Kennzeichen-Scanner, die ohne Verdacht oder Anlass alle vorbeifahrenden Fahrzeuge erfassen und speichern, sind bei US-Polizisten besonders beliebt. Es gibt nur bescheidene Einschränkungen für die Auswertung der Daten. Und selbst die halten manche Polizeibehörden nicht ein. Flock, einer von mehreren Scannerbetreibern in den USA, ergreift jetzt behutsame Maßnahmen gegen Missbrauch: Daten aus Kalifornien, Illinois und Virginia können nur noch im Staat selbst abgefragt werden. Bald soll auch eine KI bei möglichem Missbrauch Mitteilung machen.
Flock hat in mehr als 5.000 US-Städten und Gemeinden Kennzeichenscanner installiert. Erklärtes Ziel ist, die Überwachungsgeräte in allen US-Kommunen auszurollen. Die Kameras erkennen neben Kennzeichen auch Modell, Farbe und besondere Merkmale aller erfassten Fahrzeuge und legen diese Informationen für spätere Abfragen in eine Datenbank. Gerichtliche Genehmigungen sind nicht erforderlich.
Die örtliche Polizeibehörde kann die Datenbank für Abfragen durch andere Polizeibehörden freigeben, entweder für bestimmte Partner, für alle in einem gewissen Umkreis, im selben Staat, oder überhaupt US-weit (National Lookup). Möchte eine Polizeibehörde selbst die landesweite Suche nutzen, muss sie ihre eigenen Daten ebenfalls für National Lookup zur Verfügung stellen. Und so ist das Netz für National Lookup stark gewachsen.
Einzelne US-Staaten haben Gesetze, die die Abfragen einschränken. Nach kalifornischem Recht dürfen die Daten nur innerhalb des Staates geteilt werden. Illinois schränkt die Datenweitergabe an Behörden außerhalb des Staates ein: Sie dürfen Illinois' Daten nicht zur Verfolgung von Frauen, die Abtreibungen in Anspruch genommen haben könnten, sowie zur Verfolgung von Menschen, deren Aufenthaltstitel abgelaufen sein könnte, verwenden. Und ab Juli beschränkt Virginia die Abfragen auf bestimmte Zwecke: Verdacht der Verletzung städtischer Verordnungen, des Strafrechts des Staates Illinois, des Diebstahls eines Fahrzeuges sowie bei Vermisstenmeldungen und Fahndungen. Damit sind Verletzungen des US-Aufenthaltsrechts wahrscheinlich nicht gedeckt. Zudem beschränkt Virginia die Speicherdauer auf 21 Tage.
Missbrauch aufgeflogen
404media hat aufgedeckt, dass sich manche Polizeibehörden über die bereits geltenden Regeln hinwegsetzen. Sie greifen durchaus von außerhalb auf kalifornische Daten zu oder suchen in Illinois' Datenbank nach Hinweisen auf Personen mit abgelaufenem Visum. Diese Erkenntnis geht ausschließlich auf die von den Polizisten im elektronischen Abfrageformular angegebenen Abfragegründe zurück. Dabei haben sie unmittelbar zuvor die Einhaltung der Vorschriften Illinois' per Mausklick bestätigen müssen.
Dabei sind die abfragenden Polizisten für Aufenthaltsrecht gar nicht zuständig. Sie versuchen offenbar aus eigenem Drang, der zuständigen Bundesbehörde zuzuarbeiten. 47 Polizeibehörden sind wegen solcher verbotenen Abfragen in Illinois aufgeflogen, als Flock in Folge des Berichts 404medias selbst ein Audit durchgeführt hat.
Reaktion des Betreibers
Als Reaktion hat Flock zuerst einen Filter installiert, der die Abfrage verhindern soll, wenn ein illegaler Abfragegrund (wie zum Beispiel "Immigration" oder "Abortion") angegeben wird. Das greift aber nur in Illinois. Inzwischen geht Flock noch einen Schritt weiter und sperrt Abfragen aus anderen US-Staaten in Kalifornien, Illinois und Virginia.
Aus Texas ist ein Fall bekannt geworden, in dem ein Polizist in Flocks Kennzeichendatenbank landesweit nach einer Frau gesucht hat, die eigenständig abgetrieben haben soll. In Texas sind Abtreibungen praktisch vollständig verboten. Der Polizist und Flock streiten ab, dass es bei der Suche um Strafverfolgung ging. Vielmehr habe sich die Familie der Frau Sorgen gemacht und Vermisstenmeldung erstattet, der der Polizist dann nachgegangen sei.
Noch dieses Jahr möchte Flock Künstliche Intelligenz auf Patrouille schicken. Sie soll verdächtige Abfragen erkennen und dann einen Mitarbeiter jener Polizeibehörde informieren, in dessen Gebiet die abgefragte Kamera steht. Automatische Sperren sind nicht vorgesehen. Zudem möchte Flock den einzelnen Polizeibehörden ermöglichen, das Abfrageformular zu verbessern: Sie können dann verlangen, dass Abfragende eine Aktenzahl angeben müssen, sodass theoretisch überprüft werden kann, für welchen Fall die Abfrage durchgeführt wird. Pläne, das landesweit verpflichtend zu machen, hat Flock nicht.
(ds)