Auf dem Nato-Treffen in Brüssel lässt sich der US-Verteidigungsminister Pete Hegseth nur kurz blicken. Dabei wurden dort die Weichen gestellt für mehr Geld und Waffen.
5. Juni 2025, 20:00 Uhr
Pete Hegseth hat nicht viel Zeit. Zum Treffen der Nato-Verteidigungsminister in Brüssel an diesem Donnerstag reist er erst am Vorabend an. Zu spät für das Treffen der Ukraine-Unterstützerstaaten am Mittwochnachmittag. Das hat für ihn der amerikanische Nato-Botschafter übernommen. Und Hegseth muss auch schnell wieder los. Schon um 12.25 Uhr eilt er am Donnerstag wieder vorbei an den Flaggenstandarten in der Vorhalle des Nato-Hauptquartiers und steigt unter dem Knattern eines Hubschraubers zurück ins Auto.
Die Nachmittagstermine – ein Treffen des Nato-Ukraine-Rates und ein Treffen der Nuklearen Planungsgruppe der Nato – überlässt er ebenfalls dem Botschafter. Dessen Presseleute berufen sich auf den dichten Zeitplan des Ministers. Und Nato-Generalsekretär Mark Rutte, stets bemüht, jeden Anschein amerikanischen Desinteresses an der Nato zu vermeiden, beschwichtigt: Da die Treffen ja meist in Europa stattfänden, sei es eben für die Amerikaner schwierig, immer zu kommen.
Dabei ist dieses Nato-Verteidigungsministertreffen ein bedeutsames. Eines, das die Weichen stellt für die Aufrüstung Europas in den kommenden Jahren. Und eines, das erste Fakten schafft für den mit großer Nervosität erwarteten Nato-Gipfel in Den Haag am 24. und 25. Juni, der erste unter Donald Trump 2. Der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius nennt das Brüsseler Treffen schon bei seiner Ankunft "historisch". Auch Nato-Generalsekretär Mark Rutte wird bei der Abschlusspressekonferenz am Abend dieses Wort gebrauchen.
Während Friedrich Merz sich am Donnerstag erstmals mit Donald Trump traf, in großer Mission, die transatlantischen Beziehungen, wenn nicht zu retten, so doch lebbar zu machen, arbeiten die Verteidigungsminister in Brüssel an der militärischen Konkretion dieses Verhältnisses. Und daran, dass der Nato-Gipfel im Juni ein Erfolg wird.
Nato beschließt Fähigkeitsziele
Beschlossen wurden auf dem Gipfel neue Fähigkeitsziele. Was technisch klingt, ist politisch und militärisch sehr relevant – und auch ziemlich umstritten. Mit den Fähigkeitszielen legt die Nato fest, welche Mitgliedstaaten welche Waffensysteme für einen möglichen Verteidigungsfall und zur Abschreckung anschaffen oder vorhalten müssen und welche Truppen sie stellen. Die genauen Pläne sind geheim, schließlich, so sagt es Pistorius, wolle man ja nicht, dass Putin so genau weiß, was die Nato alles hat und kann. Konkret genannt werden nur die Bereiche: Luftverteidigung, Langstreckenraketen, und alles, was man braucht, um Truppen schnell zu verlegen. Klar ist aber: Die Nato rüstet stark auf. Die Mitgliedstaaten werden mehr Geld für die Verteidigung ausgeben, viel mehr.
Politisch relevant ist das Aufrüstungsprogramm aus drei Gründen. Der erste: Die "Fähigkeitsziele" leiten sich aus einer gemeinsamen Analyse der Bedrohungslage ab. Die Nato sieht als zentrale Bedrohung Russland, so ist es seit Jahren in allen öffentlichen Strategiepapieren verankert. Aus europäischer Perspektive mag das offensichtlich erscheinen. Aus amerikanischer nicht mehr. Nur wenige Tage vor dem Nato-Verteidigungsministertreffen in Brüssel hat Hegseth auf einer internationalen Sicherheitskonferenz in Asien gesprochen, beim Shangri-La-Dialog. Dort sagte er: "Jetzt, da unsere Alliierte einen Teil der Last tragen, können wir unseren Fokus auf den Indopazifik schärfen: die für uns wichtigste Region."
Die Amerikaner wollen sich weniger in Europa engagieren. Das ist im Prinzip nicht neu. Schon der frühere US-Präsident Barack Obama hat von einer "Wende nach Asien" gesprochen. Jetzt trifft es die Europäer aber anders, in einer Phase, in der sie abhängig von der amerikanischen Unterstützung im Ukrainekrieg sind. Jetzt haben die Amerikaner den neuen Rüstungszielen der Nato zugestimmt, die sich an der russischen Bedrohung ausrichten. Und damit indirekt bekräftigt, dass Russland für Europa eine Gefahr ist.