zu nehmen. Aber ihm half der Zufall.
Als er in Wien mal seine Schuhe zum Schuhmacher brachte, betrat er den Laden des Josef Kowarik, und der war nicht nur Schuster, sondern auch der bekannteste Boxtrainer der österreichischen Hauptstadt. Kowarik sprach Botowamungu an, ob er nicht mal bei ihm im Boxstall vorbeischauen wollte, und so begann seine zweite Sportkarriere.
Als Medaillenanwärter zu Olympia
Achtmal wurde er österreichischer Meister im Schwergewicht, im Superschwergewicht, und zwölf Jahre nach seiner verpassten Olympiateilnahme wurde sein Traum doch noch erfüllt: 1988 fuhr er nach Seoul zu den Spielen in Südkorea, im Gepäck der Erwartungsdruck der österreichischen Öffentlichkeit, Botowamungu galt als klarer Medaillenanwärter, und so viele davon hat Österreich bei den Sommerspielen gemeinhin nicht.

Botowamungu ging 1988 gegen Riddick Bowe k.o.
Foto: James Gerberich / AP / picture allianceBotowamungu hatte allerdings Lospech, bekam schon für den ersten Kampf den vor Kraft und Selbstbewusstsein berstenden US-Amerikaner Riddick Bowe zugelost. Vor den Augen von Arnold Schwarzenegger, der extra, um Botowamungu boxen zu sehen, in die Halle gekommen war, fing sich der Österreicher in der fünften Runde eine Faust Bowes und ging zu Boden – Knockout. Das war es mit Botowamungus Medaillenwunsch, die gewann Bowe stattdessen mit Silber, im Finale unterlag er Lennox Lewis. Beide wurden später berühmte Profis.
Auch Botowamungu probierte es mit der Profilaufbahn, weniger erfolgreich als Bowe und Lewis. Immerhin sah er die Welt. Er boxte in Las Vegas und in New York, er kämpfte und verlor gegen den jungen Wladimir Klitschko, er stellte sich als Sparringspartner für Mike Tyson in den Ring, 2004 beendete er seine Karriere. Bis heute ist er der letzte Olympiaboxer Österreichs gewesen.

Botowamungu 1988 vor Olympia in Seoul
Foto: brandstaetter images / Votava / akg-imagesEs begann sein nächstes Leben, und auch das hatte wieder mit einem Erweckungserlebnis zu tun. Im Traum, so erzählt er, seien ihm erst der Teufel, dann der Herrgott erschienen, er nahm das als Auftrag, sein Leben künftig Gott zu widmen und wurde in Wien zum Baptistenprediger.
Das wilde Leben war vorbei
Das wilde Leben mit Maradona und Co. war vorbei, Schluss mit den Verrücktheiten der Achtzigerjahre, als er mit Boxerkollegen den Song »Boxing Night« aufnahm und im Wiener Tatort »Seven Eleven« von 1990 mit Kommissar Fichtl eine kleine Rolle hatte, natürlich als Boxer. Auch seinen Job als Security-Mann bei der Uno in Wien gab er auf, unter anderem war er dort zeitweise Leibwächter des italienischen Mafia-Jägers Giovanni Falcone.
Er gönnte sich nur noch einen Ausflug ins Showbusiness, 2013 nahm er an der Fernsehsendung »Dancing Stars« teil, der österreichischen Variante von »Let's Dance«. Dort schob er seine 120 Kilo über die Tanzfläche. Die Fachjury schüttelte den Kopf, für die Fernsehzuschauer war er der Publikumsliebling.
Vor zwei Jahren erkrankte er an Demenz, im Vorjahr machte er die Krankheit öffentlich. Es war der letzte Kampf des Ali von Wien.