Zwei japanische FIFA-Schiedsrichter pfeifen erstmals deutsche Profispiele - ein besonderer Moment im internationalen Austausch. Die Ziele sind ambitioniert, profitieren sollen dabei beide Länder.

Koki Nagamine (li.) und Yusuke Ohashi haben wie ihr Land große Ziele. imago images (2)
Einmal auf einem anderen Kontinent ein Profispiel pfeifen - eine Ehre, die bereits deutschen Schiedsrichtern in Japan zuteilwurde. Nun schließt sich der Kreis: Koki Nagamine und Yusuke Ohashi sind FIFA-Schiedsrichter aus Japan, aktuell weilen sie aber in Deutschland - genauer gesagt im niedersächsischen Ankum (Landkreis Osnabrück), wo sie sich zusammen mit den deutschen DFB-Schiris auf einen besonderen Moment ihrer Karriere vorbereiten.
Denn während sich die Bundesliga-Referees für ihren bekannten Ligaalltag fit machen und das neue Regelwerk verinnerlichen, betreten die beiden Japaner völliges Neuland. Zum ersten Mal dürfen sie deutsche Profispiele leiten. Vorgesehen sind acht Partien - je zwei in der 3. Liga und zwei in der Regionalliga, am 2. und 3. Spieltag der neuen Saison.
Stegemann: "Werde diese Wochen nie vergessen"
Hintergrund ist eine Initiative, die vor rund eineinhalb Jahren ins Leben gerufen wurde. Im Rahmen einer deutsch-japanischen Schiri-Freundschaft durften bereits die deutschen Schiedsrichter Dr. Felix Brych (351 Bundesligaspiele), Sascha Stegemann (160), Martin Petersen (81) und Florian Badstübner (63) über die Grenzen der Kontinente hinweg Erfahrungen sammeln. Sie alle leiteten in den vergangenen Monaten Liga- und Pokalspiele in Japan.
Die Idee der Aktion: Wer einmal in den Genuss gekommen ist, eine fremde Kultur kennenzulernen, wird diese Erlebnisse nie mehr vergessen. Und wenn diese Erfahrungen mit dem komplexen Beruf als Profi-Schiedsrichter verknüpft werden, entstehen Mehrwerte. Stegemann etwa resümierte auf der DFB-Website: "Es waren sehr eindrucksvolle vier Wochen, die ich mein Leben lang nicht vergessen werde."
Nagamine: "Japan will in den nächsten Jahren Weltmeister werden"
Damit die Vorteile der Partnerschaft nicht zu einer Einbahnstraße verkommen, erhalten Nagamine und Ohashi stellvertretend für ihr Land jetzt auch dieses Privileg. In erster Linie wollen die beiden dabei "internationale Erfahrungen sammeln", wie Nagamine erklärt. Es gibt allerdings noch einen weiteren Beweggrund, der deutlich ambitionierter klingt: "Die japanische Nationalmannschaft möchte in den nächsten Jahren gerne Weltmeister werden und sich dafür stetig verbessern. Dadurch steigt die Intensität des Spiels - und wir Schiedsrichter müssen uns an das immer bessere Niveau des Fußballs anpassen", berichtet der 33-Jährige.
Ohashi freut sich auf "Atmosphäre" - und sieht weitere Unterschiede
Sein Kollege Ohashi freut sich insbesondere auf "die Atmosphäre im Stadion" und darauf, vor einem "derart großen Publikum zu pfeifen". Einer der größten Unterschiede zu Ligaspielen in seiner Heimat - und nicht der einzige: "Auch die Schnelligkeit und das Zweikampfverhalten der Spieler" sei anders. "In Deutschland kämpfen die Spieler physischer um den Ball und nehmen dabei weniger Rücksicht auf den Gegner", so die Analyse des 30-Jährigen.
Wie die Sachlage in Japan aussieht, daran erinnert sich Petersen nur zu gut. Bei den Deutschen stehe der Spielfluss im Fokus, weshalb strittige Szenen immer wieder mit genau diesem Ziel eben nicht unterbrochen werden. "Die Japaner pfeifen streng nach dem Regelbuch", so Petersen. Dadurch werde das Spiel viel häufiger unterbrochen.
"Deutsche Schiedsrichter haben ein robustes Erscheinungsbild"
Dass Deutsche in der Vergangenheit in Japan Pflichtspiele leiteten, ging auch an Nagamine und Ohashi nicht vorbei. Dabei fiel Nagamine auf, dass "deutsche Schiedsrichter verhältnismäßig groß" seien und "schon ein sehr robustes Erscheinungsbild" hätten. Etwa Stegemann (1,89 Meter) oder Brych (1,85), die sie kennenlernen durften. Dabei hat er festgestellt, "dass sie nicht nur äußerlich stark, sondern auch selbstbewusst sind und eine beeindruckende Autorität darstellen". Merkmale, die auch live in Japan positiv aufgefallen sind. "Die Fußballfans in Japan waren zufrieden, weil die deutschen Schiedsrichter so gut gepfiffen haben, obwohl die Spiele überhaupt nicht einfach zu leiten waren", erinnert sich Nagamine.
Man wolle "kulturell voneinander lernen", erklärt Ohashi. Davon sollen nicht nur er und Nagamine am Ende profitieren. Sie wollen "ihre Erkenntnisse an die Kollegen in der Heimat weitergeben" - damit alle etwas davon haben.
Marc Eckstein