Der ARD-Korrespondent Frank Aischmann muss Russland verlassen. Das Außenministerium in Moskau gab ihm bis Mitte Dezember Zeit, seine Akkreditierung abzugeben, bestätigte der deutsche Sender am Mittwochnachmittag. Neben Aischmann verliert auch der technische Mitarbeiter Sven Feller seine Akkreditierung und das ARD-Studio Moskau damit einen zweiten deutschen Mitarbeiter. Nur vom Außenministerium akkreditierte Journalisten können in Russland arbeiten.
Das russische Außenministerium stellte die Entscheidung als Vergeltungsmaßnahme dar: Zuvor hatte der russische Staatssender Erster Kanal berichtet, dass zwei seiner Journalisten Berlin verlassen müssten, der Korrespondent Iwan Blagoj und der Kameramann Dmitri Wolkow. Blagoj hatte selbst im Ersten Kanal von einer zehnseitigen Entscheidung der deutschen Behörden gesprochen, die ihm am Dienstag zugestellt worden sei. Ihnen sei bis Mitte Dezember Zeit gegeben worden, Deutschland zu verlassen.
Der Erste Kanal ist von Sanktionen der EU betroffen
Wegen des „von den deutschen Behörden verhängten Aufenthalts- und Arbeitsverbots“ für die Mitarbeiter des Ersten Kanals sei das russische Außenministerium gezwungen gewesen, „gegen die Journalisten des Moskauer Büros der deutschen Mediengruppe ARD vorzugehen“, sagte Ministeriumssprecherin Maria Sacharowa während eines Briefings in Moskau. Russland sei grundsätzlich bereit, mögliche Akkreditierungen neuer ARD-Mitarbeiter in Russland zu erwägen. Dafür müsse die deutsche Regierung zuvor aber dafür sorgen, dass das Berliner Büro des russischen Ersten Kanal wieder voll funktionsfähig werde.
Der Erste Kanal steht wie andere staatstreue russische Medien unter EU-Sanktionen. In der Europäischen Union darf ihr Programm nicht verbreitet werden, weder über Kabel noch über Online-Portale. Die Internetseite des Ersten Kanals ist in EU-Ländern blockiert. Russland nutze diese Medien für Desinformationskampagnen und um gezielt Propaganda zu verbreiten, heißt es in der Begründung aus Brüssel. Allerdings dürfen russische Journalisten in der Europäischen Union weiterhin arbeiten, recherchieren und Interviews führen.
Russische Journalisten könnten frei berichten, sagt das Auswärtige Amt
Insofern widerspricht das Auswärtige Amt auch der anfänglichen Behauptung des Ersten Kanals, sein Berliner Büro sei geschlossen worden. „Die Bundesregierung hat das Büro dieses Senders nicht geschlossen“, sagte ein Ministeriumssprecher in Berlin. Russische Journalisten könnten in Deutschland frei und ungehindert berichten. Er könne nur mutmaßen, dass es um das Aufenthaltsrecht gehe – dies sei aber Sache der Bundesländer. „Wenn man aufenthaltsrechtliche Vorgaben nicht erfüllt, dann hilft es auch nichts, sich als Journalist beruflich zu betätigen“, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit.
Der Erste Kanal blendet in seinem Bericht über das Berliner Büro ein Dokument ein, auf dessen Briefkopf der Absender „Landesamt für Einwanderung“ und „Berlin“ zu erkennen ist, mehr nicht. Die Entscheidung werde mit sicherheitspolitischen Interessen der Bundesrepublik Deutschland begründet, sagt der russische Korrespondent. Dann wird auf Russisch aus dem Dokument zitiert, die öffentliche Meinungsbildung in Europa sei gefährdet. Der zehnseitige Text verweise auf EU-Sanktionsrecht, so Blagoj. Danach werden Auszüge aus seiner Berichterstattung gezeigt, zum Beispiel darüber, wie das ukrainische Militär angeblich auf Zivilisten zielt, oder von Massenprotesten, Bankrottfällen und Kündigungswellen in Deutschland.
Das Berliner Landesamt für Einwanderung ist für Aufenthaltsgenehmigungen zuständig – und dafür, sie zu entziehen. Die Bundesregierung verweist auf den föderalen und eigenständigen Charakter dieser Behörde. Diese sehe die Grundlage für die Aufenthaltserlaubnis aufgrund der Sanktionsbestimmungen nicht mehr für gegeben, heißt es aus der Bundesregierung. Allerdings gebe es noch eine Einspruchsfrist, die der russische Staatssender nutzen könne.
Die Ausweisung der beiden ARD-Journalisten sei unverhältnismäßig, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes. Man sehe das Vorgehen Russlands insbesondere gegen inländische, aber auch gegen ausländische Journalisten mit großer Besorgnis. Westliche Journalisten arbeiten unter immer schwierigeren Bedingungen in Russland, müssen ihre Akkreditierung inzwischen alle drei Monate erneuern.