World Press Photo Award 2025: Das Gesicht des Krieges
vor 2 Tage
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Seit 1955 sucht der Wettbewerb zum World Press Photo eine Antwort auf die Frage, was ein gutes journalistisches Foto ausmacht und welches Bild sich als „Foto des Jahres“ bezeichnen lässt. Nach Kritik am über Jahrzehnte sehr westlich geprägten Blick, gibt es inzwischen sechs regionale Jurys (Afrika, Europa und jeweils zwei Jurys für Asien und Amerika) und so viele Preisträger wie noch nie. Jede Jury zeichnete gleich sieben Arbeiten aus – je drei Einzelbilder, drei Reportagen und ein Langzeitprojekt. Insgesamt dürfen sich seit Ende März also 42 Fotografinnen und Fotografen als „World Press Photo“-Gewinner bezeichnen. Aus diesen Preisträgern hat eine weitere, globale Jury nun das „Foto des Jahres“ und zwei Finalisten ausgewählt. Ein Ziel des aufgeblähten Apparates ist es, die Arbeit lokaler Journalisten besser zu würdigen und so weist die World Press Photo Foundation als Veranstalter gesondert darauf hin, dass 30 der prämierten Arbeiten von Menschen in ihren Heimatländern umgesetzt wurden.
Das fotojournalistische Niveau der vielen Gewinnermotive ist nicht in allen Fällen preiswürdig. Vor allem die Auswahl der europäischen Jury verstört, weil sie mehrere Arbeiten ausgezeichnet hat, die russische Kriegsnarrative bedienen. Für eine nachträgliche Paarung zweier völlig unterschiedlicher Bilder in diesem Kontext hat sich World Press Photo anschließend entschuldigt und die Anordnung auf der eigenen Internetseite geändert. Auf Nachfrage erklärt ein Sprecher, dass die finale Auswahl des „Foto des Jahres“ bereits im Februar getroffen wurde und Reaktionen auf die bisherigen Gewinnerbilder in der Auswahl keine Rolle gespielt haben können. Es spricht jedenfalls für die globale Jury, dass am Donnerstag keines dieser umstrittenen Projekte mit dem prestigeträchtigen Titel geehrt wurde.
World Press Photo 2025: Mahmoud Ajjour (9), der bei einem israelischen Angriff auf Gaza-Stadt im März 2024 verletzt wurde, findet Zuflucht und medizinische Hilfe in Doha, Katar.Samar Abu Elouf/NYT/World Press Photo
Mit dem Hauptpreis hat die Jury stattdessen eine nachvollziehbare Entscheidung getroffen. Das Siegerfoto zeigt den neunjährigen Mahmoud Ajjour, der bei der Flucht mit seiner Familie aus Gaza Stadt im März 2024 schwer verletzt wurde und nach einer Amputation beider Arme in Qatar lebt. Das Foto stammt aus einer Serie der palästinensischen Fotografin Samar Abu Elouf und war zuvor als Einzelbild in der Region „West-, Zentral und Südasien“ ausgezeichnet worden. Es ist ein zurückhaltendes, aber kompositorisch und technisch sehr sorgfältiges Porträt, das im Gegensatz zu anderen Gewinnerbildern auf Effekte in der Nachbearbeitung verzichtet. Samar Abu Elouf hat im Auftrag der „New York Times“ Geflüchtete aus dem Gaza-Streifen porträtiert, deren Verletzungen von Ärzten in Qatars Hauptstadt Doha behandelt werden. Die bewegende Bilderserie, aus der ein Motiv im Dezember 2024 gemeinsam mit einem Foto aus Israel bereits als Unicef-Foto des Jahres ausgezeichnet wurde, zeigt eine Vielzahl individueller und stets furchtbarer Auswirkungen eines Krieges. Sie ermöglicht so eine zusätzliche Lesart, die über den konkreten Konflikt hinausgeht – und rechtfertigt auch im Einzelbild den Titel „Foto des Jahres“.
Insgesamt erklärt die globale Jury in ihrer Begründung – wenig überraschend – Konflikte, Migration und Klimawandel zu den prägenden Themen der regionalen Vorauswahlen des vergangenen Jahres. So ist es naheliegend, dass sich die beiden als Finalisten ausgezeichneten Motive mit diesen Themen befassen. Eine sehr berechtigte Auszeichnung geht an John Moore für seine technisch herausfordernde Nachtaufnahme undokumentierter chinesischer Migranten an der verregneten amerikanischen-mexikanischen Grenze.
Chinesische Migranten wärmen sich im kalten Regen, nachdem sie die Grenze zwischen den USA und Mexiko in Campo, Kalifornien, überquert haben.John Moore/Getty/World Press Photo
Der dritte ausgezeichnete Fotograf ist Musuk Nolte. Er hat, als Stipendiat der Bertha Foundation, die Auswirkungen einer kurzzeitigen Dürre in Brasiliens Amazonas dokumentiert. Sein surreal wirkendes Foto zeigt einen Mann in einem ausgetrockneten Flussbett, der sein Ziel mit dem Boot nicht mehr erreichen kann.
So versöhnt die finale Auswahl mit dem immer noch wichtigsten fotojournalistischen Wettbewerb, der inzwischen so viele Preise von so vielen Jurys vergeben lässt, dass er seinen eigenen Ansprüchen nicht in allen Punkten gerecht werden kann.
Dürre im Amazonas: Ein junger Mann bringt seiner Mutter Essen, die im Dorf Manacapuru, Amazonas, Brasilien, lebt. Das Dorf war früher mit dem Boot erreichbar, doch aufgrund der Dürre muss er nun zwei Kilometer entlang des trockenen Flussbetts des Solimões-Flusses gehen, um sie zu erreichen.Musuk Nolte/Panos Pictures/Bertha Foundation/World Press Photo
Dies sind die regionalen Gewinnerbilder der Kategorie Einzelfotos
Mitglieder des United States Secret Service helfen dem republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump von der Bühne, wenige Augenblicke nachdem ihn eine Kugel eines Attentäters am Ohr getroffen hat – während einer Wahlkampfveranstaltung in Butler, Pennsylvania, Vereinigte Staaten.Jabin Botsford/The Washington Post/World Press Photo
Am Wahltag 2024 sitzt Constance Wynn im vorderen Salon ihres Hauses, das einst von ihrem Ururgroßvater gebaut wurde. Ihre Vorfahren entkamen der Sklaverei, indem sie nach Pennsylvania flohen – in den ersten Bundesstaat, der nach Verabschiedung des ersten Gesetzes zur schrittweisen Abschaffung der Sklaverei zu einem Zufluchtsort für versklavte Menschen wurde. Luzerne County, Pennsylvania, Vereinigte Staaten.Philip Montgomery/The New York Times Magazine/World Press Photo
Stolz und Ruhm: Botafogo-Fans feiern den Sieg ihres Teams. Rio de Janeiro, Brasilien.André Coelho/EFE/World Press Photo
Die venezolanische Oppositionsführerin María Corina Machado grüßt Unterstützer von einem Fahrzeug aus während einer Wahlkampfveranstaltung für den oppositionellen Präsidentschaftskandidaten Edmundo González Urrutia in Mérida, Venezuela.Gabriela Oráa/Reuters/World Press Photo
Eine Boeing 727-200 steht noch Wochen nach der Überschwemmung im überfluteten Bereich des Flughafens Salgado Filho in Porto Alegre, Rio Grande do Sul, Brasilien.Anselmo Cunha/AFP/World Press Photo
Nachdem sie aus ihrem Dorf fliehen musste, ist die sechsjährige Anhelina traumatisiert und leidet an Panikattacken. Borschtschiwka, Ukraine.Florian Bachmeier/World Press Photo
Mika (21) hat 22 Monate auf ein erstes Beratungsgespräch in einer Genderklinik gewartet. In der Zwischenzeit hat er die Kosten für die Top-Operation und die Hormonbehandlung selbst übernommen. Im Mai 2024 hatte er schließlich sein erstes Beratungsgespräch. Rotterdam, Niederlande.Prins de Vos/Queer Gallery/World Press Photo
Ein ukrainischer Mann aus der Region Luhansk – zwangsverpflichtet zum Kampf für die russlandtreuen Separatisten, die später mit der russischen Armee verschmolzen – liegt verletzt in einem Feldlazarett, das in einer unterirdischen Weinkellerei nahe Bachmut, Donbas, Ukraine, eingerichtet wurde. Sein linkes Bein und sein linker Arm wurden später amputiert.Nanna Heitmann/Magnum Photos/NYT/World Press Photo
Menschen blicken ängstlich nach oben während eines israelischen Drohnenangriffs, während sie Zuflucht abseits der Gebäude in Dahieh, einem Vorort von Beirut, Libanon, suchen. Jets und Drohnen fliegen oft in niedrigen Höhen, was Angst und Stress verursacht.Murat Şengül/Anadolu/World Press Photo
Menschen beschädigen eine Statue des ehemaligen Präsidenten von Bangladesch, Sheikh Mujibur Rahman, des Vaters von Premierministerin Sheikh Hasina, die nach Wochen der Unruhen zurückgetreten war, in Dhaka, Bangladesch.Suvra Kanti Das/The Daily Prothom Alo
Bodybuilder Tamale Safalu trainiert vor seinem Haus in Kampala, Uganda.Marijn Fidder/World Press Photo
Ein Bräutigam posiert für ein Porträt bei seiner Hochzeit in Omdurman, Sudan. In Sudan ist es Tradition, eine Hochzeit mit feierlichem Schusswaffengebrauch anzukündigen. Die Waffe symbolisiert sowohl die Freude über die Ehe als auch die Realität des Krieges.Mosab Abushama/World Press Photo
Teilnehmer der „Heavenly Bodies“-Veranstaltung, eines Underground-Drag-Balls während der Pride in Lagos, Nigeria, feiern die Gewinnerin der „Mutter des Jahres“.Temiloluwa Johnson/World Press Photo
Adoptionsbetrug in Korea: Nicole Motta (links) und ihr leiblicher Vater Jang Dae-chang wischen sich die Tränen ab nach einem emotionalen Wiedersehen in Seoul, Südkorea, rund 40 Jahre nachdem sie getrennt wurden.Jae C. Hong/AP/World Press Photo
Brasiliens Gabriel Medina bricht triumphierend aus einer großen Welle im fünften Heat der dritten Runde des Männer-Surfens während der Olympischen Spiele 2024 in Teahupo’o, Tahiti, Französisch-Polynesien.Jerome Brouillet/AFP/World Press Photo