„Normal, dass nicht alle zustimmen“: Merz sieht in seiner schwierigen Kanzlerwahl kein Zeichen des Misstrauens

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Der neue Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hat seine Niederlage im ersten Durchgang bei der Kanzlerwahl im Bundestag nicht als Zeichen des Misstrauens der Regierungsfraktionen bewertet. Der Tag im Parlament sei „ein ehrlicher Tag“ gewesen, sagte Merz am Dienstagabend im ARD-„Brennpunkt“. Die Mehrheit im zweiten Wahlgang sei aber „ein Vertrauensbeweis der Koalition“ gewesen, fuhr er fort. „Ich habe keinen Zweifel, dass wir in dieser Koalition vertrauensvoll zusammenarbeiten werden“. Es habe trotz der Abweichung vom ursprünglichen Zeitplan „einen ordentlichen, stilvollen Regierungswechsel“ gegeben.

Merz war am Dienstag erst im zweiten Wahlgang vom Bundestag zum Bundeskanzler gewählt worden. Dies hat es in der Geschichte der Bundesrepublik noch nie gegeben. Im ersten Wahlgang hatte er 310 Stimmen erhalten, sechs weniger als nötig. Im zweiten Wahlgang stimmten schließlich 325 Abgeordnete für ihn. Union und SPD haben zusammen 328 Sitze im Bundestag.

Dass es überhaupt zu einem zweiten Wahlgang kam und dafür die Fraktionen eine Ausnahme der Geschäftsordnung beschlossen haben, sei ein „Beweis, dass wir eine stabile parlamentarische Demokratie haben“. Es sei „normal, dass nicht alle zustimmen“, sagte Merz zum Ergebnis des ersten Wahlgangs. Die Verfassung habe für diesen Fall Vorkehrungen getroffen. Alle Fraktionen hätten in einem „einstimmigen Konsens“ eine Fristverkürzung ermöglicht und somit den Weg für eine zweite Abstimmung freigemacht, sagte Merz.

Merz sagte weiter, er wolle nicht mutmaßen, wer ihm die Stimme warum verweigert habe. „Die Motive kenne ich nicht und werde sie vermutlich nie kennenlernen“, sagte er. Die Abstimmungen waren geheim, die Abweichler daher nicht bekannt. Das Entscheidende, so Merz, sei, dass sich die Koalition nun an die Arbeit machen könne.

Bei der Amtsübergabe im Kanzleramt sprach Merz zuvor von Überraschungen. „Was für ein Tag – mit einigen Überraschungen“, so Merz. Es sei nun aber „gut, dass Deutschland wieder eine Bundesregierung mit einer parlamentarischen Mehrheit hat“. Seine Regierung aus Union und SPD werde „eine Koalition aus der Mitte des politischen Spektrums“.

Lobende Worte fand er zudem für SPD-Vorgänger Olaf Scholz. „Sie haben Deutschland in dieser Zeit auf Kurs gehalten und am Ende die richtigen Entscheidungen getroffen“, sagt Merz vor der Belegschaft des Kanzleramts. Scholz habe nach dem russischen Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 „eine der wirklich großen Regierungserklärungen“ eines Bundeskanzlers gehalten. Mit dem Begriff „Zeitenwende“ habe Scholz ein Wort geprägt, das in vielen Sprachen übernommen worden sei. Scholz habe auch in der Corona-Pandemie die richtigen Entscheidungen getroffen.

Sein SPD-Vorgänger Olaf Scholz sagte bei dem Termin, bei seiner Amtsübernahme vor dreieinhalb Jahren habe ihm die damalige Kanzlerin Angela Merkel (CDU) gesagt, „man wisse in diesem Amt beim Aufstehen nicht, was bis zum Abend passieren würde.“ Scholz fügte an: „Recht hatte sie, das hat nicht nur der heutige Tag bewiesen.“ (AFP, Reuters, dpa)

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