Sportgerichtshof Cas: Urteile künftig vor europäischen Gerichten anfechtbar

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Jurist über Urteil gegen den Cas »Ein Sieg für jeden, der vom Sportgerichtshof ungerecht behandelt wird«

Urteile des Sportgerichtshofs Cas können künftig vor europäischen Gerichten angefochten werden. Ein großer Machtverlust, sagt Experte Paul Lambertz. Doch was ändert sich konkret?

Ein Interview von Benjamin Knaack

04.08.2025, 15.24 Uhr

 »Man wollte ein System verhindern, in dem die Regeln in den Ländern unterschiedlich gehandhabt werden«

Olympia 2024 in Paris: »Man wollte ein System verhindern, in dem die Regeln in den Ländern unterschiedlich gehandhabt werden«

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Olivier CORSAN / MAXPPP / IMAGO

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SPIEGEL: Der Europäische Gerichtshof hat geurteilt, dass Entscheidungen des Cas an EU-Gerichten angefochten werden können. Bislang war nur ein Einspruch beim Schweizer Bundesgericht möglich. Was bedeutet das konkret für den Cas?

Lambertz: Er hat eine Menge Macht verloren. Bis jetzt hatte man eben nur diese eine Möglichkeit, Urteile zu überprüfen. In der Regel endete der Rechtsweg also in der Schweiz. Jetzt hat der Cas bei Angelegenheiten europäischer Verbände und Sportler aber nicht mehr das letzte Wort – das haben nun die europäischen Gerichte. Wenn der Cas also Urteile fällt, die gegen europäisches Recht verstoßen, können diese einkassiert werden. Das ist schon ein erheblicher Machtverlust.

SPIEGEL: Ist das ein Sieg für die Sportler und eine Niederlage für die internationalen Sportverbände?

Lambertz: Es ist ein Sieg für jeden, der vom Sportgerichtshof ungerecht behandelt wird. Das können auch Sportverbände sein, die beispielsweise gegen das Internationale Olympische Komitee klagen. Oder Fußballklubs, wie im Fall des belgischen Vereins RFC Seraing gegen den Fußball-Weltverband Fifa, um den es vor dem EuGH ging. Als Niederlage für die Verbände sehe ich es dennoch, denn diese haben meist davon profitiert, dass der Rechtsweg in der Schweiz endete.

SPIEGEL: Wenn nun theoretisch Hunderte Gerichte in ganz Europa involviert sein können, drohen dann nicht auch sehr unterschiedliche Rechtsprechungen in strittigen sportfachlichen Fragen?

Lambertz: Absolut. Das wollte man ja mit der Einführung des Sportgerichtshofs stoppen. Man wollte Regeln, die für jeden auf der Welt einheitlich sind. Man wollte ein System verhindern, in dem die Regeln in den Ländern unterschiedlich gehandhabt werden.

SPIEGEL: Haben Sie ein Beispiel?

Lambertz: Nehmen Sie das Thema Doping. Wenn Dänemark einen Doper nach einem Monat wieder starten lässt, Deutschland seinen Doper aber vier Jahre sperrt, ist das ungerecht. Mit dem aktuellen Urteil droht jetzt aber, dass die Regeln in den Ländern unterschiedlich angewandt oder interpretiert werden. Eine Einheitlichkeit der Strafen wäre dann nicht mehr gegeben. Wichtig wird sein, dass der Cas in seinen Urteilen die europäische Rechtsprechung einhält. Dann bleiben die Urteile auch nach einer rechtlichen Überprüfung durch europäische Gerichte bestehen.

SPIEGEL: An der Konstruktion des Cas gibt es schon lange Kritik. Die internationalen Verbände haben einen zu großen Einfluss, heißt es. Wie sehen Sie den Sportgerichtshof?

Lambertz: Die grundsätzliche Idee des Sportgerichtshofs ist super. Sport ist ein spezielles Thema, da ist es besser, wenn Juristen mit sportrechtlichem Verständnis urteilen und kein Richter von einem beliebigen Landgericht, der am Nachmittag noch eine Mietstreitigkeit verhandelt. Für mich ist der Cas in seiner jetzigen Verfassung aber eine Art Closed Shop. Man nimmt Kritik stoisch hin, passt sich erst – und auch nur so weit wie nötig – an, wenn man vom EuGH darauf hingewiesen wird. Ich empfinde, dass dort eine Attitüde herrscht, dass man schon am besten weiß, was im Sport richtig ist. Einer der größten Kritikpunkte am Cas ist der Mechanismus, Richter auf die geschlossene Schiedsrichterliste zu entsenden. Hier haben die Verbände meines Erachtens seit jeher ein zu starkes Gewicht. Das, so die Kritik, kann dazu führen, dass die Richter mehr Verständnis für die Verbände haben als für die Sportler.

 »Die grundsätzliche Idee des Sportgerichtshofs ist super.«

Der Cas: »Die grundsätzliche Idee des Sportgerichtshofs ist super.«

Foto: Laurent Gillieron / KEYSTONE / dpa

SPIEGEL: Sportgerichtsbarkeit versucht seit jeher, sich außerhalb der normalen Gerichtsbarkeit zu positionieren. Andererseits gibt es mit dem Antidopinggesetz in Deutschland eine enge Verzahnung von Sport und normalem Recht. Welcher Weg ist der richtige?

Lambertz: Der richtige Weg für mich ist eine ordentliche Schiedsgerichtsbarkeit, die allen Interessen gerecht wird. Auch denen der Athleten, die eigentlich keine Stimme haben. Die meisten Athleten lehnen sich nicht auf, denn sie wollen ihre kurze Zeit für den Sport nutzen und nicht für Rechtsstreitigkeiten. Für diese braucht es daher eine funktionierende Rechtsdurchsetzung, um deren Rechte zu schützen.

SPIEGEL: Wie wird es jetzt weitergehen?

Lambertz: Ich gehe davon aus, dass nun vermehrt europäische Gerichte angerufen werden. Es ist einfach zu viel Geld im System, als dass man sagen könnte: Ach ja, beim nächsten Mal wird es besser. Ich kann mir gut vorstellen, dass nun der ein oder andere Investor oder Klub gegen Cas-Urteile vorgehen wird.

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