Die Kunstsammlung der privaten Bührle-Stiftung kommt nicht zur Ruhe, denn es ist mittlerweile unsicher geworden, ob sie dauerhaft in Zürich gezeigt werden kann. Seit 2021 präsentiert das Kunsthaus der Stadt in seinem neu errichteten Erweiterungsbau in wechselnden Konstellationen die rund 200 Werke des früheren Waffenfabrikanten Emil Georg Bührle, vor allem hochkarätige Gemälde des Impressionismus und Postimpressionismus. Dabei legt das Museum großen Wert darauf, die Herkunft und Geschichte dieser Leihgaben offenzulegen, da mindestens 62 Bilder zur Zeit des Nationalsozialismus jüdischen Sammlern gehörten. Der stiftungseigenen Provenienzforschung wurde von dem Berliner Historiker Raphael Gross nachgewiesen, dass sie gravierende Fehler begangen und internationale Standards nicht eingehalten hat. Deshalb plant das Kunsthaus ein auf fünf Jahre angelegtes Forschungsprojekt, um die Provenienzen der Werke von unabhängigen Experten untersuchen zu lassen. Kunsthistoriker halten einige Bilder wie etwa Claude Monets Ölbild „Mohnblumenfeld bei Vétheuil“ für NS-verfolgungsbedingte Vermögensverluste, was die Stiftung vehement bestreitet. Schon seit vielen Jahren fordern die Nachkommen der Opfer Gerechtigkeit und Wiedergutmachung in Form von Rückgaben oder Entschädigungen.
Nun hat die Bührle-Stiftung gegenüber dem Kunsthaus Zürich, der Stadt und dem Kanton eine maximale Drohkulisse aufgebaut. Bisher war in den Statuten der Stiftung festgelegt, dass die Sammlung „der Stadt Zürich“ erhalten bleiben müsse. Die sich selbst auferlegte Verpflichtung sollte garantieren, dass die Kunstwerke auf Dauer in Zürich ausgestellt werden. Doch dieser Passus wurde von der Stiftung ohne Beratungen mit dem Museum und der Stadt aus der Satzung getilgt. Mit einem Federstrich hat sich die Stiftung die Option verschafft, nach dem Ende des bestehenden Leihvertrags im Jahr 2034 Zürich den Rücken zu kehren und die Sammlung komplett abzuziehen. Zwar betont das Kunsthaus gegenüber der F.A.Z, dass der Leihvertrag die nächsten neun Jahre seine Gültigkeit behalten werde. Doch wenn der Stiftung die vertiefende Untersuchung zur Herkunft der Bilder und zu den Schicksalen ihrer ehemaligen Eigentümer nicht passt, kann sie schon jetzt Verhandlungen mit anderen Städten und Museen aufnehmen, um einen alternativen Ausstellungsort für die Zeit nach 2034 zu suchen.
Würde die belastete Sammlung wirklich überall in der Welt aufgenommen werden?
Ann Demeester, die Direktorin des Kunsthauses, steht unter massivem Druck der Politik und Schweizer Medien. Man kann gespannt sein, ob sie ihren kritischen Kurs der historischen Aufarbeitung der Sammlung beibehält, hat sie sich doch 2023 offiziell dazu verpflichtet, NS-Raubkunstwerke nicht weiter in ihrem Haus auszustellen. Falls die Bührle-Stiftung die Zusammenarbeit mit Zürich aufkündigt, wären die 206 Millionen Franken für den Erweiterungsbau mehr oder weniger umsonst ausgegeben worden, da das Gebäude in erster Linie für die Sammlung Bührle errichtet wurde.
Und was würde dann mit den Bildern geschehen? Die Neue Zürcher Zeitung meint: „Viele Museen der Welt wären noch so froh, die Werke bei sich aufnehmen zu können.“ Dies kann bezweifelt werden, denn jedes potentielle Museum wird sich bewusst sein, dass es ein vergiftetes Angebot bekommt. Der Makel der NS-Raubkunst wird weiterhin an der Sammlung Bührle haften, solange die Stiftung sich nicht ihrer Verantwortung stellt und die unabhängige Untersuchung der Herkunft ihrer Bilder nicht umfassend unterstützt. Ansonsten wird diese Werke wohl niemand haben wollen, seien sie auch noch so wertvoll.

vor 2 Tage
2











English (US) ·