Präsidentschaftswahl in Polen: Die Angst vor den Rechten zieht nicht mehr

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Der knappe Sieg des liberalen Präsidentschaftskandidaten ist ein Warnsignal: Bei der Stichwahl entscheiden Anhänger von Radikalen und Unentschiedene über Polens Zukunft.

19. Mai 2025, 16:18 Uhr

 Wahllokal in Gdańsk am 18. Mai
Wahllokal in Gdańsk am 18. Mai © [M] Mateusz Slodkowski/​AFP/​Getty Images

Es ist nicht alles beunruhigend an dieser polnischen Präsidentschaftswahl, aber man muss die guten Nachrichten schon suchen. Hier ist eine: Im ersten Wahlgang hat sich der liberale Rafał Trzaskowski von der Bürgerplattform (PO) durchgesetzt. Trzaskowski ist Warschauer Oberbürgermeister, überzeugter Europäer, spricht fünf Sprachen und hat Regierungserfahrung. Er dürfte der polnische Präsident sein, den sich Friedrich Merz in Berlin oder Ursula von der Leyen in Brüssel wünschen würden. Und damit ist die Suche nach ermutigenden Signalen auch schon zu Ende.

Denn trotz eines aufreibenden Wahlkampfs, der ihn durch polnische Kleinstädte und Dörfer führte, hat Rafał Trzaskowski nur sehr knapp gewonnen, mit nicht einmal zwei Prozentpunkten Vorsprung. Wenn Polen am 1. Juni in der Stichwahl seinen Präsidenten wählt, könnte Trzaskowskis Herausforderer Karol Nawrocki gewinnen, den die rechte PiS aufgestellt hat.

Nawrocki war bis vor Kurzem in Polen unbekannt, weil er gar kein Politiker ist, sondern Historiker und ein Ex-Profiboxer mit einer undurchsichtigen Vergangenheit. Doch selbst er, der einen Skandal wegen einer unseriös gekauften Wohnung überstehen musste und in diesem ersten Wahlgang das schlechtere Ergebnis vorzuweisen hat, das je ein Kandidat der PiS erzielte, ist für Rafał Trzaskowski eine echte Gefahr. Jene, die vor anderthalb Jahren für die liberalkonservative Regierungskoalition gestimmt haben, haben zumindest teilweise genug von ihr. 20 Prozent jener, die bei der Parlamentswahl 2023 für sie gestimmt haben, blieben dieses Mal zu Hause.

Die Rechtsextremen gewinnen nun auch in Polen

Der Blick auf das Wahlergebnis offenbart einen beunruhigenden Trend: Die Rechtsextremen gewinnen nun auch in Polen. Neben den 6,3 Prozent der Stimmen für Grzegorz Braun, einen Antisemiten und EU-Hasser, erhielt Sławomir Mentzen 14,81 Prozent der Stimmen. Der 38-jährige Unternehmer ist ultralibertär und will am liebsten den Staat zurückdrängen – außer, wenn es um Migration und Abtreibung geht. Mentzen will Zuwanderung von Muslimen verbieten sowie ein striktes Verbot von Abtreibungen, selbst nach Vergewaltigungen.

Damit sind über 20 Prozent der Polen bereit, für Rechtsextreme zu stimmen – hinzukommen fast 30 Prozent, die für einen Kandidaten der rechten PiS abstimmten, der viel radikaler sein könnte als sein Vorgänger im Präsidentenamt.

Polen, das Land der überzeugten EU-Befürworter, stimmt für Männer wie Grzegorz Braun, der zwar im Europäischen Parlament sitzt, aber kürzlich auf einer EU-Fahne herumtrampelte; für Männer wie Sławomir Mentzen, der Schwangerschaften als Folge einer Vergewaltigung eine "Unannehmlichkeit" nennt. Für Männer wie Karol Nawrocki, dessen Vorstellung eines starken Polens auf einer möglichst schwachen EU beruht.

Damit ist Polen jedoch kein Außenseiter, sondern liegt im europäischen Trend: Eine sich radikalisierende Ungeduld mit dem, was verächtlich als politisches Establishment wahrgenommen wird, macht sich breit. Dazu zählt auch der Europäer Rafał Trzaskowski. Er ist eigentlich links, stand im Wahlkampf aber für rechte Positionen ein. Er ist eigentlich stellvertretender Vorsitzender der PO, tut aber alles, um bloß nicht mit der Regierungspartei in Zusammenhang gebracht zu werden.

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