Wir trugen die Zwillinge abwechselnd durch das Wohnzimmer, wenn sie nachts weinten, spazierten Hunderte Male um den Esstisch, massierten ihre Bäuchlein und sangen uns mit »La Le Lu« duselig. Meistens wussten wir nicht mal, wie spät es war, irgendwann lernt man als frischgebackene Eltern: Was die Zeiger der Uhr zeigen, spielt keine Rolle. »La Le Lu, nur der Mann im Mond schaut zu.«
Wir waren froh, wenn wenigstens eines der Babys schlief und wenigstens einer von uns Elternteilen ein Stündchen Schlaf bekam. Um dann in einen Tag zu starten, der wieder reich sein würde an Erfahrungen. Voller anstrengender und wunderschöner Momente, die einem Kinder bescheren können.
Jedes Babylächeln, jedes komische Glucksen, selbst ein Pups konnte die Strapazen der Nacht verblassen lassen. Doch körperlich hinterließ das Schlafdefizit Spuren: Wenn ich sehr müde war, fühlte ich mich fahrig und hatte Angst, dass mir ein Baby vom Wickeltisch fallen könnte – was zum Glück nie passierte. Ich spürte, dass ich weniger geduldig war beim Füttern oder dass ich beim Schieben des Kinderwagens oft dachte: Eigentlich müsste jemand mich schieben.

Eine müde Mutter stillt ihr Kind: Dauerhafter Schlafmangel macht nicht nur anfällig für Infekte.
Foto:Guido Mieth / Getty Images
Häufig unterbrochener Schlaf ist etwas, das Frauen insgesamt mehr betrifft als Männer, wie Studien nahelegen. (Zwillings-)Väter wie mein Mann dürfen sich ausdrücklich mit angesprochen fühlen, wenn es um die Folgen durchwachter Nächte mit Baby geht.
In ihrem Text zum Gender Sleep Gap schrieb die Autorin Sarah Zöllner vor einiger Zeit: »Vier Nächte mit jeweils nur fünf Stunden Schlaf vermindern die Konzentrationsfähigkeit bereits so stark wie ein Alkoholgehalt von 0,6 Promille im Blut.« Das zeigten Untersuchungen des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt. Das Gefährliche daran sei, so Zöllner: Die Testpersonen überschätzten selbst ihre Leistungsfähigkeit. »Das typische ›Es geht schon‹, mit dem sich Mütter – und Väter – durch schlaflose Zeiten retten, kann im Ernstfall richtig gefährlich werden.«
Auch für die Sorgenden selbst: »Dauerhafter Schlafmangel macht nicht nur anfällig für Infekte, lässt einen ungesünder essen und riskanter handeln.« Er trägt auch zur Verengung und Verhärtung der Blutgefäße bei, was wiederum zu Herzinfarkt oder Schlaganfall führen kann.
Um sich selbst Auszeiten zu ermöglichen, in denen man wieder Energie tanken und auch einfach mal schlafen kann, ist ein Betreuungsnetzwerk aus Familie , Freunden und Nachbarn wertvoll, wie die Erziehungsexpertin Nora Imlau in diesem Interview sagt. »Hier machen die Kinder die Erfahrung, dass auch andere Erwachsene fürsorglich für sie da sein können.«
Sie fragen sich nun, welche Folgen Ihr Schlafdefizit auf Ihre Gesundheit hat? Dazu zwei Dinge: Bei ernsten medizinischen Bedenken ist es das Beste, Sie sprechen mit Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt. Schließlich gibt es auch neben zu wenig Schlaf viele Themen, die dafür sorgen, dass das Stresslevel bei Eltern steigt.

Mann mit Kind auf dem Arm: Was die Zeiger der Uhr zeigen, spielt keine Rolle.
Foto: Alexandra Bergam / StocksyZusätzlich haben wir ein Anliegen in eigener Sache: Meine Kollegin Anna Behrend möchte die »unsichtbaren Nachtschichten« junger Eltern sichtbar machen, und zwar mithilfe von Fitnesstracker-Schlafdaten. Dafür suchen sie und das Team aus dem Ressort Daten & Visualisierungen mehrere Paare, die in den nächsten Monaten ein Kind erwarten – egal, ob es das erste sein wird oder schon Geschwister da sind. Möchten Sie mitmachen?
Möglichst beide Partner sollten Fitnesstracker verwenden, die auch den Nachtschlaf messen. Falls das auf Sie zutrifft, freuen sich Anna und ihr Team über Ihre Mail. Wie das alles genau funktionieren soll, erklären Ihnen die Kolleginnen und Kollegen natürlich ausführlich, bevor es losgeht. Schreiben Sie bei Interesse gern an babynaechte@spiegel.de .
Und wenn Sie uns erzählen mögen, wie Sie die Nächte mit Ihrem Baby überstanden haben, freuen wir uns über Ihre Mail an familiennewsletter@spiegel.de . Ermutigende Anekdoten und Tipps für andere Eltern würden wir nach Absprache gern veröffentlichen.
Meine Lesetipps
Die Texte, die ich Ihnen diese Woche ans Herz lege, könnten Ihrer Familie im besten Fall zu mehr Schlaf verhelfen – und vielleicht auch zu mehr Spaß:
Vom Pups zum elaborierten Scherz: In seiner Elternkolumne erzählt Julius Fischer diese Woche, wie er seinen Kindern Humor beibringt .
Kein Kind muss schlafen lernen: Diese Elternkolumne meines Kollegen Markus Deggerich ist dagegen schon ein paar Jahre alt. Aber was der fünffache Vater darin schreibt, ist zeitlos und das Liebevollste, das ich je über den Schlaf von Kindern gelesen habe .
Gute Nacht! Der Mediziner Alfred Wiater hat erforscht, wie wichtig Vertrauen und die Fähigkeit zur Selbstregulierung sind, damit Kinder besser schlafen. Was Eltern über den Schlaf-Wach-Rhythmus ihrer Töchter und Söhne wissen sollten .
Gender Sleep Gap: »Gleichberechtigung fängt im Schlafzimmer an«, schreibt die Autorin Sarah Zöllner in diesem Gastbeitrag, den ich in unserem Archiv fand. Und zwar bei der Frage, ob Vater oder Mutter ungestört schlafen dürfen. Was Paare und auch die Politik gegen ungerecht verteilten Schlafmangel tun könnten.
Ist Melatonin gefährlich für Kinder – oder als schlafförderndes Mittel empfehlenswert? Die wichtigsten Fragen und Antworten .
Gemeinsam kochen – Rezepte für Familien
Neuerdings finden Sie jeden Freitag auf SPIEGEL.de unser SPIEGEL Extra GENUSS – mit Reportagen aus der Welt des Kochens, Interviews mit Sterneköchinnen und Küchenchefs, Kurzvideos zum richtigen Schnippeln, dazu Warenkunde, Kochbuchtipps und natürlich Rezepte.
Einiges stammt aus Effilee, dem kulinarischen Kulturmagazin, das nun auch zum SPIEGEL gehört. Als SPIEGEL+-Abonnent können Sie alle Inhalte frei genießen, melden Sie sich dafür lediglich mit Ihren SPIEGEL-Zugangsdaten einmalig an, sobald Sie das erste Mal auf Effilee.de landen.
In der Rezeptdatenbank finden Sie mehr als 1000 Ideen für Gerichte. Tipp: Sie können dabei nicht nur nach Hauptzutaten oder Küchenstil filtern, sondern auch nach der Zubereitungsdauer. In maximal 30 Minuten machbar ist demnach dieser Hot-Dog-Auflauf . »Diese Nummer entstand zunächst aus Partyresten«, schreibt Rezeptautor Stevan Paul. »Hot Dog Buns werden ja schneller trocken, als ein Sandsturm husten kann«. Mit frischen Buns soll der Auflauf allerdings auch gelingen. »Auf dieses Gericht will ja niemand auch nur kurz warten.«
Mein Buchtipp
Aus der »Gute Nacht, Gorilla«-Phase sind wir lange raus. Manch eine Einschlafgeschichte haben wir so oft gelesen, bis die Pappseiten vor lauter Patina auseinanderfielen. Dem Büchlein »Wie kleine Tiere schlafen gehen« sieht man die vielen Abende zwischen Kissen an, so verknickt ist es.
Eine meiner liebsten Gute-Nacht-Geschichten war aber »Kannst du nicht schlafen, kleiner Bär?« von Martin Waddell und Barbara Firth (Annette Betz Verlag). Darin versucht ein kleiner Bär in seiner Höhle einzuschlafen. Doch er mag die Dunkelheit nicht. Der große Bär versucht, ihm mit immer größeren Laternen die Angst zu nehmen. Doch es hilft nichts. Der Kleine fürchtet sich. Bis einem der beiden eine blendende Idee kommt.
Geduld, Verständnis und Nähe sind die Themen zwischen den Zeilen. Ich mochte das Buch auch, weil sich Teile des Textes so herrlich oft wiederholten. Das allein führte meistens dazu, dass mindestens eines der Kinder einschlief, bevor die letzte Seite gelesen war.
Mein Moment
Neulich fragte ich Sie, liebe Leserinnen und Leser, wie Sie es in Ihrer Familie mit Hobbys halten? Verwalten Sie nur die Ihrer Kinder, haben Sie eigene – oder sogar gemeinsame? Ein Leser aus Bayern mit Kindern im Alter von sechs und neun Jahren schrieb uns:
»Bei unseren Kindern gibt es auch Hobbys, die wir verwalten. Glücklicherweise lieben wir alle Gesellschaftsspiele. Und wir haben das Bouldern als Familienhobby entdeckt. Als wir die Halle im Ort ausprobierten, wollten die Kinder nicht mehr von den Wänden, und irgendwann juckte es uns Eltern auch in den Füßen und Händen. Wir kauften uns Boulderschuhe und sind seitdem wöchentlich ein- bis zweimal da.
Für uns Eltern ist es interessant, die Fortschritte unserer Kinder unmittelbar mitzuerleben. Mit welcher Leichtigkeit und Unbeschwertheit sie sich in der Wand bewegen und was sie sich zutrauen! Die Kinder finden es toll, dass wir gemeinsam Zeit verbringen – und dass wir einander helfen. Oft beratschlagen wir, wie eine bestimmte Wand zu bewältigen ist. Und nicht selten sind es die Kinder, die uns Erwachsenen erklären, was sie vor uns geschafft haben.
Wenn wir zusammen aufbrechen, sind wir voller Vorfreude. Unser gemeinsames Hobby macht uns so viel Spaß, dass auch Frustpassagen auszuhalten sind. Der Lernprozess gehört dazu – für die Kinder sowie auch für uns Eltern.«
Arne Hoffmann aus Essenbach
Genießen Sie Ihr Wochenende – mit viel Spaß und ausreichend Schlaf!
Herzlich
Ihre Julia Stanek