Was könnte spannender sein als der Machtkampf zwischen einem skrupellosen Ölbaron und einer von diesem übers Ohr gehauenen Familie zu Beginn des 20. Jahrhunderts? Es könnte darum gehen, wie dieser ausbeuterische Proto-Kapitalist das Land, unter dem er Ölvorräte vermutet, seinen Eigentümern abluchst – bis er auf Widersacher trifft. Was die Dramatik noch erhöhen dürfte, wäre ein Sohn, der sich vom Patriarchen abwendet und mit der Tochter der gegnerischen Familie vermählt. Als moderner Western ließe sich dieser Kampf ums schwarze Gold inszenieren.
So ungefähr dachte sich das wohl Paul Thomas Anderson, als er vor mehr als zwanzig Jahren unter Verwendung von Motiven aus Upton Sinclairs Roman „Oil“ (1927) das Drehbuch zu dem preisgekrönten Kinofilm „There Will Be Blood“ (2007) schrieb. Und es spricht nichts dagegen, ziemlich dasselbe im Jahr 2025 noch einmal zu denken, aber die Handlung nicht in Südkalifornien anzusiedeln, sondern dort, wo die erste fündige Erdölbohrung der Welt tatsächlich stattgefunden hat: in der Lüneburger Heide.
Das fossile Zeitalter begann in Wietze
Im Jahr 1858 nämlich bohrte Georg Konrad Hunäus in Wietze bei Celle nach Braunkohle, stieß in der Tiefe jedoch auf Erdöl. Bis dahin wurde es in der Region als Schmiermittel aus Teerkuhlen gewonnen; jetzt war eine echte Förderung denkbar. Niedersachsen ist also nicht nur via Wolfsburg eng mit dem fossilen Zeitalter verbandelt, hier hat es in der Tat begonnen. Wie die größtenteils im Museumsdorf Hösseringen und auf Camp Reinsehlen bei Schneverdingen gedrehte ARD-Serie „Schwarzes Gold“ die Zeit des Ölbooms in der Lüneburger Heide – zum cineastischen Sound von Hans Zimmer – rekonstruiert (Regie Nina Wolfrum und Tim Trachte), das allein ist höchst sehenswert. Die hölzernen Bohrtürme auf dem Erdölfeld wurden originalgetreu wiedererrichtet.
Auch diesmal gibt es also einen zum Ölmagnaten aufsteigenden Unternehmer. Er gerät in Konflikt mit den Bauern der Region, denen seine Fördertürme das Wasser abgraben, aber auch mit seinen Arbeitern, die er für Hungerlöhne und ohne großen Arbeitsschutz schuften lässt. Die dramaturgischen Ähnlichkeiten mit „There Will Be Blood“ sind kurios, problematischer aber sind die Abweichungen, denn sie laufen – trotz fast doppelter Spieldauer – auf eine unterfordernde Vereinfachung hinaus. Auch bei Anderson geht der Ölbaron über Leichen, aber er ist zugleich eine Figur der liberalen Moderne, die dem religiös-evangelikalen Erweckungsfuror auf dem Lande entgegentritt und bei aller Zwielichtigkeit den Wohlstand in die Region bringt.
Das Drehbuchteam unter Headautor Justin Koch erschafft hingegen einen – von der Bäuerin Martha Lambert (Jessica Schwarz) zur Sicherheit auch gleich so genannten – „Teufel“, der in jeder Szene die Gier, die Macht und das Böse verkörpern muss. Dass es auch anders ginge, soll ein ebenfalls in der Gegend nach Öl bohrender höflicher Engländer (Marton Csokas) zeigen. Es braucht schon die schauspielerischen Qualitäten eines Tom Wlaschiha, um aus dem teuflischen Wilhelm Pape dennoch eine auratische, spannende Figur zu machen.
Die Verwerfungen in seiner Familie sind tatsächlich die dramaturgisch besten Szenen der Serie. Auf der einen Seite stehen Wilhelm und seine noch hartherzigere Ehefrau Elisabeth (Henny Reents), auf der anderen die beiden Kinder, der zunächst schwache Sohn Richard (Aaron Hilmer), der sich zur Lambert-Tochter Johanna hingezogen fühlt, und die gegen ihre geplante Verheiratung mit einem Großbauern (Merlin Sandmeyer) opponierende Luisa (Lena Urzendowsky).

Im Zentrum der Erzählung steht jedoch das schlichte Duell von Gier und Mut. Die auf Jeanne d’Arc gedrechselte Bauerstochter Johanna (Harriet Herbig-Matten) setzt sich an die Spitze des Widerstands gegen den mit den Lamberts auch persönlich verfeindeten Wilhelm. Ihre Botschaft ist einfach: „So viele Tote wegen dem scheiß Erdöl. Es muss aufhören!“ Narrativ tritt die Handlung sehr lange auf der Stelle, erst ab Folge fünf nimmt sie endlich Fahrt auf. Hinzu kommen Regiefehler wie eine gewaltige Rauchsäule ohne Feuer (es gab eine Explosion, aber es bricht erkennbar kein großer Brand aus).
Sie starrt und starrt und starrt
Das Hauptproblem der Serie über den Fluch des fossilen Zeitalters bleibt jedoch ihre Hauptfigur. Ihre naiv-romantische Ausgestaltung als junge, von Schuld und Zweifeln freie Kämpferin für Gerechtigkeit in einer patriarchalen Welt ginge noch an. Schließlich sind Westerndramaturgien selten komplex, und die Serie wäre nicht die erste, die sich dem Zeitgeist unterwirft. Aber als Heilige mit dem Schwert müsste diese Figur wenigstens mitreißend und halbwegs authentisch sein.
Herbig-Matten, seit ihrer Verkörperung der unterprivilegierten, stolzen Ruby in der College-Kitschserie „Maxton Hall“ eine der angesagtesten deutschen Schauspielerinnen, ist zwar in den kurzen Romantikszenen in ihrem Element, aber als rotwangig geschminkte, wutschnaubende Bauernkriegerin so glaubhaft, wie es ein Goldfisch als Weißer Hai wäre.
Sie verlässt sich in ihrem Spiel ganz auf ein einziges Mittel, ihren Blick. Dieser Blick ist ein Starren. Sie starrt den gehassten Wilhelm an, sie starrt die geliebte Mutter an, sie starrt den gehassliebten Richard an, sie starrt Löcher in die schöne Heidelandschaft (die blüht und blüht und blüht). Dieser Blick soll vermutlich Entrüstung und Entschlossenheit zugleich symbolisieren, wirkt aber eher wie der Ausdruck lähmender Überforderung. Den Fluch der wuchtig herandrängenden Industrialisierung allein durch Anglotzen bannen zu wollen, wird jedenfalls auf Dauer ermüdend. Und zumindest für eine zweite Staffel, sollte es sie geben, reicht das keinesfalls.
Schwarzes Gold ist in der ARD Mediathek abrufbar. Am Montag, 29. Dezember, 20.15 Uhr, folgt die Ausstrahlung im Ersten.

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