Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) hat Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) für seine Einflussnahme auf Risikobewertung des Robert Koch-Instituts (RKI) in der Endphase der Coronapandemie kritisiert. „Karl Lauterbach hat die Öffentlichkeit offensichtlich belogen, als er erklärte, dass das RKI völlig frei von politischer Einflussnahme entscheiden konnte“, sagte Kubicki dem Tagesspiegel.
„Lauterbach hat ‚die‘ Wissenschaft für seine eigenen Interessen instrumentalisiert und hat damit dem Vertrauen in die Institutionen unseres Staates erheblich geschadet“, sagte Kubicki. „Ich halte ihn für die schlimmste Fehlbesetzung in diesem Amt.“
Angesichts der Omikron-Variante, die zu milderen Krankheitsverläufen führte, wollte der damalige RKI-Präsident Lothar Wieler die Risikobewertung für das Coronavirus im Februar 2022 von „sehr hoch“ auf „hoch“ runterstufen. Dass das Bundesgesundheitsministerium als Aufsichtsbehörde des RKI dies untersagte, war bereits im vergangenen Sommer deutlich geworden, als das RKI die Protokolle seines Krisenstabs veröffentlichte.
„Falsches Signal“ vor Ministerpräsidentenkonferenz
Ein Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ zeigt nun, mit welchen Argumenten Lauterbach persönlich in E-Mails an Wieler die Herabstufung der Corona-Gefahr verhinderte. Demnach war Lauterbach unter anderem angesichts der hohen Fallzahlen gegen diesen Schritt. Er erklärte jedoch auch, eine Herabstufung sei vor einer anstehenden Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) am 16. Februar „das falsche Signal“, was man als politisches Argument werten könnte.
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Lauterbach verteidigte das Vorgehen am Mittwochabend bei X: „Hätten wir im Februar 2022 die Risikostufe bereits herabgesetzt, als zum Teil noch hunderte Menschen am Tag an Covid gestorben sind, wäre das ein Fehler gewesen“, schrieb er. Daher hätten das RKI und das Bundesgesundheitsministerium die Herabstufung damals zu Recht verschoben.
Seine Einflussnahme hält Lauterbach im Rahmen seiner Fachaufsicht über das RKI für gerechtfertigt. Allerdings hatte Lauterbach bevor die Protokolle des RKI-Krisenstabes öffentlich wurden mehrfach behauptet, dass das RKI seine Einschätzung der Corona-Gefahr völlig unabhängig getroffen habe. „In die wissenschaftlichen Bewertungen des Instituts mischt sich die Politik nicht ein, ich auch nicht“, sagte Lauterbach etwa im Frühjahr 2024.
Ging es Lauterbach um die Impfpflicht?
„Dieser Vorgang ist zweifellos skandalös“, betonte Kubicki nun. Der FDP-Politiker glaubt, dass Lauterbach wegen der damaligen Debatte um eine Impfpflicht intervenierte. „Für mich ist klar, dass ein Deeskalationssignal aus dem RKI für Lauterbach problematisch gewesen wäre, als er versucht hat, den öffentlichen Druck in der Impfpflichtdebatte aufrechtzuerhalten“, sagte er.
Bereits nach Bekanntwerden der Protokolle des RKI-Krisenstabes hatte Kubicki deshalb einen Rücktritt von Lauterbach gefordert. Nun sagte er: „Damals wie heute gilt: Karl Lauterbach ist als Minister nicht tragbar.“
Dass eine Impfpflicht, die vom Bundestag nie beschlossen wurde, ein Fehler gewesen wäre, räumte Lauterbach vor gut einer Woche in der ARD-Sendung „Hart aber fair“ ein. „Er hat sich nie bei mir bedankt“, kommentierte Kubicki, der damals zu den größten Gegnern dieser Maßnahme gehörte.