Israel hat bei einem Luftangriff im Gazastreifen am Sonntag eine Gruppe Journalisten um den bekannten Al Jazeera-Reporter Anas Al-Sharif getötet. Das Vorgehen sorgt nun international für heftige Kritik.
Der britische Premierminister Keir Starmer sei »zutiefst besorgt« über die wiederholten Angriffe auf Journalisten in Gaza, teilte ein Sprecher mit. Das Uno-Menschenrechtsbüro verurteilte den Luftangriff vom Sonntag als »schwerwiegenden Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht«.
Israels Militär gab an, dass es sich bei der Attacke um einen gezielten Schlag gehandelt habe. Die Armee bezichtigte Sharif, eine Terrorzelle der Hamas angeführt zu haben und an Raketenangriffen auf Israel beteiligt gewesen zu sein.
Der Sender Al Jazeera, der von der katarischen Regierung finanziert wird, wies diese Behauptung zurück. Auch Sharif selbst hatte derartige Behauptungen Israels zu Lebzeiten stets bestritten.
Angriff traf offenbar Zelt nahe Schifa-Krankenhaus
Al Jazeera hatte zuvor mitgeteilt, dass Sharif in Gaza-Stadt nahe dem Schifa-Krankenhaus ums Leben gekommen sei. Der 28-Jährige hatte aus dem Gazastreifen berichtet, insbesondere aus dem Norden. Der Angriff habe ein Zelt getroffen, in dem sich Presseleute aufgehalten hätten, hieß es von dem Sender.
»Anas und seine Kollegen gehörten zu den letzten verbliebenen Stimmen aus Gaza, die der Welt ungefilterte Berichte aus erster Hand über die verheerenden Realitäten lieferten, denen die Bevölkerung ausgesetzt war«, erklärte der katarische Sender in einer Stellungnahme.

Trauernde Al Jazeera-Mitarbeiter am Hauptquartier in Doha
Foto: Ibraheem Abu Mustafa / REUTERSDie Uno-Sonderberichterstatterin für Meinungsfreiheit und das in New York ansässige Komitee zum Schutz von Journalisten (CPJ) hatten zuletzt eine durch Israel gesteuerte Schmutzkampagne gegen Sharif kritisiert.
DJV verlangt Aufklärung
Die Internationale Journalisten-Föderation (IFJ) verurteilte die Angriffe »aufs Schärfste« und schloss sich damit einer Erklärung seiner Tochterorganisation, der Palästinensischen Journalistengewerkschaft (PJS), an. Die IFJ forderte die Uno-Mitgliedstaaten zudem auf, eine verbindliche internationale Konvention für die Sicherheit von Journalisten zu verabschieden.
Auch der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) geißelte die Tötung von palästinensischen Journalisten und Kameraleuten durch das israelische Militär. »Wir verlangen Aufklärung über die Hintergründe der Tötungen«, erklärte am Montag der DJV-Bundesvorsitzende Mika Beuster. Die Vorwürfe gegen Scharif ließen sich nicht unabhängig überprüfen, weil internationalen Journalisten der Zugang zum Gazastreifen verwehrt werde, sagte Beuster.
Abgesehen von Einladungen zur Beobachtung israelischer Militäroperationen wird internationalen Medien von Israel der Zugang zum Gazastreifen verwehrt. Al Jazeera gehört zu den wenigen Medien, die noch immer ein großes Team von Reportern in dem belagerten Gebiet im Einsatz haben und über das tägliche Leben inmitten von Luftangriffen, Hunger und den Trümmern zerstörter Stadtviertel berichten. (Lesen Sie hier mehr darüber, unter welchen katastrophalen Bedingungen Journalisten derzeit für den SPIEGEL aus dem Gazastreifen berichten.)
Israel verstärkt Bombardements
Die Nachrichtenagentur Reuters berichtet indes unter Berufung auf Augenzeugen im Gazastreifen, dass israelische Panzer und Flugzeuge am Montag verstärkt Sabra, Saitun und Shejaia, drei östliche Vororte von Gaza-Stadt im Norden des Gebiets, unter Beschuss genommen hätten. Bewohner aus Gaza-Stadt berichteten demnach von einer der schlimmsten Nächte seit Wochen. Viele Familien seien demnach in Richtung Westen vertrieben worden.
Israels Militär gab bekannt, dass die Streitkräfte Artilleriefeuer auf Hamas-Kämpfer in dem Gebiet abgegeben hätten. Anzeichen dafür, dass Truppen im Rahmen der neu genehmigten israelischen Offensive tiefer in Gaza-Stadt vordrangen, gab es zunächst nicht. Der Beginn der von Israels Regierung angekündigten Bodenoffensive wird erst in den kommenden Wochen erwartet.