Architekturwettbewerb: Umbau statt Neubau für Haus der Demokratie

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Noch ist viel Phantasie nötig, um sich vorzustellen, wie die Lösungen aussehen, die Architekten für das Haus der Demokratie neben der Frankfurter Paulskirche entwickelt haben. Zwar ist der offene Ideenwettbewerb mit 128 Teilnehmern entschieden, und es lässt sich auch herausfinden, welche Büros mit welchen Konzepten zu den zehn Preisträgern zählen, über deren Arbeiten in den nächsten Monaten ausführlich diskutiert werden soll. Doch die Visualisierungen der Entwürfe werden erst am 18. August mit der Eröffnung einer Ausstellung der Wettbewerbsergebnisse in der Wandelhalle der Paulskirche veröffentlicht.

Schon jetzt ist erkennbar, dass sich die meisten prämierten Arbeiten auf einen mehr oder weniger umfangreichen Umbau des Kämmereigebäudes neben der Paulskirche konzentrieren und den Pauls­platz mit dem Platanenhain von einer Bebauung freihalten. Auch wurden keine Entwürfe ausgewählt, die direkte Anbauten an die Paulskirche vorsehen.

Es gibt aber auch Vorschläge, die Räume zumindest teilweise unterirdisch anzuordnen oder einen Neubau an der Südostecke des Paulsplatzes zu errichten. Für die anstehende Bürgerbeteiligung soll „eine hohe Varianz an weiter zu disku­tierenden Beiträgen präsentiert werden“, heißt es im Protokoll der entscheidenden Sitzung des Preisgerichts. Die Frage der Bebauung des Paulsplatzes wurde demnach kontrovers diskutiert.

  Nur wenige Architekten schlagen vor, an der Südostecke des Paulsplatz (rechts) ein Gebäude für das Haus der Demokratie zu errichten.Ein Herz für Bäume: Nur wenige Architekten schlagen vor, an der Südostecke des Paulsplatz (rechts) ein Gebäude für das Haus der Demokratie zu errichten.Wonge Bergmann

Der Jury gehörten Fachleute wie die Frankfurter Ar­chitekten Tim Driedger und Zvonko Turkali an, aber auch Politiker wie Ober­bürgermeister Mike Josef (SPD) und der für die Innenstadt zuständige Ortsvorsteher Michael Weber (CDU). Unter den zehn ausgewählten Preisträgern sind neun Büros aus Deutschland und eines aus Kopenhagen. Zwei Teilnehmer kommen aus Frankfurt, au­ßerdem wurde die Arbeit eines Ar­chitekten aus Friedberg prämiert.

Von den großen Frankfurter Architekturbüros ist nur Schneider + Schumacher in der End­auswahl. Der Entwurf von Till Schneider und Astrid Wuttke ist der einzige, der einen markanten Neubau an der Südostecke des Pauls­platzes vorsieht – so wie es eine Expertenkommission vor zwei Jahre vorgeschlagen hatte. Das sogenannte Paulshaus mit aufgeständertem Erdgeschoss soll eine „Schatzkiste der Demo­kratie“ sein. Die Jury spricht von einem „Solitär von eigener Ausdruckskraft“.

Bedenken der Denkmalpflege

Die Beurteilung enthält allerdings eine Reihe kritischer Anmerkungen: Es entstünde eine „von der Denkmalpflege als bedenklich angesehene Dominanz“ gegenüber der Paulskirche, auf die Nutzung des Kämmereigebäudes werde trotz der „allseits auszumachenden Hinwendung zum Bestandsumbau“ verzichtet, und es würden erhebliche Teile der baumbestandenen Freiflächen beansprucht. Till Schneider hatte sich im vergangenen Jahr zusammen mit seinem Kollegen Christoph Mäckler im F.A.Z.-Interview für eine Häuserzeile ne­ben der Paulskirche ausgesprochen, um den Platz besser zu fassen.

Einen kompakteren, dreigeschossigen Neubau schlägt der Architekt Michael Frielinghaus vor, der bis 2019 das Friedberger Büro BLFP geleitet hat. Zusätzlich will er einen Teil der Ausstellungsfläche unterirdisch anordnen und das Kämmereigebäude nutzen. Die Jury würdigt den „relativ geringen Eingriff in vorhandene Natur“, kritisiert gleichzeitig aber die „wenig kraftvolle Definition der stadträumlichen Kanten“.

Demokratie-Arena auf dem Dach

Zu einer anderen Lösung kommt das Frankfurter Büro Unique Assemblage. Die Planer Alex Probst und Ralf Schlachter schlagen vor, Paulskirche und Kämmerei durch einen „Stadtteppich“ mit neuem Bodenbelag und Pflanzinseln einen „neuen Zusammenhalt“ zu geben. Ein zweigeschossiger Aufbau auf dem Kämmerei­gebäude soll zu einer „Arena der Demokratie“ werden – nach Ansicht der Jury ein „zeitgemäßer Ausdruck“, aber unter denkmalpflegerischen Gesichtspunkten nicht unproblematisch. Auch Sero Architekten aus Leipzig schlagen vor, Diskussionsräume auf dem Dach schaffen. Sie wollen das Haus der Demokratie zudem um ein Haus des Ehrenamts im westlichen Teil des Kämmereigebäudes ergänzen.

Das neue Steildach mit einer „skulp­tural aufgewölbten Traufe“, das das Atelier Lorentzen Langkilde Aps aus Kopenhagen entworfen hat, bezeichnet die Jury als „historisch gelungen hergeleitet“. Die Anbindung an die Paulskirche erfolgt dabei über einen Tunnel. Der Dortmunder Architekt Marcus Wagner wiederum schlägt eine Rekonstruktion des historischen Dachs der Kämmerei vor. Die Besonderheit seines Entwurfs ist ein „Parlament im Freien“ unter den Platanen.

Die Kölner Architektin Susanne Gross (Büro Kister Scheithauer Gross) schlägt eine tiefgreifende Entkernung des Käm­mereigebäudes vor. Dadurch entstünde ein Atrium, das sich über die gesamte Höhe des Gebäudes erstreckt. Konflikte mit dem Denkmalschutz sind hier ebenso absehbar wie beim Entwurf des Berliner Architekten Lennart Beckebanze, der Decken und Wände bis ins zweite Obergeschoss entfernen will. Am Entwurf von Schulze Berger Architekten aus Kassel würdigt die Jury die Öffnung des Kämmereigebäudes nach Norden zur Berliner Straße hin, wo ein großzügiges Foyer und ein „Platz der Demokratie“ entstehen sollen. Bei mehreren Arbeiten lobt das Preisgericht den Verzicht auf unterirdische Bauten und die Gestaltung der Außenflächen. Der Entwurf von Rethmaierschlaich aus Köln zum Beispiel überzeuge „durch einen intensiv bearbei­teten Grünraum“. Regenwassermanagement und Energiegewinnung würden „spielerisch inte­griert“.

Sämtliche Arbeiten des Wettbewerbs werden von 18. August bis zum 30. September in der Paulskirche ausgestellt, am 22. August wird es ein Ideen­forum geben, zu dem alle Preisträger eingeladen sind. Die Meinung der Bürger wird über Fragebögen auf Papier und online eingeholt. Am Ende entscheiden die Stadtverordneten, mit welchem Konzept ein weiterer Wettbewerb ausgelobt wird, in dem es dann um die konkrete Realisierung geht.

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