Traineeship bei der Esa: »Ich teste, ob Systeme weltraumreif sind«

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 »Der Weltraum hat etwas Mystisches, Geheimnisvolles«

Esa-Trainee Geigenberger: »Der Weltraum hat etwas Mystisches, Geheimnisvolles«

[M] DER SPIEGEL: Fotos: Davide Vertuani, P Piron

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Der Start ins Arbeitsleben ist aufregend, anstrengend – und oft ganz anders als geplant. In der Serie »Mein erstes Jahr im Job« erzählen Berufseinsteiger:innen, wie sie diese Zeit erlebt haben. Diesmal: Katrin Geigenberger, 28, arbeitet seit September 2023 als Testingeneurin und Esa Graduate Trainee (EGT) im Europäischen Weltraumforschungs- und Technologiezentrum, kurz ESTEC, in Noordwijk in den Niederlanden. Das ESTEC ist der größte Standort der Europäischen Weltraumagentur Esa.

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»Meine offizielle Berufsbezeichnung ist Graduate Trainee in Science Mission Instrument Technology Preparation, ein Bandwurmtitel. Kurz könnte man sagen: Ich bin Testingenieurin und überprüfe wissenschaftliche Nutzlasten oder Instrumente, vor allem Detektoren, für Weltraumflüge. Ich teste also, ob die Systeme ›weltraumreif‹ sind. In jeder Handykamera steckt im Prinzip eine ganz kleine Version eines Detektors. Das ist der Chip, der das Licht auffängt und in elektronische Signale umwandelt. Aufgebaut ist er aus Pixeln.

Um die Detektoren zu testen, arbeite ich mit Datensätzen, die ich zuvor aufgenommen habe. Dann schreibe ich Skripte in der Programmiersprache Python, um zu analysieren, welche Eigenschaften der Detektor hat und ob das übereinstimmt mit dem, was wir erwarten und für zukünftige Weltraummissionen brauchen. Teilweise ist das recht tricky, weil man ziemlich viele Daten hat.

Trainee bei der Esa

Die Datensätze gewinne ich im Labor. Am Anfang habe ich zum Beispiel mit dem Oszilloskop elektrische Signale gemessen, Druck und Temperatur überprüft, den Detektor langsam hochgefahren und mit kleinen Datensätzen experimentiert. Diese wurden dann immer größer. Leider ist die Zeit, die man im Labor hat, aber relativ kurz verglichen mit der Zeit, die man mit der Datenanalyse verbringt. Momentan arbeite ich tatsächlich 100 Prozent meiner Zeit vor dem Laptop und kämpfe mich durch einen Error-Bug nach dem anderen.

Mehr »Mein erstes Jahr im Job«

Als Trainee arbeite ich in der Regel noch nicht direkt an Flughardware, sondern entwickle und teste eher grundlegend. Aber in unserer Gruppe wurden zum Beispiel auch die Detektoren für die Euclid-Weltraummission getestet. Das ist ein Weltraumteleskop der Esa, das 2023 gestartet ist und neue Erkenntnisse zur Dunklen Materie und Dunklen Energie sowie zur Ausdehnung des Weltalls liefern soll. Bei solchen Detektoren müssen aber die Expertinnen und Experten ran, da muss alles streng nach Protokoll ablaufen. Ich kann noch mehr ausprobieren.

Das Traineeprogramm dauert ein Jahr, unter Umständen kann man auf maximal zwei verlängern, was bei mir geklappt hat. Im September ist meine Zeit hier vorbei. Danach ist die Idee, dass man erst mal in die Industrie geht. Vorgefertigte Stationen gibt es im Traineeprogramm nicht, je nach Bereich unterscheidet es sich komplett.

Einen eigenen Satelliten ins All schicken

Bei der Esa gibt es eine starke junge Gemeinschaft, die junge Esa. Bis zu zehn Prozent unserer Arbeitszeit dürfen wir auf Projekte aus diesem Bereich verwenden. Eines davon war der ›Young Professional Satellite‹, kurz YPSAT. Die Arbeit daran war eine der besten Erfahrungen. Zusammen mit mehr als 30 jungen Esa-Mitarbeitenden haben wir in dem Projekt  einen Satelliten entwickelt, der auf dem Erstflug der Ariane 6 mit ins Weltall fliegen durfte und Aufnahmen von den Flugphasen aus dem Weltraum schicken sollte.

Katrin Geigenberger (2. v. r.) unterschreibt gemeinsam mit anderen aus dem YPSAT-Team auf der Nutzlasthülle der Ariane 6

Katrin Geigenberger (2. v. r.) unterschreibt gemeinsam mit anderen aus dem YPSAT-Team auf der Nutzlasthülle der Ariane 6

Foto:

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Wir waren für alles verantwortlich: die Entwicklung, den Bau, das Testen. Ich habe mich um das sogenannte Aufwachsystem gekümmert. Es sagt dem Satelliten, wann er ›aufwachen‹ soll, um die Bilder und Videos zu machen. Das ist ungefähr 40 Sekunden nach dem Start, wenn wir durch die Atmosphäre rauschen.

»Es ist ein fantastisches Gefühl zu wissen, dass etwas, das man mit entwickelt hat, in den Weltraum fliegt.«

Ich hatte die große Ehre, für den Einbau des Satelliten auf den Raketenträger zum Esa-Weltraumbahnhof nach Kourou in Französisch-Guyana reisen zu dürfen. Den Start der Rakete habe ich etwa einen Monat später am ESTEC verfolgt, gemeinsam mit Hunderten Kolleginnen und Kollegen. Ich habe noch nie eine solche Stille von so vielen Menschen in einem Raum erlebt, wie in den Sekunden, bevor die Rakete gestartet ist. Dann wurde der Countdown von zehn runter gezählt. Spätestens bei drei hat jeder von uns in voller Lautstärke mitgezählt. Die Atmosphäre war elektrisierend. Als ich die Rakete dann durch die Atmosphäre fliegen sah, dachte ich: Jetzt muss meine Arbeit, das Aufwachsystem, das tun, was es soll. Es dauert allerdings, bis man Bescheid bekommt, ob alles funktioniert hat. Da fiebert man mit.

Als unser Projektmanager im zentralen Kontrollraum in Kourou das Signal empfangen hat, dass alle Systeme wach sind, wussten wir: Es hat geklappt. Da haben wir gejubelt und uns umarmt. Ich habe heute noch eine Gänsehaut, wenn ich daran denke. Es ist ein fantastisches Gefühl zu wissen, dass etwas, das man mit entwickelt hat, in den Weltraum fliegt. Noch fantastischer waren die Bilder und Videos, die das System aus dem Weltraum zurückgesendet hat. Wir konnten gar nicht glauben, wie schön sie sind.

Arbeit im interdisziplinären Team

Was es in meinem Job auf jeden Fall braucht, ist Durchhaltevermögen. Ich kann gar nicht aufzählen, wie oft mein Programm zunächst nicht gemacht hat, was ich wollte. Neben selbstständigem Problemlösen ist da auch eine gewisse Frustrationstoleranz hilfreich. Und man muss im Team arbeiten können, also interdisziplinär und interkulturell.

»Es gibt so viele spannende unterschiedliche Leute, die so viel Unterschiedliches machen.«

Toll ist, dass hier alle sehr offen und zum Austausch bereit sind. Es gibt so viele spannende unterschiedliche Leute, die so viel Unterschiedliches machen. Selbst in meiner Gruppe, die aus ungefähr 20 Leuten besteht, arbeiten schon so viele verschiedene Ingenieure – mechanische, elektrische, thermische zum Beispiel. Die Alltagssprache ist Englisch, ich denke mittlerweile auch auf Englisch. Im ersten Jahr des Traineeprogramms habe ich 3.578 Euro brutto verdient, im zweiten 4001 Euro. Das Gehalt hängt allerdings auch vom Standort ab.

Den Nachthimmel habe ich schon immer geliebt. Die Astronomie hat mich überhaupt erst zur Physik gebracht. Ich habe mich zum Girls’ Day am Max-Planck-Institut für Extraterrestrische Physik angemeldet und dort vor dem Studium auch ein Praktikum gemacht. Besonders geprägt hat mich auch das Astro-Camp ›IAYC‹, an dem ich während der Oberstufe das erste Mal teilgenommen habe. An der TU München habe ich dann im Bachelor Physik studiert und den Master in Kern-, Teilchen- und Astrophysik angeschlossen sowie zusätzlich Kurse aus dem Raumfahrtmaster belegt. Kurz vor Ende des Studiums habe ich mich bei der Esa beworben. Im ersten Anlauf hat es nicht geklappt, ein Jahr später schon.

In der Zukunft sehe ich mich auf jeden Fall in der Raumfahrt. Aber auch der Klimaschutz liegt mir am Herzen. Es gibt zum Beispiel ein Unternehmen, das mit Satelliten Waldbrände beobachtet. Da könnte ich meine Leidenschaften vereinen und etwas entwickeln, das aus dem All schützt und das Leben auf der Erde besser macht. Der Weltraum hat etwas Mystisches, Geheimnisvolles. Er birgt die großen Fragen der Menschheit. Daraus in einer Art Detektivarbeit Antworten herauszukitzeln, ist unglaublich spannend.«

Einmal im Jahr schreibt die Esa um die 100 Stellen im Graduate Trainee Bereich aus. Die Stellen sind in unterschiedlichen Bereichen angesiedelt, etwa in der Wissenschaft, im Ingenieurbereich, in der IT, aber auch im Business, Jura und Finance. Mehr zu dem Bewerbungsablauf und den -voraussetzungen sowie den Modalitäten des Programms findet sich hier  und hier . Auf dieser Seite  lässt sich auch gezielt nach Karrieremöglichkeiten bei der Esa suchen.

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