Lars Klingbeil sieht sich mit seinem schwachen Ergebnis bei der Wiederwahl zum SPD-Vorsitzenden auch als Blitzableiter für das historisch schlechte Bundestagswahlergebnis der Partei und die Umwälzungen danach. „Ich wusste, das wird ein schwieriges Ergebnis“, sagte er am ersten Abend des dreitägigen Parteitags in Berlin.
Einigen habe schon nicht gefallen, dass die SPD die Koalition mit der Union eingegangen sei. Auch der von ihm mit vorangetriebene Generationswechsel im Kabinett, in der Fraktion und in der Parteiführung habe einige nicht glücklich gemacht. Das sei aber alles richtig gewesen.
„Ein bisschen bin ich ja der Blitzableiter vielleicht auch für viele andere, und das gehört dann in der Verantwortung auch mit dazu“, sagte er am Freitag beim Abend des konservativeren Parteiflügels, des Seeheimer Kreises. Er wünsche sich nun eines: „Das war jetzt der Tag, wo ein Stück weit auch abgerechnet wurde, was am 23. Februar und danach war – aber jetzt entwickeln wir wieder eine Kraft, nach vorne zu gehen.“
Der Vizekanzler erhielt zuvor bei seiner Wiederwahl das historisch schlechteste Ergebnis aller allein angetretenen SPD-Vorsitzenden: 64,9 Prozent der Delegiertenstimmen. Nur Oskar Lafontaine bekam 1995 noch weniger (62,6 Prozent), allerdings in einer Kampfkandidatur gegen Rudolf Scharping.
Arbeitsministerin Bärbel Bas hingegen erhielt 95 Prozent und rückte damit in die SPD-Spitze auf. Auch sie rechtfertigte Klingbeils Ergebnis als Quittung für Verantwortungsbewusstsein: „Er hat natürlich nach dieser krachenden (Bundestagswahl-)Niederlage vom 23. Februar die Verantwortung übernommen“, erklärte sie im ZDF-„Heute Journal“.
„Ich habe mit einigen Nein-Stimmen gerechnet, aber damit nicht.“
Nancy Faeser, Ex-SPD-Innenministerin
Die ehemalige Innenministerin Nancy Faeser zeigte sich überrascht von Klingbeils Abschneiden. „Ich habe mit einigen Nein-Stimmen gerechnet, aber damit nicht“, sagte sie dem „Tagesspiegel“.
Bas ließ im ZDF die Frage offen, ob sie mit ihrem guten Ergebnis nun mehr politisches Gewicht habe als der Co-Chef. „Wir werden beide daran arbeiten müssen, dass Vertrauen der Wählerinnen und Wähler wieder zurückzugewinnen“, sagte sie mit Blick auf die 16,4 Prozent bei der Bundestagswahl.
Bei der Fortsetzung des SPD-Parteitags steht heute mit Ex-Bundeskanzler Olaf Scholz und der langjährigen Parteivorsitzenden Saskia Esken auch die zurückliegende Wahlperiode im Fokus. Scholz redet am Morgen zu den Delegierten. Später tritt Esken vor den Parteitag.
Vor allem bei den Parteilinken sorgte es für Unmut, dass die ehemalige Parteichefin bei der Vergabe der Spitzenposten der SPD unter Schwarz-Rot leer ausging. Esken selbst sagte der „Stuttgarter Zeitung“ und den „Stuttgarter Nachrichten“ vor dem Parteitag, sie habe sicher auch Fehler gemacht. „Aber die Art, wie Häme über mich ausgekübelt worden ist, war unverhältnismäßig und würdelos.“
Der Parteitag in Berlin dauert bis zu diesem Sonntag. (dpa)