Bei einer Entscheidung für Boris Pistorius als Kanzlerkandidaten hätte die SPD nach Einschätzung von Forsa-Gründer Manfred Güllner in der jüngsten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts deutlich zulegen und die AfD als zweitstärkste Kraft überholen können. „Mit 21 Prozent wäre die SPD zwar nicht stärkste, aber immerhin zweitstärkste Partei“, sagte der Meinungsforscher der „Augsburger Allgemeinen“ (Mittwochausgabe) laut Vorabbericht.
„Insofern dürfte es aus rein wahlarithmetischer Sicht ein Fehler sein, Pistorius nicht als Kanzlerkandidaten aufzustellen“, so Güllner. Mit Pistorius als Kanzlerkandidat würde die Partei laut aktuellem RTL/ntv-Trendbarometer sechs Prozentpunkte mehr erhalten als mit Scholz. In der jüngsten Forsa-Umfrage kommen die Sozialdemokraten nur noch auf 15 Prozent.
Die Umfragen zeichneten ein klares Bild, sagte Güllner der Zeitung. „Nach drei Jahren Regierung in der Ampelkoalition befinden sich die SPD und das Vertrauen zu Kanzler Olaf Scholz auf einem absoluten Tiefpunkt.“ Es erscheine unwahrscheinlich, dass dieses Vertrauen in den wenigen Wochen bis zur Wahl zurückgewonnen werden könne. „Die SPD bräuchte dafür ein Wunder, doch die gibt es in der Politik selten.“
Umfrage: 84 Prozent der SPD-Mitglieder glauben nicht an Wahlsieg
Eine große Mehrheit der SPD-Mitglieder glaubt auch nicht an einen Wahlsieg. Nur 14 Prozent sind der Meinung, ihre Partei werde am 23. Februar vor allen anderen Parteien landen. Das ergibt sich aus einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa für das „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ (RND).
Im Juli seien noch 31 Prozent der Mitglieder der Ansicht gewesen, dass die Partei bei der nächsten Bundestagswahl wieder stärkste Kraft werden könnte, nun rechnen laut Forsa 84 Prozent nicht damit, zwei Prozent werden unter der Rubrik „Weiß nicht“ geführt.
Ein Ergebnis von über 25 Prozent wie 2021 hält nur noch eine winzige Minderheit für möglich: Neun Prozent. 56 Prozent rechneten damit, dass die SPD bei der Wahl weniger als 20 Prozent bekommen werde. Forsa befragte am 21. und 22. November 1030 Mitglieder - 453 am 21. November vor der Absage von Verteidigungsminister Boris Pistorius an eine SPD-Kanzlerkandidatur und seiner Empfehlung für Olaf Scholz am Donnerstagabend und 577 Mitglieder danach. Der Kanzler wurde am Montag vom SPD-Vorstand für die erneute Kandidatur nominiert.
Während im Sommer noch 61 Prozent der SPD-Mitglieder ihrer Partei dazu rieten, nach der nächsten Bundestagswahl die Oppositionsrolle zu übernehmen, befürworten das inzwischen nur noch 42 Prozent. Eine Mehrheit von 55 Prozent meint nun, die SPD solle mit CDU und CSU wieder eine große Koalition bilden.
Auch Merz „kein echtes Zugpferd“
Wie Scholz habe aber auch CDU-Spitzenkandidat Friedrich Merz Probleme, die Wähler zu mobilisieren, sagt Güllner. Beide Kandidaten seien „keine echten Zugpferde“, die Begeisterung auslösen könnten. „Wenn man den Unmut über die Ampel bedenkt, müsste die CDU eigentlich weit über 35 Prozent liegen, doch Merz kommt dafür einfach zu schlecht in der Bevölkerung an“, sagte der Forsa-Gründer. Der Mangel an überzeugenden Alternativen könne am Ende die AfD stärken.
Auch Grüne und FDP gehen laut Güllner mit großen Zustimmungsproblemen in den Wahlkampf. „Viele Wähler dürften es für eine Zumutung halten, dass alle Ampelparteien mit den gleichen Spitzenleuten antreten.“
Für die FDP sei die Lage prekär: Sie habe vor allem den Mittelstand enttäuscht, der auf konkrete Entlastungen bei Steuern, Abgaben und vor allem Bürokratie gehofft habe. „Hier hat die FDP ihr Klientel regelrecht verbittert“, sagte der Meinungsforscher. Auch die Grünen, die einst auf dem Weg zur Volkspartei schienen, seien auf ihre Kernwählerschaft zurückgefallen. „Die Spitzenkandidaten Lindner und Habeck stehen wie Scholz für die Fehler der Ampel – und das nehmen die Wähler sehr wohl wahr.“ (Reuters)