Ein Mann testet eine Rutsche, fliegt umgeben von Wasserspritzern über dem Auffangbecken durch die Luft: Die Szene könnte in einem beliebigen Schwimmbad oder Aquapark spielen – wäre da nicht der Zuschauer, der neben dem Becken auf einem gepolsterten Klappstuhl sitzt und die Situation beobachtet. Denn dabei handelt es sich um Kim Jong Un.
Der nordkoreanische Diktator versucht es wieder einmal mit Freizeitpropaganda: Fotos der staatlichen Nachrichtenagentur KCNA zeigen Kim gut gelaunt zusammen mit seiner Tochter Kim Ju Ae am Strand von Wŏnsan und bei der Begutachtung eines Vergnügungsparks. Kim ließ die Küstenstadt in ein Touristenzentrum umbauen.

Kim mit Tochter (Zweite von links) und Frau im Freizeitpark
Foto: AFPAb dem 1. Juli soll es für inländische Gäste geöffnet werden. Wie viele tatsächlich kommen werden, ist nicht klar. Die meisten Menschen in Nordkorea leben in Armut und werden sich eine solche Reise nicht leisten können.
Kim ist gefürchtet für seine brutale Herrschaft; Menschen werden in dem Land öffentlich hingerichtet , in Internierungslagern gefangen gehalten, Millionen Menschen leiden Hunger.

Familie Kim: Ausblick auf die Touristenstadt samt Spaßbad
Foto: APDa wirkt das neue Spaßbad in Wŏnsan wie ein etwas hilfloser Versuch der Ablenkung. Seht her, wenn wir unseren Leuten solchen Freizeitspaß bieten, kann es doch gar nicht so schlimm sein, wie unsere Feinde behaupten – das könnte die gewünschte Botschaft sein. Das Regime versucht nicht zum ersten Mal, auf diese Weise Propaganda zu betreiben statt immer nur mit Paraden, militärischen Machtdemonstrationen und martialischer Rhetorik. Eine Auswahl:
Skifahren in Nordkoreas Bergen
Kim Jong Un gilt als begeisterter Skiläufer. In einem Staat, der so sehr wie kaum ein anderer auf seinen Machthaber ausgerichtet ist, liegt ein Skiresort also nahe. 2013 wurde am Masik-Pass ein Prestigeprojekt des Diktators eröffnet, 110 Pistenkilometer soll es haben. Kritiker mutmaßten damals, das Resort könnte vor allem von Kim und seiner Gefolgschaft genutzt werden. Nur ein winziger Bruchteil der geschätzten rund 26 Millionen Nordkoreanerinnen und Nordkoreaner könne wohl Skifahren, hieß es damals in Berichten.

Ein selbst gebauter Skilift für Kim
Foto: REUTERS/ YonhapKim lebte in jungen Jahren in der Schweiz. Das könnte seine Leidenschaft zum Wintersport erklären. Der Diktator verknüpfte große Erwartungen mit der Eröffnung des Resorts. Immerhin trotzte man dafür sogar internationalen Sanktionen, die etwa einen Deal mit der Schweiz platzen ließen, um Skilifte in das isolierte Land zu schaffen. »Wir können Atomwaffen und Raketen bauen«, sagte damals Kim Tae Yong, Chef des nordkoreanischen Skiverbands. »Wir können auch einen Skilift bauen.«
Durch die neuen Trainingsmöglichkeiten sollte binnen Jahren ein Skiweltmeister aus Nordkorea kommen, sagte Kim bei der Eröffnung im Jahr 2013. Daraus wurde bislang nichts. Zu den Olympischen Winterspielen in Südkorea im Jahr 2018 entsandte das Regime dafür eine ganze Armada an Fans, die den wenig konkurrenzfähigen Athletinnen und Athleten zujubelten.
Das Größer-als-Stadion
Was Südkorea hat, will Nordkorea schon lange haben. So oder so ähnlich lässt sich wohl der Bau des Stadions des Ersten Mai in Pjöngjang erklären. Medienberichten zufolge erging der Auftrag des Regimes für das Stadion als Reaktion auf den Bau eines Olympiastadions in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul.

Nordkoreanische Neujahrsfeierlichkeiten im Stadion des Ersten Mai
Foto: Yonhap / YONHAPNEWS AGENCY / picture allianceSeit seiner Fertigstellung im Mai 1989 gilt der pompöse Bau als eines der größten Sportstadien der Welt. Genutzt wird es aber vor allem für propagandistische Zwecke; das Regime hält darin etwa die Inszenierung von Nationalfeiertagen oder Parteifeierlichkeiten ab. Aber auch die Arirang Mass Games finden in dem Stadion statt. Dabei handelt es sich um eine große Turnveranstaltung, die das Regime einst anlässlich der Geburtstage der Ex-Herrscher Kim Il Sung und Kim Jong Il ins Leben rief.
Die Kapazität des Stadions wurde einst mit 150.000 Zuschauern angegeben. Genutzt wurde es aber kaum bis gar nicht, ehe Kim Jong Un es ab 2014 umbauen ließ. Inzwischen ist von 114.000 Plätzen die Rede. Ein Reporter der englischen Zeitung »Guardian« schrieb 2015, es handle sich wohl eher um 80.000 Plätze .
Das »sozialistische Utopia«
Samjiyŏn lautet der Name einer neuen Stadt, die Diktator Kim Jong Un im Jahr 2019 in die Bergwelt nahe dem Berg Paektu setzen ließ. Nach Angaben der staatlichen Medien erwarteten die künftigen Bewohner und Besucher der Stadt ein »sozialistisches Utopia« mit Hotels, Skigebiet sowie Kultur- und Medizineinrichtungen.

Propagandamäßiges Reiten am Paektusan
Foto: AFP/STR/KCNA VIA KNSIn der Gegend um den in Nordkorea als heilig verehrten Berg verortet der Kim-Clan seine Wurzeln. Wenige Wochen vor der Eröffnung der Retortenstadt ritt Nordkoreas Diktator auf einem Schimmel am höchsten Berg des Landes und ließ sich dabei medienwirksam inszenieren.
Auch bei der Einweihung Samjiyŏns lichtete die Staatspresse Kim getreu ab, wie er festlich das rote Band durchtrennte. Im Nachgang blieb Samjiyŏn, so wie der Rest des Landes, erst einmal gesperrt für Touristen. Die Coronapandemie sei schuld, so das Regime. 2024 meldeten verschiedene Medien, darunter die Deutsche Welle , unter Berufung auf mit dem Regime in Kontakt stehenden Reiseunternehmen, dass sich das Land wieder für kleine Reisegruppen öffnen werde – und Samjiyŏn eines der ersten Ziele sein werde.

Samjiyŏn (Foto von 2019): Planstadt in den Bergen
Foto: KCNA VIA KNS/ AFPDas Auswärtige Amt rät indes »dringend« von Reisen nach Nordkorea ab . Es warnt vor Festsetzungen durch Sicherheitskräfte des Regimes, die im schlechtesten Fall zu langjährigen Haftstrafen oder Aufenthalten im Arbeitslager führen können. Den Reisebericht einer russischen Touristin, die 2024 in das Land gereist ist, lesen Sie hier .
Der TikTok-Hit
Selten kam die Propaganda eines mörderischen Regimes so gut gelaunt daher wie Nordkoreas »Friendly Father« (deutsch: freundlicher Vater) im Frühjahr 2024. Mit dem dazugehörigen Musikvideo gelang dem Regime ein TikTok-Erfolg. In dem mit euphorischem Gesang unterlegten Clip kann sich der angeblich höchst beliebte Diktator Kim Jong Un vor jubelnden Fans und Anhängern kaum retten. Zu sehen ist etwa, wie verschiedene Armeeangehörige Kim frenetisch feiern . Auch Medizinpersonal, Arbeiter, Schulkinder und Seniorinnen stimmen in den eher eintönigen Refrain ein: »Lasst uns Kim Jong Un lieben, ein freundlicher Vater«.
Der Song kam jedoch nicht überall gut an: Das benachbarte Südkorea verbot den fragwürdigen Song kurz nach dessen Erscheinen. Laut Seoul wurde er auf einem Kanal veröffentlicht, der sich hauptsächlich darauf konzentriert, »Kim einseitig zu vergöttern und zu verherrlichen«. Und schließlich gilt Kim durch Bündnisse etwa mit Kremlchef Wladimir Putin, den er mit Kämpfern für dessen Krieg in der Ukraine versorgt, als gefährlicher denn je. Mehr dazu lesen Sie hier .