Eine Robinsonade im 19. Jahrhundert erzählt die Serie „Washington Black“ nach dem gleichnamigen, auf Tatsachen beruhenden Roman von Esi Edugyan – das Erwachsenwerden des schwarzen Sklaven George Washington Black, der auf einer Plantage in Barbados aufwächst und durch einen Zufall den Grausamkeiten des Besitzers Erasmus Wilde (Julian Rhind-Tutt) entkommt, als dessen Bruder Christopher (Tom Ellis), ein Erfinder und Abolitionist, ihn unter seine Fittiche und auf eine Reise um die Welt mitnimmt.
Auf der Plantage herrscht blanker Terror
Selwyn Seyfu Hinds’ Verfilmung des preisgekrönten Romans von Esi Edugyan zeigt die Brutalität der Sklavenhalterei ohne Weichzeichner: So schrecklich sind die Zustände auf der Plantage, dass sich die Menschen dort reihenweise das Leben nehmen. Und um dem ein Ende zu setzen, droht man den verbliebenen Sklaven mit grausamer Vergeltung. Big Kit (Shaunette Renée Wilson), eine Mutterfigur nicht nur für Wash, setzt alles daran, ihn von hier fortzubringen. Sie weiß, dass er sonst nicht überleben wird. Washs Glück ist es, dass sein Weg den von Christopher, genannt Titch, kreuzt.
„Washington Black“ springt zwischen mehreren Zeitebenen hin und her. Zunächst zwischen der Welt des elfjährigen Wash (Eddie Karanja) in Barbados und der des erwachsenen Wash (Ernest Kingsley Jr.) im kanadischen Nova Scotia. Stück für Stück schildert die Serie sein bewegtes Leben. Sterling K. Brown, der das Ganze produzierte, ist Initiator dieser Verfilmung und in einer Rolle zu sehen, die den moralischen Schwerpunkt des Stücks bildet. Als Medwin Harris spielt er den Anführer einer Gemeinde entkommener Sklaven in Nova Scotia, der seine Leute mit grimmiger Entschlossenheit beschützt und den meisten Weißen mit kalter Verachtung begegnet. Dem Magazin „Entertainment Weekly“ sagte Brown, es habe ihn gereizt, dass hier „schwarze Menschen eine Gemeinschaft bilden und aufeinander achtgeben, in einem Klima, das uns gegenüber nicht eben freundlich gestimmt war“. Das sei bis heute relevant.
Zeppelin stürzt auf ein Piratenschiff
Wash entkommt mit seinem weißen Wohltäter in einem selbstgebastelten Zeppelin, der ausgerechnet auf ein Piratenschiff stürzt. Dort herrscht eine seltsame Vorform der amerikanischen Demokratie: Die Besatzung macht ihre eigenen Regeln, der Käpt’n hält sich nur so lange im Amt (und auf dem Schiff), wie er das Vertrauen seiner Leute genießt, und das Motto lautet: „Man bekommt hier nicht, was man verdient, sondern das, was man aushandelt.“ Untereinander haben die Freibeuter eine eigenwillige Utopie etabliert: Hautfarbe und Geschlecht spielen keine Rolle, aber einmal gegebene Versprechen sind bindend.
Auf dem Piratenschiff spitzt die Serie ein zentrales Motiv zu: die Vision einer egalitären, vernunftbestimmten Gesellschaft. Leider droht sie in der Folge über weite Strecken in einen eher herkömmlichen Abenteuer-Kostümschinken abzudriften, dem es nur hin und wieder gelingt, Themen wie Rassismus und Frauenfeindlichkeit scharf zu umreißen und in einen zeitlosen Kontext zu setzen. Eine der interessantesten Figuren ist Tanna (Iola Evans), Tochter des englischen Biologen Goff (Rupert Graves), der seinen wissenschaftlichen Ruf in Nova Scotia zu festigen, vor allem aber seine Tochter mit einem wohlhabenden Amerikaner zu verheiraten hofft. Auch, weil sein eigenes Vermögen dahin ist. Tanna entstammt der verbotenen Verbindung von Goff und einer schwarzen Frau, sie ist aber selbst hellhäutig genug, dass allein die Schwarzen sie als eine der Ihren erkennen. Natürlich hat sie eigene Vorstellungen von der Zukunft. Sie führt ein privilegiertes Leben. Nur was nützt’s, wie sie Wash sagt, „frei, aber machtlos“ zu sein.
Die Serie ist teils Abenteuerstory, teils Zeitporträt, teils Abhandlung über soziale und ethnische Machtgefälle. Aber sie ist über weite Strecken so behäbig inszeniert, dass man sich mehr als eine Prise des Muts herbeiwünscht, mit dem andere Kostümschinken (etwa „The Great“ oder „Black Sails“) ihr Format unterliefen und die Figuren ganz und gar heutig wirken ließen. „Washington Black“ kommt zahm und gefällig daher. Allein Sterlings Figur als Hüter einer Gemeinde von Entrechteten, Niedergetrampelten und Verzweifelten, der diesen die übermenschliche Anstrengung abverlangt, sich über all dies zu erheben, hat das Format, das diese Story verdient.
Die Adaption von Hinds, der selbst karibische Wurzeln hat, wirkt zumindest in den ersten vier Folgen uninspiriert. Meist sieht man von weitem, was kommt, und komplizierte Vorwürfe wie der von Medwin an Titch, seine Ablehnung der Sklaverei sei doch bloß „Scharlatanerie, um das Gewissen zu beruhigen“, werden eher deklamiert als inszeniert. Womöglich findet die Serie in den weiteren Episoden noch ihre erzählerische Kraft. Aber bis dahin muss man als Zuschauer erst einmal bei der Stange bleiben.
Washington Black startet heute bei Disney+.