US-Reaktionen auf Leo XIV.: Ein Trump-ähnlicher Papst? Mutmaßlich das Gegenteil

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Wer 2013 zufällig in Argentinien verbracht hat, dem kam dieser Moment bekannt vor. Ein Land starrt auf Bildschirmen auf den Petersplatz im Vatikan, wo weit weg der neue Papst bekannt gegeben wird. Joseph Ratzinger aus Marktl, der 2005 zu Benedikt dem XVI. wurde, war vielleicht nicht die ganz große Überraschung. Aber als sich Jorge Mario Bergoglio aus Buenos Aires in Franziskus verwandelte, da verschlug es selbst argentinischen Fernsehleuten kurz die Sprache. Und jetzt also, nicht unähnlich, der 8. Mai 2025. Robert Francis Prevost. Pope Leo XIV. Geboren in Chicago.

Auch bei CNN und anderen US-Sendern waren sie für einen Augenblick überwältigt. Nach dem ersten Lateinamerikaner erstmals ein US-Amerikaner als Oberhaupt der katholischen Kirche, dabei galten US-amerikanische Kandidaten vormals als kaum wählbar. Zu groß die weltliche Macht der Vereinigten Staaten von Amerika. Nun schaffte es ein lateinamerikanischer Nordamerikaner in einer Zeit, da die Welt seit gut drei Monaten vor allem auf Landsmann Donald Trump schaut.

:„Das Böse wird nicht gewinnen“

Im vierten Wahlgang haben die Kardinäle der katholischen Kirche ihr neues Oberhaupt gewählt: Robert Francis Prevost, Papst Leo XIV. Ein US-Amerikaner. Schon mit seinen ersten Worten macht er deutlich, da steht einer, der das Erbe des alten Papstes fortsetzen will.

Zuletzt schien sich der US-Präsident als Papst zu fühlen, er und das Weiße Haus verbreiteten vor Kurzem ein Bild, das ihn in päpstlichem Gewand zeigte. Sei eine Kreation von KI gewesen, teilte Trump mit, er könne nichts dafür. Aber Katholiken würden den Witz „lieben“. Naja, daran sei „nichts Kluges oder Lustiges. Mr. President“, erklärten die Bischöfe in New York State. „Schlechter Geschmack“, sagte der Kardinal Timothy Dolan. Vielleicht hätte sich Trump, der Freund steinreicher Menschen und vergoldeter Ornamente, im Kirchenamt Louis XIV. genannt. Doch nun gibt es Leo XIV.

Ein Sohn der Vereinigten Staaten und seit seiner Ära in Peru gleichzeitig Peruaner. Vielleicht sogar im Herzen mehr Peruano als American. „Latin Yankee“ hätten sie ihn in Rom genannt, berichtet die Washington Post. Ein Mathematiker und Theologe. Ein Augustiner, der sich um die Ärmsten kümmerte, der außer Englisch fließend Spanisch, Italienisch und weitere Sprachen spricht, was ihn schon mal erheblich von Trump unterscheidet. Nebenbei bemerkt verlor Robert Francis Prevost, der im Alter von 69 ab sofort Leo XIV. ist, zum Einstand auf dem Balkon kein Wort in seiner Muttersprache.

Er wollte vermutlich nicht wie ein Pontifex Made in America daherkommen, sondern als das, was er vor allem ist: ein polyglotter Papst, ein Papst zwischen den Welten. Kein America First, im Gegenteil. Trump wurde dennoch recht schnell zu ihm befragt, klar. Obwohl er an diesem Donnerstag eigentlich vorwiegend über sich und sein Zoll-Abkommen mit Großbritannien sprechen wollte. Die Wahl von Prevost war halt doch noch eine gute Spur historischer. „Eine große Ehre“, sagte Trump vor dem Oval Office. „Ich habe es gesehen, und sie sagten, er ist aus Amerika. Ich sagte, das ist großartig.“

Grenzenlos begeistert klang das zunächst nicht, eher verblüfft. Mit dem Namen konnte der US-Präsident offensichtlich erst wenig anfangen. Wie wahrscheinlich viele Amerikanerinnen und Amerikaner, sofern sie nicht gelesen hatten, dass diesem gebürtigen Chicagoer Außenseiterchancen zugetraut wurden. Wenig später gratulierte Trump auf Truth Social: „Was für ein excitement und was für eine große Ehre für unser Land! Ich freue mich darauf, Papst Leo XIV. zu treffen. Es wird ein sehr bedeutsamer Moment sein!“

Ständig ist von <em>prayern</em> die Rede. Aber wie christlich sind die Republikaner wirklich?

Was dieser amerikanische Papst für ihn und den Rest der Welt bedeutet, darüber wird sicher noch lange debattiert. Einerseits tun viele Mitglieder seiner Regierung ja unheimlich fromm. Ständig ist von prayern die Rede, Gebeten. Trump selbst fühlte sich bei dem Attentat auf ihn im vergangenen Jahr vom Himmel gerettet. Andererseits ist die Art, wie seine Administration mit trans Menschen und vor allem Einwanderern ohne passende Papiere umgeht, alles andere als christlich. Etliche Immigranten wurden in einen üblen Knast nach El Salvador geschickt, obwohl in vielen Fällen nicht mal eine Anklage bekannt ist.

Die Bischöfin Mariann Budde von der Episcopal Church bat Trump bei einer Messe in Washington um Barmherzigkeit für Minderheiten und Hilfsbedürftige, vergeblich. Die Jagd nach unerwünschten Fremden macht nicht mal vor kirchlichen Einrichtungen halt, in Texas sollen traditionelle Flüchtlingsunterkünfte einer von Geistlichen geführten Organisation geschlossen werden. Franziskus war entsetzt, als er davon hörte. Für weite Teile der Gemeinde von Make America Great Again war Franziskus ein Linker, Linke und Wokeness sind bei ihnen ähnlich wie ungebetene Ausländer des Teufels.

Der Trump-Vertraute Roger Stone will den toten Franziskus in der Hölle schmoren lassen. „Sein Papsttum war nie legitim, und seine Lehren verstießen regelmäßig gegen die Bibel und das Kirchendogma“, schrieb er nach seinem Tod auf X. „Möge Gott mit ihm fertig werden. Ich glaube eher, dass es dort, wo er jetzt ist, warm ist.“ Die Trump-Vertraute Marjorie Taylor Greene lieferte diesen Satz ab: „Das Böse wird durch die Hand Gottes besiegt.“ Sie sagte auch, Bischöfe seien „von Satan kontrolliert“.

USA

:Stichflammen gegen Trump

Der US-Präsident und Gott – das ist keine Verbindung, sondern eher Heuchelei. Niemand hat das klarer erkannt als die Bischöfin Mariann Edgar Budde, für die man ohne Gnade, Erbarmen und Barmherzigkeit alles sein kann, aber kein Christ.

Die katholische Kirche habe Illegale unterstützt, ereiferte sich die Kommentatoren Megyn Kelly in ihrer Show. „Das hat viele von uns in der katholischen Kirche veranlasst, sich zu fragen, wofür genau wir sonntags spenden.“ Die katholische Nachrichtenagentur KNA erinnerte daran, dass sich laut einer Umfrage der Catholic University of America 80 Prozent der seit 2020 geweihten Priester selbst als theologisch „konservativ/orthodox“ oder sogar „sehr konservativ/orthodox“ bezeichnen.

In der Abtreibungsdebatte wurden die Stimmen, die ein Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen forderten, während des Wahlkampfes leiser – weil das Thema Trump und den Republikanern zu schaden schien. Aber die Maga-Riege erfreute sich trotzdem zunehmend an Franziskus-Gegnern wie dem Kardinal Raymond Burke und dem abgesetzten Bischof Joseph Strickland aus Texas. Denen war der Einsatz für Klima und Migranten oder die sanfte Öffnung der Kirche für geschiedene oder homosexuelle Paare ein Grauen.

Im Podcast namens „War Room“ des Scharfmachers Steve Bannon wollte der Maga-Katholik Jack Posobiec am Mittwoch dafür beten, „dass wir zumindest in Europa und den Vereinigten Staaten ein Wiederaufleben der traditionellen Christen beobachten können“. Die Menschen hätten die Nase voll von diesem „seichten, substanzlosen christlichen Glauben“. Der Podcaster Jesse Romero aus Arizona wünschte sich nach Franziskus’ Tod einen „Trump-ähnlichen Papst“.

Es wurde das mutmaßliche Gegenteil. „Der Antipode“, wie ihn Anthony Scaramucci nennt, Trumps früherer Sprecher und heutiger Kritiker. Die Kirche habe einen Missionar gewählt, der sich für die Armen und Bedürftigen einsetze, „und ich denke, sie senden damit eine Botschaft“, sagte er in seinem Podcast. „Es ist nicht nur eine Botschaft an die J. D. Vances und die Donald Trumps dieser Welt, sondern ich denke, es ist eine umfassendere Botschaft darüber, wo wir stehen und was die globale Identität sein sollte.“

In den USA stehen zwar in jeder Stadt und jedem Ort verwirrend viele Kirchen verschiedenster Richtungen. Auch ursprünglich katholische Latinos wenden sich hier zunehmend evangelikalen Freikirchen zu. Doch mehr als 50 Millionen Erwachsene in den USA sind Katholiken, ungefähr ein Fünftel der Wählerschaft. Der Rechtsruck in Amerikas Katholizismus ist dabei unverkennbar, verstärkt von prominenten Hardlinern.

"Leider ist er einer der progressivsten"

Trumps ehemaliger Chefstratege Bannon bezeichnete Prevost als „eines der dunklen Pferde“ unter den Bewerbern. „Leider ist er einer der progressivsten“, für ihn der Horror. Vizepräsident Vance, einer der letzten Besucher des wenig später verstorbenen Franziskus, wurde im Februar von dessen heutigen Nachfolger korrigiert. Bei Fox News hatte Trumps Stellvertreter gesagt, dass die Liebe zu den Nächsten wichtiger sei als die zu Fremden. Das sollte die Ausweisung von Immigranten theologisch rechtfertigen „J. D. Vance liegt falsch“, postete der damalige Robert Prevost. „Jesus fordert uns nicht auf, unsere Liebe zu anderen abzustufen.“

Demokraten hoffen auf ein geistliches Gegengewicht zu Trump. Und nicht nur Scaramucci vermutet, dass Trumps Riege den Papst aus Illinois eher nicht gegen sich aufbringen will. Zu prägend könnte dessen Einfluss werden. Zu stolz sind doch viele Menschen in den USA, dass schließlich auch dieses Land Papst ist. Er könnte weinen vor Freude, sagte bei CNN Patrick Gilger, Priester und Dozent an der Uni von Chicago. „Ich bin einfach so gerührt.“

Schon macht die Frage die Runde, ob Leo XIV. das Baseball-Team der Sox oder die Cubs lieber mag. Er kam 1955 in Chicago zur Welt, studierte dort Theologie und in Pennsylvania Mathematik. Doch religiös sozialisiert wurde der Anführer von 1,4 Milliarden Katholiken über Jahrzehnte in Peru und 2014 von Franziskus zum Bischof von Chicago ernannt. „Bischof zu sein bedeutet nicht, in einem Palast zu leben, sondern mit den Menschen zu gehen“, sagte er kürzlich den Vatican News. Wie Franziskus.

Auch Vance schickte auf X dennoch seine Glückwünsche an „den ersten amerikanischen Papst. Ich bin sicher, dass Millionen amerikanischer Katholiken und andere Christen für seine erfolgreiche Arbeit an der Spitze der Kirche beten werden. Möge Gott ihn segnen!“ Kein God Bless America wie sonst immer. Womöglich kommt Leo XIV. in absehbarer Zeit sogar in seine Heimat. Jorge Mario Bergoglio hatte Argentinien als Papst Franziskus nie betreten.

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