
Iga Świątek auf dem Centre Court von Wimbledon: »Das Gras war schon kein Gras mehr«
Foto: Javier Garcia / Shutterstock / IMAGODieser Artikel gehört zum Angebot von SPIEGEL+. Sie können ihn auch ohne Abonnement lesen, weil er Ihnen geschenkt wurde.
Wenn Rasen zu Sand wird: Niemals, sagte Iga Świątek, habe sie damit gerechnet: ein Wimbledon-Finale mit ihrer Beteiligung. Die Polin gilt als Sandplatzkönigin, auf Rasen tat sie sich stets schwer. Nach frustrierenden Monaten, in denen sie nach 125 Wochen von der Weltranglistenspitze rutschte, spielt Świątek nun auf Gras so gut wie lange nicht. Was ihr dabei hilft: die hohen Temperaturen. Als sie 2019 das Wimbledon-Jugendturnier gewann, sei es ebenfalls sehr heiß gewesen. »Das Gras war schon kein Gras mehr. Es war eher Sand«, sagte Świątek über ihren Triumph als Juniorin. Auch in diesem Jahr strahlt die Sonne unnachgiebig auf den Centre Court, wo der braune Fleck an der Grundlinie immer prominenter wird. Und Świątek immer besser.
Das Ergebnis: Iga Świątek gewinnt ein einseitiges Halbfinale gegen die Schweizerin Belinda Bencic. Im Endspiel am Samstag trifft sie auf Amanda Anisimova aus den USA. Świątek ist damit die einzige aktive Spielerin, die auf allen drei Belägen (Rasen, Sand, Hardplatz) ein Grand-Slam-Finale erreichte.

Iga Świątek nach ihrem Finaleinzug
Foto: Kirill Kudryavtsev / AFPDer erste Satz: Rückhandwinner, Vorhandwinner, ein unretournierbarer Aufschlag: Świątek bestimmte von Beginn an das Tempo. Die Polin schaffte sofort ein Break und blieb unnachgiebig. Nur vier Punkte gelangen Bencic in den ersten drei Spielen. Der Centre Court war der Nachmittagssonne ausgeliefert, doch Świątek schien nicht wohin zu wissen mit ihrer Energie. Während sich Bencic zwischen den Spielen sammelte, hetzte Świątek an der Grundlinie von links nach rechts und schlug in die Luft. Zu null nahm sie Bencic den Aufschlag zum Satzgewinn ab.
Not very british: Wimbledon wird in diesem Jahr nur selten von Regenunterbrechungen geprägt. Stattdessen startete das Turnier in Rekordhitze und knackt auch zum Abschluss der zweiten Woche die 30-Grad-Marke. Spielerinnen setzen sich gegen die Hitze mit Eisbeuteln zur Wehr, auf der Tribüne des Centre Courts flattern die Fächer. Während es die Profis gewohnt sind, in extremen Temperaturen zu spielen, stoßen die Zuschauenden an Grenzen: Wie schon im ersten Halbfinale, das Anisimova überraschend gegen die Weltranglistenerste Aryna Sabalenka gewann, musste die Partie schon nach wenigen Spielen minutenlang unterbrochen werden; Sanitäter waren auf der Tribüne im Einsatz.
Bencic und die Kunst des Loslassens: Sechs Monate nach der Geburt ihrer Tochter Bella gab Bencic im Oktober ihr Comeback im Profitennis. 2025 begann sie auf Weltranglistenplatz 489, nach Wimbledon wird sie wohl in die Top 20 zurückkehren. Es ist ein rasanter Wiedereinstieg, bei dem sie nicht nur ein Kind, sondern auch eine neue Gelassenheit begleitet: »Man muss sich wirklich darauf einstellen, dass man nicht alles perfekt machen kann«, sagte sie auf einer Pressekonferenz, als sie nach ihrem neuen Leben gefragt wurde. »Im Haushalt, auf dem Tennisplatz, als Mutter – man muss manche Dinge einfach loslassen.« Im Training habe sie zwar weniger Zeit, sei dafür aber produktiver. »Ich komme nicht zurück, um nur eine durchschnittliche Spielerin zu sein, ich möchte mehr Erfolg haben«, sagte Bencic im Dezember und scheint auf einem guten Weg: In Wimbledon schaffte sie es erstmals über das Achtelfinale hinaus.

Belinda Bencic: »Man muss manche Dinge einfach loslassen«
Foto: Ezra Shaw / Getty ImagesMehr für Mütter: Spielerinnen, die während ihrer Karriere Kinder bekommen, sind eine Ausnahme. 25 Mütter zählt die WTA auf der Tour, in Wimbledon hat seit 1980 keine Mutter den Einzelwettbewerb gewinnen können. Dennoch zeichnet sich aktuell mehr denn je ein Kulturwandel ab. In diesem Jahr führte die WTA ein Programm ein, das Spielerinnen lange gefordert hatten: Über 300 Profis ist es nun möglich, bis zu 12 Monate bezahlten Mutterschaftsurlaub zu nehmen. Im Juni gab die WTA zudem bekannt, das Ranking von Spielerinnen, die sich Fruchtbarkeitsbehandlungen unterziehen, zu schützen, um das Comeback zu erleichtern. Die Entwicklung gehe »in die richtige Richtung«, befand Bencic.
Der zweite Satz: Im ersten Durchgang hatte Świątek keinen Breakball zugelassen, zum Start des zweiten Satzes musste sie gleich zwei abwehren. Ein kurzer Augenblick der Schwäche, aber kein Omen für den weiteren Spielverlauf. Świątek zog davon und beendete die Partie mit doppelt so vielen Gewinnschlägen wie unerzwungenen Fehlern. Zwischendurch knallte ein Sektkorken gegen das Stadiondach, es blieb der einzige Überraschungsmoment des zweiten Durchgangs. Nach etwas mehr als einer Stunde war die Partie bereits wieder vorbei. Selten habe sie Świątek in einem wichtigen Spiel derart dominant gesehen, sagte Tennislegende Martina Navratilova der BBC.