Nach russischen Angriffen auf Kyjiw spricht Kanzler Merz von "Terror gegen die Zivilbevölkerung". Die USA wollen ihre Ukraine-Militärhilfen kürzen. Das Liveblog
Aktualisiert am 10. Juni 2025, 21:07 Uhr
Hegseth kündigt Kürzung der Ukraine-Militärhilfen an
US-Verteidigungsminister Pete Hegseth will die US-Militärhilfe für die Ukraine im nächsten Verteidigungshaushalt reduzieren. Die US-Regierung vertrete eine andere Sichtweise auf diesen Konflikt, sagte Hegseth bei einer Anhörung im Kongress. "Wir glauben, dass eine ausgehandelte Friedenslösung im besten Interesse der beiden Parteien und den Interessen unserer Nation ist, insbesondere angesichts all der widerstreitenden Interessen rund um den Globus."
Die USA haben der Ukraine seit Kriegsbeginn 2022 Finanzhilfen im Umfang von mehr als 66 Milliarden US-Dollar (rund 58 Milliarden Euro) bereitgestellt.
Merz wirft Russland "schwerste Kriegsverbrechen" vor
Bundeskanzler Friedrich Merz hat Russland wegen der jüngsten schweren Angriffe auf Kyjiw und andere ukrainische Städte "schwerste Kriegsverbrechen" vorgeworfen. In den vergangenen Tagen habe Russland mit zahlreichen Drohnen und Marschflugkörpern "gezielt und rücksichtslos” die Zivilbevölkerung der Ukraine attackiert, sagte Merz in Berlin.
Die russischen Angriffe seien "Terror gegen die Zivilbevölkerung" und "alles andere als eine verhältnismäßige Antwort" auf die "sehr präzisen" ukrainischen Angriffe auf russische Militärflughäfen, sagte der CDU-Politiker.
Gefangenenaustausch geht weiter
Die Ukraine und Russland haben nach ukrainischen Angaben die zweite Phase eines Gefangenenaustauschs abgeschlossen. Schwerverletzte und Verletzte seien nach Hause zurückgekehrt, schrieb Präsident Wolodymyr Selenskyj auf X.
"Der Austausch muss weitergehen. Wir tun alles in unserer Macht Stehende, um jeden Einzelnen der Gefangenen zu finden und zurückzubringen. Ich bin allen dankbar, die uns helfen“, teilte der Staatschef mit. Auch das russische Verteidigungsministerium bestätigte die Fortsetzung des Gefangenenaustauschs.
Wie viele Kriegsgefangene jeweils ausgetauscht worden sind, teilten weder Russland noch die Ukraine mit. Auch bei der ersten Phase des Austauschs von jungen Kriegsgefangenen am Montag hatten die beiden Länder anders als bei den bisherigen Austauschaktionen keine Zahlen genannt. Der Austausch von Kriegsgefangenen, die 25 Jahre alt oder jünger sind, sowie von schwer verletzten Gefangenen war Anfang Juni in Istanbul vereinbart worden.
Weiter keine Einigung über Rückgabe von toten Soldaten an die Ukraine
Bei dem vereinbarten Austausch von Kriegsgefangenen und toten Soldaten zwischen Russland und der Ukraine ist weiterhin keine finale Einigung zustande gekommen. Es gebe zwar Kontakte, Zahlen würden zusammengestellt, aber noch fehle eine abschließende Übereinkunft, teilte der russische Präsidialamtssprecher Dmitri Peskow mit. "Sowie diese abschließende Übereinkunft steht, wird – das hoffen wir – der Austausch stattfinden", sagte er der staatlichen Nachrichtenagentur Tass.
An der belarussischen Grenze seien mehr als 1.200 Leichen ukrainischer Soldaten in Kühlwagen für die Rückgabe bereit, gab Peskow an. Die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, nannte es unmenschlich, dass die Ukraine ihre Toten nicht zurücknehme. Der ukrainische Koordinierungsstab teilte indes mit, dass Russland die Übergabe ohne genaue Terminabsprache eigenmächtig begonnen habe. Alle toten Soldaten würden heimgeholt.
Zuvor hatten beide Seiten gemäß einer Vereinbarung von Anfang Juni Kriegsgefangene unter 25 Jahren ausgetauscht. Eine genaue Zahl wurde nicht genannt. Insgesamt hatten sich Russland und die Ukraine auf den Austausch sowie die Rückgabe von bis zu 6.000 toten ukrainischen Soldaten geeinigt.
EU-Kommission stellt neue Sanktionen gegen Russland vor
Die EU-Kommission hat das geplante 18. Sanktionspaket gegen Russland präsentiert. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zufolge will die EU damit den wirtschaftlichen und militärischen Druck auf Moskau weiter erhöhen. "Stärke ist die einzige Sprache, die Russland verstehen wird,“ sagte von der Leyen in Brüssel.
Kernpunkt des neuen Pakets sind der Kommissionspräsidentin zufolge weitere Maßnahmen gegen die sogenannte russische Schattenflotte, die Russland zur Umgehung der bestehenden Sanktionen benutzt. Konkret sollen 77 weitere Schiffe sanktioniert werden. Zudem schlägt die Kommission vor, den Ölpreisdeckel für russisches Rohöl von derzeit 60 Dollar auf 45 Dollar (rund 40 Euro) pro Barrel zu senken. Mit der Maßnahme reagiere man auf die gesunkenen Marktpreise, sagte von der Leyen. Die endgültige Entscheidung darüber soll beim G7-Gipfel in der kommenden Woche im kanadischen Alberta fallen.
Darüber hinaus sollen 22 weitere russische Banken auf die Sanktionsliste gesetzt werden. Die Kommissionspräsidentin kündigte außerdem weitere Exportverbote auf Maschinen, Metalle, Kunststoffe und Chemikalien sowie Dual-Use-Güter und Technologien an, "die zur Herstellung von Drohnen, Raketen und anderen Waffensystemen" verwendet werden können. Die EU beginnt diese Woche mit der Debatte über das neue Sanktionspaket.
Behörden melden Toten durch Angriff auf Kyjiw
Durch die schweren Luftangriffe auf Kyjiw ist nach Angaben der Stadtverwaltung ein Mensch im Bezirk Obolon getötet worden. Zuvor hatten die ukrainischen Behörden von mindestens vier Verletzten berichtet.
Schäden und herabfallende Trümmer infolge des russischen Angriffs wurden den Angaben zufolge in acht Stadtteilen Kyjiws festgestellt, auch in anderen Landesteilen gibt es Schäden. Die Aufräumarbeiten liefen noch, teilte der ukrainische Katastrophenschutzdienst mit. "Auf dem Land und auf dem Wasser sind Feuerwehrleute und ein Boot des Katastrophenschutzdienstes im Einsatz, in der Luft sind Hubschrauber des Hauptaufklärungsdienstes."
Sophienkathedrale in Kyjiw beschädigt
Durch die jüngsten russischen Angriffe ist nach Angaben des ukrainischen Kulturministeriums die Sophienkathedrale beschädigt worden, ein Unesco-Weltkulturerbe im historischen Zentrum von Kyjiw. "Die Druckwelle hat das Gesims der Hauptapsis des Nationaldenkmals zerstört. Diese Kirche aus dem 11. Jahrhundert ist die Seele der gesamten Ukraine“, sagte Kulturminister Mykola Totschyzkyj.
Laut ukrainischen Medien forderte der ukrainische Ombudsmann Dmytro Lubinez die Unesco, die UN und alle internationalen Partner dazu auf, eine klare Bewertung der Schäden an der Sophienkathedrale abzugeben. Seiner Meinung nach können solche Handlungen als Kriegsverbrechen eingestuft werden, die einer internationalen Untersuchung und Strafverfolgung unterliegen.
Seit Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine hat Russland nach ukrainischen Angaben 645 religiöse Stätten beschädigt oder zerstört, davon 53 vollständig.
Gespräche über Austausch von Leichen gehen laut Russland weiter
Russland führt eigenen Angaben zufolge Gespräche mit der Ukraine über die Fortsetzung eines Gefangenenaustauschs. Der russische Präsidialamtssprecher Dmitri Peskow sagte, dass Lastwagen mit den Leichen getöteter Soldaten seit mindestens Samstag in der Nähe eines vereinbarten Austauschpunkts geparkt seien, damit die Ukraine sie abholen könne.
Russland und die Ukraine hatten bei Gesprächen in Istanbul Anfang des Monats einen Gefangenenaustausch vereinbart. Gestern hatten beide Seiten bestätigt, dass jeweils eine Gruppe Soldaten aus der Gefangenschaft entlassen worden sei. Der Sprecher des ukrainischen Außenministeriums, Heorhij Tychyj, sagte, dass der gestrige Gefangenenaustausch nur die erste Etappe gewesen sei und es in den kommenden Tagen weitere Phasen geben werde.
Tote und Verletzte durch russische Angriffe in der Region Donezk
Bei schweren Angriffen in der Region Donezk sind nach ukrainischen Angaben drei Menschen getötet und acht weitere verletzt worden. Nach Angaben des Leiters der regionalen Militärverwaltung, Wadym Filaschkin, griffen russische Truppen in der Region im Laufe des gestrigen Tages insgesamt 27-mal Ortschaften in Donezk an. Die Geschosse trafen demnach mehrere Wohnhäuser, Infrastruktur und andere zivile Objekte in den Bezirken Pokrowsk, Kramatorsk und Bachmut.
Russische Streitkräfte sind aus der Region Donezk bis zu drei Kilometer vorgerückt und haben die Grenze zur Region Dnipropetrowsk erreicht. Das berichtet das Institute for the Study of War (ISW) in seinem täglichen Lagebericht (PDF). Auch an anderen Frontabschnitten in der Region Donezk sind russische Streitkräfte vorgerückt. Im Norden der Region haben wiederum ukrainische Truppen nördlich und östlich von Lyman Gelände zurückerobert.
Lesen Sie hier mehr über das aktuelle Frontgeschehen:
Ukraine meldet groß angelegten Drohnenangriff auf Kyjiw
Russland hat in der Nacht laut dem ukrainischen Präsidenten einen seiner bisher größten Luftangriffe auf Kyjiw geflogen. 315 Drohnen und sieben Raketen seien zum Einsatz gekommen und hätten auch andere Teile des Landes getroffen, sagte Wolodymyr Selenskyj. Die Angriffe "übertönten" die Bemühungen der USA und weiterer Länder, "Russland zum Frieden zu zwingen".
Russland meldet Zerstörung von rund 100 ukrainischen Drohnen
Die Ukraine soll nach russischen Angaben erneut Ziele in Russland mit Drohnen angegriffen haben. Wie russische Behörden mitteilten, kam es durch die ukrainischen Drohnenangriffe in der Nacht zu einer vorübergehenden Aussetzung des Flugverkehrs aller Flughäfen in Moskau und St. Petersburg. Es habe demnach keine Schäden gegeben.
Dem russischen Verteidigungsministerium zufolge haben die russischen Streitkräfte über Nacht 102 ukrainische Drohnen zerstört. Fast die Hälfte der Drohnen seien über der Region Brjansk an der Grenze zur Ukraine zerstört worden. Drei seien über der Region Moskau und zwei über der Region Leningrad abgeschossen worden.
Kyjiw und Odessa melden russischen Luftangriffe
Russland hat die ukrainische Hauptstadt Kyjiw erneut mit Drohnen und Raketen angegriffen. Bürgermeister Vitali Klitschko sprach auf Telegram von einem anhaltenden "massiven Angriff auf die Hauptstadt" und rief die Einwohner dazu auf, in den Schutzräumen zu bleiben. Der Nachrichtenagentur RBC-Ukraine zufolge waren in der Stadt Explosionen zu hören. Nach Angaben der Militärverwaltung gab es Schäden in mindestens drei von zehn Stadtbezirken. Vier Personen wurden verletzt, wie Klitschko mitteilte.
"Feindliche Drohnen greifen gleichzeitig mehrere Stadtbezirke an“, schrieb Timur Tkatschenko, Leiter der Militärverwaltung von Kyjiw, auf Telegram. "Es gibt Schäden an Wohngebäuden und Brände. Rettungskräfte sind im Einsatz.“
Ein Reporter der Nachrichtenagentur dpa berichtete von starkem Flugabwehrfeuer über der Stadt. Der ukrainischen Luftwaffe zufolge kamen auch ballistische Raketen zum Einsatz.
In der südukrainischen Schwarzmeerstadt Odessa wurden nach örtlichen Behördenangaben zwei Menschen getötet und neun weitere verletzt. Eine Entbindungsstation, eine medizinische Notaufnahme und Wohnhäuser seien getroffen worden. In der Entbindungsstation habe es keine Verletzten gegeben, das Gebäude sei evakuiert worden, teilte Gouverneur Oleh Kiper mit.
Flugverkehr an Moskauer Flughäfen nach Drohnenangriff gestoppt
Die russische Zivilluftfahrtbehörde Rosawiatsia hat aus Sicherheitsgründen den Flugverkehr auf allen vier großen Flughäfen rund um Moskau vorübergehend eingestellt. Grund dafür sei laut dem russischen Verteidigungsministerium ein Drohnenangriff der Ukraine.
Nato-Chef Rutte fordert "400-prozentigen" Ausbau der Nato-Luftabwehr
Nato-Generalsekretär Mark Rutte hat sich für eine deutliche Aufstockung der Luftabwehr ausgesprochen. Um seine militärische Abschreckung aufrechtzuerhalten, benötige das Verteidigungsbündnis eine "Steigerung der Luft- und Abwehrraketen um 400 Prozent", sagte Rutte der britischen Denkfabrik Chatham House. Neben der Luftabwehr seien außerdem Tausende zusätzliche Panzer sowie Millionen weitere Artilleriegeschosse nötig.
"Wir sehen in der Ukraine, wie Russland Terror aus der Luft verbreitet, daher werden wir den Schutzschild für unseren Luftraum verstärken", sagte Rutte.
„"Wir benötigen einen Quantensprung in unserer gemeinsamen Verteidigung."“
Mark RutteRuttes Forderungen stießen auf harte Kritik von Russland. Präsidialamtssprecher Dmitri Peskow bezeichnete die Nato als "Instrument der Aggression und Konfrontation".