Das Licht ist so schwach, dass nur spezielle Kameras es sichtbar machen können: Lebewesen sind von einer Art Aura umgeben, die mit dem Tod zu erlöschen beginnt. Forschenden ist es nun gelungen, solche Lichtteilchen bei Mäusen und Pflanzen sichtbar zu machen, berichten sie im Fachblatt »Journal of Physical Chemistry Letters« .
Die Lichtteilchen, Photonen genannt, entstehen als Nebenprodukte des Zellstoffwechsels. Als ultraschwache Photonenemission (UPE) wird das schon seit Jahrzehnten untersuchte Phänomen bezeichnet.
»Ultraschwach bedeutet in diesem Zusammenhang, dass es sich um extrem geringe Lichtmengen handelt – typischerweise nur wenige Photonen – die selbst mit hochsensibler Messtechnik nur mit großem Aufwand nachweisbar sind«, sagt Stefan Schramm von der Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden (HTWD), der selbst nicht an der Analyse beteiligt war.
Parallelen zur klassischen Biolumineszenz
»Die genauen molekularen Ursachen dieser Emissionen sind noch nicht abschließend geklärt«, so Schramm. »Es gilt jedoch als plausibel, dass sie im Zusammenhang mit normalen Stoffwechselvorgängen stehen, insbesondere mit der Bildung reaktiver Sauerstoffspezies (ROS).«
Diese entstünden bei biochemischen Prozessen im Organismus und könnten instabile Zwischenprodukte erzeugen, die spontan zerfallen und dabei Photonen emittieren. »Damit gibt es Parallelen zur klassischen Biolumineszenz, wie man sie etwa von Glühwürmchen kennt – allerdings ist UPE um mehrere Größenordnungen schwächer und ohne technische Hilfsmittel nicht sichtbar«, sagt Schramm.
Messung nur in absolut dunklen Kammern möglich
Die Vermutung, dass solche »Biophotonen« existieren, konnte mangels ausreichend empfindlicher Technik lange nicht bewiesen werden. Zudem sind Messungen nur in absolut dunklen Kammern möglich, weil Tageslicht, Lampen oder allein schon das Licht von Instrumentenanzeigen die extrem schwache Lebensaura überlagert. In den vergangenen Jahren gelangen erste Nachweise ultraschwacher Photonenemissionen bei Bakterien, Pilzen, Samen und tierischem Gewebe.
Das Team um Daniel Oblak von der Universität Calgary bestätigte in Experimenten mit Mäusen und zwei Pflanzenarten nun mithilfe neuer Bildgebungssysteme, dass Lebewesen geringe Mengen an Photonen im sichtbaren Bereich abgeben. Verwendet wurden besonders lichtempfindliche sogenannte EMCCD-Kameras, die in der Lage sind, selbst extrem schwache Lichtsignale aufzulösen.
Für den Versuch setzten die Forschenden vier Mäuse in eine dunkle Box. Die Mäuse standen unter Vollnarkose und wurden später eingeschläfert. Auf den Kameraaufnahmen ist zu sehen, dass von den Mäusen zunächst ein schwaches Licht ausgeht, das nach ihrem Tod allmählich abnimmt – ihr Lebenslicht erlischt im wörtlichen Sinne.

Aufnahme der von der Oberfläche einer lebenden (links) und einer toten Maus (rechts) abgestrahlten Photonen
Foto: National Research Council of Canada / dpaBei einer weiteren Testreihe nutzte das Forschungsteam die Pflanzenarten Ackerschmalwand und Kleine Strahlenaralie. Die Wissenschaftler schädigten die Blätter der Pflanzen mit Alkohol, Wasserstoffperoxid oder Hitze. Dadurch wollten sie herausfinden, wie die Pflanzen auf Stress reagieren. Das Ergebnis: Der Temperaturanstieg und die Verletzungen erhöhten das Leuchten. Auch chemische Behandlungen veränderten die UPE-Intensität.
Der Fortschritt der Studie liege darin, dass nicht nur die UPE detektiert, sondern auch ihre räumliche Verteilung auf der Oberfläche von Lebewesen sichtbar gemacht wurde, erklärt Schramm. »Gewissermaßen eine Art Fotografie dieser emissionsbasierten Aura.«
Das Forschungsteam um Oblak sieht eine Reihe möglicher künftiger Verwendungsmöglichkeiten: So könnte die UPE-Bildgebung genutzt werden, um die Vitalität von Tieren und Pflanzen zu überwachen.
Vorsicht vor pseudowissenschaftlichen Spekulationen
Doch bis dahin ist es ein sehr weiter Weg. Noch ist etwa unklar, ob das Leuchten lediglich ein Nebenprodukt des Zellstoffwechsels ist oder ob es tatsächlich eine Funktion hat, beispielsweise in der Kommunikation zwischen oder innerhalb von Zellen.
»Die Interpretation solcher Lichtaurabilder muss daher mit großer wissenschaftlicher Sorgfalt erfolgen«, sagt Chemiker Schramm. »Um Fehldeutungen oder pseudowissenschaftlichen Spekulationen vorzubeugen.«