Arbeitszeiterfassung: Mehrheit setzt BAG-Urteil um – trotz fehlender Regelungen

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Drei von vier Unternehmen haben in Deutschland inzwischen eine Arbeitszeiterfassung eingeführt. Damit ist die große Mehrheit der Firmen einer rechtlichen Verpflichtung nachgekommen, die im September 2022 höchstrichterlich festgestellt wurde. Seit 2025 gilt das Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG). Während vor der Feststellung etwa 30 Prozent der Unternehmen eine Arbeitszeiterfassung eingeführt haben, sind es nach der Entscheidung schon 44 Prozent gewesen.

Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Befragung von 602 Unternehmen ab 20 Beschäftigten im Auftrag des Digitalverbands Bitkom.

Der Anteil dürfte im laufenden Jahr weiter steigen, denn mit einem Anteil über 21 Prozent plant jedes fünfte Unternehmen, Arbeitszeiterfassung im Jahr 2025 einzuführen. Lediglich zwei Prozent geben an, erst einmal nichts zu tun und noch auf die ausstehende gesetzliche Konkretisierung der Pflicht zur Arbeitszeiterfassung zu warten.

Ausschlaggebend sind die geplanten Regelungen der neuen Regierung, die noch ausstehen. Im Koalitionsvertrag kündigt sie an, die Pflicht zur elektronischen Erfassung von Arbeitszeiten unbürokratisch zu regeln.

"Bei der Debatte um Arbeitszeit orientieren wir uns immer noch an einem Leitbild des Industriearbeitsplatzes aus dem 20. Jahrhundert", sagt Bitkom-Präsident Dr. Ralf Wintergerst. "In unserer heutigen digitalen Welt mit ihren flexiblen Arbeitsmodellen, insbesondere im Bereich der Wissensarbeit, ist eine minutiöse Arbeitszeiterfassung anachronistisch und in der Praxis kaum umzusetzen."

Tatsächlich gibt es in vielen Digitalberufen keine klare Trennlinie zwischen beruflichen und privaten Tätigkeiten, etwa bei der Nutzung sozialer Medien, der Pflege des persönlichen Online-Netzwerks oder thematischen Recherchen.

"Statt mehr Bürokratie und Kontrolle muss die Regierung, wie im Koalitionsvertrag angekündigt, die Vertrauensarbeitszeit weiterhin ermöglichen und die Umstellung von einer täglichen auf eine wöchentliche Höchstarbeitszeit rasch umsetzen. Von dieser Flexibilität würden Unternehmen und Beschäftigte gleichermaßen profitieren."

Auch Bundeskanzler Friedrich Merz hat zuletzt für eine Abkehr der täglichen hin zu einer wöchentlichen Arbeitszeit plädiert. In einem Interview mit der Bild am Sonntag plädierte er für die Abschaffung des Acht-Stunden-Tags. Stattdessen solle "für tarifliche Regelungen eine Wochenarbeitszeit von mindestens 34 Stunden, für nicht tariflich festgelegte oder vereinbarte Arbeitszeiten von 40 Stunden gelten."

Grundsätzlich sind die Deutschen dafür auch offen: Einer Umfrage der Jobplattform Stepstone nach, sagen mit 73 Prozent fast drei Viertel der Beschäftigten, dass sie bereit wären, die Anzahl der Arbeitsstunden pro Tag zu erhöhen, wenn sie dafür an anderen Wochentagen entsprechend weniger arbeiten könnten.

Mit 54 Prozent wünscht sich knapp jede zweite Umfrageteilnehmerin beziehungsweise Umfrageteilnehmer, die Wochenarbeitsstunden flexibel und nach eigenem Ermessen einteilen zu dürfen.

Die Unternehmen, die Arbeitszeit schon erfassen, setzen laut Bitkom mit einem Anteil über 31 Prozent primär auf elektronische Zeiterfassungssysteme am Computer. Weitere 18 Prozent nutzen eine Smartphone-App.

24 Prozent verwenden stationäre Zeiterfassungssysteme, die zum Beispiel mit einem Chip oder Transponder aktiviert werden, 19 Prozent die klassische Stempel- oder Stechuhr. In 16 Prozent wird eine Excel-Tabelle für die Arbeitszeiterfassung verwendet und 13 Prozent nutzen einen handschriftlichen Stundenzettel.

Dieser Beitrag ist zuerst bei t3n.de erschienen.

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