Die Lage am Morgen Nimmt Trump die Nato in die Pflicht, falls Iran US-Ziele attackiert?
Heute geht es um die drohende weitere Eskalation im Nahen Osten. Um das israelische Vorgehen im Gazastreifen. Und um den bevorstehenden Nato-Gipfel.
23.06.2025, 05.44 Uhr
Gefährliche Optionen
Eskaliert die Lage im Nahen Osten noch weiter – oder kehrt Iran an den Verhandlungstisch zurück? Nachdem die USA in den Krieg Israels gegen Iran eingestiegen sind und US-Präsident Donald Trump sein Land in einen neuen Nahostkrieg gestürzt hat, beginnt nun eine entscheidende Woche.

Iranischer Außenminister Abbas Araghchi: Gefährlich geschwächt
Foto: Erdem Sahin / EPAMein Kollege Maximilian Popp analysiert die zwei Optionen , die Iran hat. »Beide sind gefährlich«, schreibt er. Option 1: Das militärisch stark geschwächte Land könnte sich auf Verhandlungen und einen Deal einlassen, der am Ende auf eine Kapitulation hinauslaufen würde. Dann, schreibt Max, könnte sich Iran womöglich vor weiteren Attacken der USA schützen. Zugleich stünde das Regime so schwach da, dass es jederzeit mit einem Umsturzversuch rechnen müsse.
Option 2: Iran eskaliert und greift US-Ziele in der Region an, etwa Militärstützpunkte oder Botschaften. Das Land könnte die ganze Region ins Chaos stürzen und auch die Weltwirtschaft empfindlich treffen. Etwa, wenn Iran die Straße von Hormus blockiert, die zentral ist für Öl- und Gasexporte. Steigende Preise wären die Folge (alle Entwicklungen hier im Newsblog).
Völlig unklar ist auch, wie Donald Trump reagieren würde, wenn Iran US-Ziele attackiert. Nimmt er dann womöglich die Nato in die Pflicht? In Europa ist die Sorge groß. »Wir rufen Iran dringend auf, keine weiteren Maßnahmen zu ergreifen, die die Region destabilisieren könnten«, schrieben Kanzler Friedrich Merz, der britische Premier Keir Starmer und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron gestern in einer gemeinsamen Erklärung. Sie drängen Iran zu Verhandlungen.
Das Statement kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Europäer nur Zuschauer sind. Bei der Lösung dieses Konflikts spielen sie kaum eine Rolle.
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Konsequenzen für Israel?
Angesichts der Lage in Iran rückt das Vorgehen der israelischen Regierung im Gazastreifen in den Hintergrund. Vergessen ist es aber nicht. Wenn heute die EU-Außenminister in Brüssel zusammenkommen, wird es auch um einen internen Prüfbericht gehen. Laut diesem verstößt Israel im Gazastreifen gegen die Grundsätze für eine enge Zusammenarbeit mit der EU (mehr dazu hier).

Männer transportieren Verletzten im nördlichen Gazastreifen
Foto: Mahmoud Issa / REUTERSDie EU-Außenminister hatten im Mai beschlossen, zu überprüfen, ob sich Israel an die Grundprinzipien des Assoziierungsabkommens mit der EU hält. Dieses Abkommen soll eine enge wirtschaftliche und politische Zusammenarbeit zwischen Israel und der EU ermöglichen. Es sieht beispielsweise Zollerleichterungen vor. Und es beinhaltet in Artikel 2 auch, dass die Vertragsparteien die Menschenwürde achten. Doch Israel lässt seit Monaten kaum noch Hilfsgüter in den Gazastreifen.
Soll das Abkommen deshalb ausgesetzt werden? Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im EU-Parlament, Terry Reintke, hatte das kürzlich gefordert. Außenminister Johann Wadephul (CDU) will dagegen an dem Abkommen festhalten. Eine Aussetzung gilt in Brüssel als sehr unwahrscheinlich. Möglich wären auch kleinere Schritte. Etwa einzelne Minister der israelischen Regierung zu sanktionieren und deren Vermögen einzufrieren oder eine Einreisesperre gegen sie zu verhängen. Womöglich bleibt es aber auch bei deutlicher Kritik.
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Mühsam erreichte Nato-Einigung
Kommt Donald Trump zum Nato-Gipfel in Den Haag – oder kommt er nicht? Dass diese Frage kurz vor dem Beginn des Treffens am Dienstag noch immer nicht sicher beantwortet ist, sagt viel über den Zustand des Bündnisses aus. Es herrscht große Unsicherheit darüber, ob der US-Präsident ohne Wenn und Aber zur Nato steht. Hinzu kommt, dass Trump nach dem Militärschlag gegen Iran vielleicht lieber in Washington, nahe am Situation Room, statt im fernen Europa weilt.

US-Präsident Donald Trump: Kommt er oder kommt er nicht?
Foto: White House / REUTERSGefallen dürfte dem US-Präsidenten, dass sich die 31 anderen Bündnisstaaten am Sonntag auf eine drastische Erhöhung ihrer Verteidigungsausgaben, konkret auf fünf Prozent ihrer Wirtschaftsleistung, geeinigt haben (zur Meldung geht es hier). Diese Zielmarke hatte Trump schon vor Monaten vorgegeben.
Nun ist Trumps Wunsch in der vorbereiteten Gipfelerklärung festgeschrieben, die mein Kollege Matthias Gebauer bereits lesen konnte. »Die Verbündeten sagen zu, bis 2035 jährlich fünf Prozent ihrer Wirtschaftsleistung in die zentralen Verteidigungsaufgaben sowie in verteidigungs- und sicherheitsrelevante Ausgaben zu investieren, um die individuellen und gemeinsamen Verpflichtungen abzusichern«, heißt es im zweiten Absatz. Damit niemand schummelt, sollen die Alliierten jährlich konkrete Steigerungszahlen vorlegen.
Doch wie tragfähig ist die mühsam erreichte Einigung? Bis zuletzt hatte Spanien gezögert, dem Entwurf für die Abschlusserklärung zuzustimmen. Per Brief hatte Premier Pedro Sánchez Ende der Woche sogar ein handfestes Veto bei Nato-Generalsekretär Mark Rutte eingelegt.

Spaniens Premier Pedro Sánchez: Unterschiedliche Lesarten
Foto: Moncloa Palace / EPAÜbers Wochenende bearbeiteten die 31 anderen Nato-Partner die Spanier. Dabei wurde das Szenario eröffnet, dass sich der US-Präsident aus der Nato zurückziehen könnte, wenn die anderen Partner kein klares Bekenntnis zum neuen Ausgabenziel abgeben. In einer Runde fiel der Satz: »Die Sicherheit Europas hängt von euch ab!«
Am Sonntagabend erhob Madrid keinen Widerstand mehr gegen das Papier. Premier Sánchez verkündete allerdings: Der Wunsch der Mehrheit im Bündnis, sich drastisch höheren Verteidigungsausgaben zu verpflichten, sei mit dem Recht Spaniens in Einklang gebracht worden, dies nicht tun zu müssen. Er bleibt also bei seiner Linie: Madrid fühlt sich nicht an die Fünf-Prozent-Linie gebunden.
Die völlig konträren Lesarten des Gipfel-Deals dürften noch für reichlich Diskussionen sorgen. Dem US-Präsidenten jedenfalls dürfte die Idee vom spanischen Sonderweg gar nicht gefallen.
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...sind die fast 270.000 Menschen, die 2024 als besonders langjährig Versicherte ohne Abschläge früher in Rente gegangen sind. Sie konnten nach mindestens 45 Beitragsjahren aufhören zu arbeiten, obwohl sie die Regelaltersgrenze für den Renteneintritt noch nicht erreicht hatten. Man gönnt es jedem Einzelnen von ihnen.

Rentner auf Usedom: Steigender Finanzbedarf
Foto: dts Nachrichtenagentur / IMAGOFür das Rentensystem und die Steuerzahler ist es jedoch alarmierend, dass so viele dieses Angebot, bekannt als »Rente mit 63«, in Anspruch nehmen. Die hohe Zahl von Frührentnern ist Teil einer größeren Welle der Babyboomer, die nun ins Rentenalter kommen. Diese geburtenstarken Jahrgänge lassen die Zahl der Rentenbezieher in die Höhe schnellen. Um das Rentenniveau stabil zu halten, wird der Finanzbedarf deutlich steigen.
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