Bisher sind fossile Brennstoffe, vorrangig Erdöl, die Ausgangsprodukte für die Paracetamol-Herstellung. »Diese Technologie zeigt, dass wir durch die Verbindung von Chemie und Biologie zum ersten Mal Paracetamol nachhaltiger herstellen und gleichzeitig die Umwelt von Plastikmüll befreien können«, schreibt die Gruppe um Stephen Wallace von der University of Edinburgh. Die Entdeckung gelang dem Team, weil es herausfand, dass eine bestimmte chemische Reaktion, der Lossen-Abbau, auch unter Bedingungen stattfinden kann, die biokompatibel sind.
»Der klassische Lossen-Abbau erfordert typischerweise Bedingungen, die für E. coli zu hart sind«, schreiben Wei Long Soon und Kollegen von der National University of Singapore in einem Kommentar, ebenfalls in »Nature Chemistry«.
In ihren Versuchen aber stellten die Studienautoren fest, dass Phosphat, das im Inneren von E.-coli-Bakterien zu finden ist, als Katalysator für den Lossen-Abbau bei milden Temperaturen funktioniert. So kann eine Reaktion, die nicht biochemisch ist, in einer lebenden Zelle stattfinden.
Das Ausgangsprodukt für diese Reaktion ist der Terephthalsäure, einem Grundbestandteil von PET, recht ähnlich. Deshalb kamen die Forscher auf die Idee, Terephthalsäure aus der Hydrolyse alter PET-Flaschen zu gewinnen. Tatsächlich konnten präparierte E.-coli-Stämme aus einer veränderten Terephthalsäure durch Lossen-Abbau Para-Aminobenzoesäure (Paba) gewinnen, einen Stoff, den E. coli zum Wachstum benötigt. Nun setzten die Wissenschaftler einem E.-coli-Stamm das Gen ABH60 aus dem Pilz Agaricus bisporus ein und einem anderen Stamm das Gen Panat aus dem Bakterium Pseudomonas aeruginosa. Die von diesen Genen abgeleiteten Enzyme wandelten Paba in Paracetamol um.
Durch die Optimierung der Bedingungen und des Verhältnisses der beiden E.-coli-Stämme konnten die Forscher den Paracetamol-Ertrag von anfangs 29 Prozent auf schließlich 92 Prozent des ursprünglichen Substrats steigern. Dabei kann der gesamte Vorgang in nur einem Gefäß stattfinden, was die Überführung in einen industriellen Prozess erleichtert. »Da die Industrie künftig nach umweltfreundlicheren Alternativen zu fossilen Ressourcen sucht, erweitert die Integration biokompatibler chemischer Reaktionen in Stoffwechselwege den Gestaltungsspielraum für die Abfallverwertung«, schreiben die Kommentatoren um Soon.
Weiterentwicklungen nötig
Sie verweisen auf erhebliche Anstrengungen, die bereits unternommen wurden, um PET-Abfälle als Rohstoff für mikrobielle Prozesse zu nutzen: von der Entwicklung von Mikroben oder Enzymen für einen effizienten PET-Abbau bis hin zur Verbesserung der Aufnahme und Biokonversion von PET-Monomeren in wertvolle Verbindungen.
In dem neuen Ansatz sehen sie eine große Chance, zugleich aber auch Verfahrensprobleme: »Aus Sicht einer Skalierung könnte die derzeitige Substratkonzentration, die die Paracetamol-Produktion begrenzt, für industrielle Anwendungen unzureichend sein.« Da erhöhte Substratkonzentrationen giftig für E. coli sein dürften, könnte die Entwicklung toleranterer Stämme erforderlich sein.