Die zerknitterten Pakete in den beiden Automaten sehen aus, als wären sie gerade von einem fahrenden Postauto gefallen. Trotzdem stehen zwei Frauen vor den »Secret Packs«-Automaten in einem Hamburger Einkaufszentrum. Sie kaufen Pakete für jeweils zehn Euro – für jede Frau eines. Denn: Es könnte ja etwas Tolles darin sein. Ein paar Umstehende beobachten neugierig, wie die Päckchen in den Schacht fallen. Die Frauen öffnen die »Secret Packs« direkt: Im ersten steckt eine kurze rosa Hose, im zweiten ein T-Shirt, Größe 4XL. Während die Hose von ihrer zufriedenen Käuferin eingepackt wird, legt die zweite Frau kopfschüttelnd das Shirt und die zerknüllte Plastikverpackung auf einen der Automaten. Vielleicht kann jemand anderes mehr mit dem gezogenen Oberteil anfangen.
»Secret Packs«-Automaten stehen mittlerweile in ganz Deutschland und werden von verschiedenen Firmen betrieben. Geworben wird oft mit dem Versprechen, dass wertvolle Dinge in den »geheimen Päckchen« sein könnten. In den Automaten stecken Pakete, die vom Käufer zurückgesendet wurden, nie abgeholte Ware oder Bestellungen, die nicht zugestellt werden konnten – das passiert zum Beispiel, wenn Käufer ihre Adresse falsch angeben.
Deutschland war 2022 »Retouren-Europameister«. Damals wurden rund 530 Millionen Pakete zurückgeschickt.
Foto: Christian Grube / IMAGOIm Jahr 2021 wurden in Deutschland insgesamt fast 530 Millionen Pakete zurückgeschickt. Steffen Kroschwald ist Professor für Wirtschaftsrecht an der Hochschule Pforzheim. Er beschäftigt sich viel mit Verbraucherforschung und nachhaltigem Konsum und erklärt, dass es oft viel Zeit und Mühe kostet, die zurückgekommene Ware zu prüfen, neu zu verpacken und wieder zu versenden. Rund neun von zehn Produkten werden als Neuware wieder verkauft. »Aber für Billig- und Massenartikel lohnt sich dieser Aufwand häufig nicht«, sagt der Experte. Sie werden von den Händlern aussortiert, ein kleiner Teil davon wird weggeschmissen und der Rest in Massen an Zwischenhändler verkauft. Diese lagern die Pakete in großen Hallen und verkaufen sie palettenweise weiter. Unter anderem an die Betreiber von Automaten für geheime Päckchen.
Die Firma Loot Pack Hunters bekommt zwei Lkw-Lieferungen voller Pakete in der Woche. Wie viel die Firma dafür bezahlt, will der Geschäftsführer Domenic Steinhauer nicht verraten. Er glaubt: »In den Einkaufszentren, in denen meine Automaten stehen, wird sich der Betrieb weiterhin lohnen.« Seine Mitarbeitenden würden die Automaten in Berlin und Hamburg täglich mit neuen Päckchen auffüllen. Er behauptet: »Das Wertvollste, von dem ich mitbekommen habe, war ein kleiner Goldbarren. Der war 2300 Euro wert.«
Unzählige Kinder und Jugendliche träumen davon, Fußballprofi zu werden – doch nur die allerwenigsten werden es schaffen. Maxi, 14, darf sich etwas größere Hoffnungen machen als andere. Wie er in der Nachwuchsakademie des FC Bayern für die Erfüllung seines Traums trainiert, steht in der neuen Ausgabe von DEIN SPIEGEL, dem Nachrichten-Magazin für Kinder. Außerdem im Heft: Wie entsteht eigentlich ein Gesetz? DEIN SPIEGEL gibt es am Kiosk, ausgewählte Artikel online. Erwachsene können das Heft auch hier kaufen:
Auch unsere Redaktion will ihr Glück versuchen. Für 30 Euro kaufen wir drei »Secret Packs«. Nach genauer Betrachtung entscheiden wir uns für ein großes weißes Päckchen, einen Schuhkarton mit der Aufschrift »Nike« und ein kleines Paket, das an den Seiten schon angerissen ist. Das öffnen wir zuerst, reißen den Rest auf und finden darin ein Auto-Pflege-Spray mit Zubehör. Die Gebrauchsanleitung empfiehlt, den beigelegten Schwamm zum Verteilen des Sprays auf der Auto-Oberfläche zu nutzen. Er ist nur etwa so groß wie eine Streichholzschachtel, das könnte also eine Weile dauern. Im Internet wird das Set für 9,75 Euro verkauft. Da uns das »Secret Pack« 10 Euro gekostet hat, haben wir einen Verlust von 25 Cent. Das zweite Päckchen ist weiß, weich und beinhaltet einen zweiteiligen Jogginganzug in Größe M. Ein schlichtes, weißes T-Shirt und eine weiße Hose, hergestellt in China. Im Internet sind weder der Hersteller noch ein Preis zu finden. Die Schuhe aus dem Nike-Schuhkarton sind nicht von der Modemarke, sondern billig aussehende Halbschuhe aus Kunstleder. Auch hier lassen sich keine Produktinformationen finden. Ähnliche Schuhe kosten im Handel 30 bis über 100 Euro, jedoch haben wir wohl recht billige Exemplare gezogen: Sie riechen stark nach Plastik und Chemikalien. »Der Markt ist überflutet mit Massenware und Billigartikeln wie diesen«, sagt Steffen Kroschwald.
Auf den ersten Blick könnte man zwar denken, dass die Automaten nachhaltig sind: Zurückgeschickte Artikel finden eine zweite Verwendung und landen nicht direkt im Müll. Doch sind etwa die gezogenen Schuhe zu groß oder ist der Jogginganzug aus dem Automaten zu klein, werden sie häufig vom »Secret Pack«-Käufer weggeschmissen. »Wenn der Inhalt nicht richtig entsorgt wird oder schlimmstenfalls im Gebüsch landet, haben wir ein ganz massives Nachhaltigkeitsproblem«, sagt Kroschwald. Das Konzept der Automaten sei gleichzeitig das Hauptproblem. Nachhaltiger wäre es, die Kunden vor dem Kauf darüber zu informieren, was genau in den einzelnen Packs enthalten ist. Natürlich fällt dabei aber auch der Spannungseffekt weg.
Es gibt noch zwei weitere Probleme mit den »Secret Packs«. Jeder kann sie kaufen, auch Kinder und Jugendliche. In den Überraschungspaketen könnten aber auch Dinge wie Zigaretten, gefährliche Gegenstände oder Filme ab 18 Jahren sein. Das zweite Problem ist der Datenschutz: In zwei der von uns gekauften Pakete standen Name und Adresse von den Leuten, die sie ursprünglich bestellt hatten – Ingo und Ranko. Zwar wurden die Adressen, die auf der Paket-Außenseite stehen, mit Farbe geschwärzt. Unsere »Secret Packs« waren aber doppelt verpackt. Auf der inneren Verpackung standen die Daten der Originalempfänger.
Trotz dieser Probleme ist die Anziehungskraft von »Secret Packs«-Automaten verständlich. Der Experte Steffen Kroschwald vergleicht sie mit Glücksspiel: »Der Kunde weiß nicht, was er bekommt. Und so verspürt er den Reiz, nicht nur einmal zehn Euro in die Automaten zu stecken, weil er auf einen hohen Gewinn hofft.« Außerdem sind das Aussuchen der Pakete, das Rätseln über ihr Inneres und das Auspacken nach dem Kauf spannend. Auch wenn man womöglich Dinge zieht, die man gar nicht gebrauchen kann – wie im Fall unserer »Secret Packs«. Die DEIN-SPIEGEL-Redaktion konnte mit den Inhalten nichts anfangen und hat sie in einem »Zu verschenken«-Karton an den Gehweg gestellt. Einige Stunden später waren alle Sachen, sogar der Karton, verschwunden.
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