War es das wert?
Der Empfang fiel bemerkenswert herzlich aus: Der US-Präsident ließ den roten Teppich ausrollen, Kampfjets in Formation fliegen, er klatschte für Wladimir Putin, gab ihm lächelnd die Hand, nahm ihn sogar in seiner Präsidentenlimousine mit. Was man eben so macht mit einem Mann, der einen anderen Staat seit Jahren mit Bomben überzieht und Hunderttausende Menschenleben auf dem Gewissen hat, mit einem Despoten, gegen den es einen internationalen Haftbefehl wegen Kriegsverbrechen gibt.

Trump und Putin vor der Presse: Kein Deal, keine Details
Foto: Drew Angerer / AFPWar es das wert? Hat der amerikanisch-russische Gipfel von Alaska die Ukraine dem Frieden einen Schritt näher gebracht? Es sieht erst einmal nicht danach aus.
Die Gespräche endeten früher als geplant, zwar erschienen Trump und Putin im Anschluss zu einer gemeinsamen Pressekonferenz, doch außer schwer erträglichen Kumpeleien gab es dort nichts Konkretes zu hören. Von einem Deal war schon gar nicht die Rede (lesen Sie hier mehr zu den Zielen und Erwartungen vor dem Gipfel).
Trump sprach von »großartigen Fortschritten«, sagte aber nicht welche. Und er erwähnte den »wahrscheinlich bedeutendsten« Aspekt, bei dem man sich nicht habe einigen können. Meinte er eine Waffenruhe, die er zuvor noch zur Bedingung gemacht hatte? Fragen der Journalisten waren nach den vagen Statements nicht zugelassen. Höchst ungewöhnlich für den US-Präsidenten, der sich sonst so gern reden hört.
Und nun? Tump kündigte an, den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und die Nato-Verbündeten informieren zu wollen. Und die beiden Präsidenten deuteten an, dass es bald ein weiteres Treffen geben könnte, in Moskau, wenn es nach Putin geht. Einstweilen kann sich der Kremlherrscher freuen, dass Trump ihn aus der diplomatischen Isolation geholt und ihm eine große Bühne bereitet hat. Besser hätte es sich die russische Propaganda nicht ausdenken können.
In einem anschließenden Interview bei seinem Haus- und Hofsender Fox News sagte Trump, er gebe seinem Treffen mit Putin die Bestnote, »weil wir uns wunderbar verstanden haben«. Es liege nun an Selenskyj, einen möglichen Waffenstillstand zu erreichen. Er rate dem ukrainischen Präsidenten, einen Deal zu machen.
Meine Kolleginnen Ann-Dorit Boy (Kyjiw) und Christina Hebel (Moskau) sowie mein Kollege Marc Pitzke (Anchorage) haben den Ausgang des Gipfels für Sie analysiert:
Alle aktuellen Entwicklungen und Hintergründe lesen Sie hier:
Nähe zu Rechtsaußen
Die CDU in Koblenz lädt am Wochenende zum »Politischen Sommerempfang«. Nicht spannend? Klar, solche Termine gibt es im Land ohne Ende.
Auch Julia Klöckner will in Koblenz auftreten. Was soll’s? Die Christdemokratin kommt aus Rheinland-Pfalz, war lange Landesvorsitzende, kandidierte zweimal erfolglos für das Amt der Ministerpräsidentin.

Julia Klöckner im Bundestag: Fehlendes Fingerspitzengefühl
Foto: Katharina Kausche / dpaDas Fest findet auf dem Gelände des IT-Unternehmens von Frank Gotthardt statt. Gotthardt wird selbst anwesend sein und ein Grußwort sprechen.
Jetzt wird es interessant.
Gotthardt gehört zu den Hauptgeldgebern des rechtspopulistischen Onlineportals »Nius«. »Nius« wird vom ehemaligen »Bild«-Chefredakteur Julian Reichelt geleitet, dieser ist auch geschäftsführender Direktor in Gotthardts Medienunternehmen Vius, das »Nius« betreibt. Als Grund für sein Millioneninvestment nannte Gotthardt einmal, »dass unsere Medienlandschaft eine Ergänzung im konservativen Bereich braucht«. »Nius« solle einen Gegenpol darstellen »in einem heute noch unterbelichteten Bereich«.
Dass Klöckner die Nähe zu Gotthardt sucht, findet man beim Koalitionspartner und bei der politischen Konkurrenz problematisch. SPD-Abgeordnete reagieren irritiert, von den Grünen kommt Kritik. Immerhin hat Klöckner protokollarisch das zweithöchste Amt im Staat inne, als Bundestagspräsidentin sollte sie sich vor allem als engagierte Kämpferin für Parlament und Demokratie verstehen.
Nun aber stellt sich – nach den Debatten über Regenbogenflaggen, Kleiderordnung und Ansteckerverbot im Bundestag (lesen Sie hier mehr dazu) – wieder einmal die Frage nach dem politischen Fingerspitzengefühl Klöckners.
Die ganze Geschichte hier: Klöckner will mit »Nius«-Förderer feiern
Traumjob Hausfrau?
Hausfrau. Das klingt wenig glamourös, genau wie die Bilder, die man damit verbindet. Ganz anders inszenieren sich heute die »Tradwives« in den sozialen Medien: Das Styling ist auch am Herd perfekt, die Küche glänzt, die Zutaten sind frisch, die Kinder zuckersüß. Und klar, alles geht lächelnd von der Hand: backen, kochen, putzen, erziehen. Alles easy! Oh, schnell noch dem Bilderbuch-Hund neues Futter hinstellen.

Die neue Sehnsucht nach daheim
Foto:Laura Callaghan / DER SPIEGEL
Was ist da los? Wieso wird die Rückkehr zur Häuslichkeit zum Instagram-Trend? Wofür haben Feministinnen über Jahrzehnte gekämpft?
Es sind nicht nur rechte oder religiöse Kreise, die online ein Familienleben wie aus den Fünfzigerjahren zelebrieren und sich vom Bild der modernen Frau verabschieden (lesen Sie hier mehr über amerikanische Tradwives). Auch politisch unverdächtige Momfluencerinnen zeigen ihren Hunderttausenden Followern, wie sie dem Töchterchen einen Geburtstagskuchen in Einhornform backen oder Traumfänger basteln (und sie verdienen Geld damit).
Sieht ganz so aus, als gebe es eine neue Sehnsucht nach daheim, danach, weniger zu arbeiten und mehr Zeit zu haben, für die Kinder, für gesundes Kochen, für sich selbst. Für die SPIEGEL-Titelstory haben sich meine Kolleginnen Laura Backes und Deike Diening auf die Suche gemacht, was hinter dieser Sehnsucht steckt. Und welchen Anteil die Politik daran trägt.
Lesen Sie hier die SPIEGEL-Titelstory: Die neue Sehnsucht nach daheim
Und mehr Hintergründe hier: Legt die Regierung die Frauen auf die Hausfrauenrolle fest?
Hier geht’s zum aktuellen Tagesquiz
Noch mehr Rätsel wie Wordle, Wortsuche und Paarsuche finden Sie bei SPIEGEL Games.
Verlierer des Tages …
… ist die Bundeswehr. Bei einer Übung bei Ahrensbök in Schleswig-Holstein haben Soldaten auf einer Anhöhe eine Gefechtsstellung gebaut. Dafür rammten sie Pflöcke und Äste in den Boden und vergruben zahlreiche Sandsäcke. Dumm nur, dass die Anhöhe ein Grabhügel aus der Jungsteinzeit war, angelegt vor womöglich 5000 Jahren. Das Denkmal sei nun »teilzerstört«, heißt es vom Archäologischen Landesamt.

Sandsäcke im Jungsteinzeit-Grab: Ein Mitarbeiter des Archäologischen Landesamts buddelt Bundeswehr-Rückstände aus dem Denkmal aus
Foto: Markus Scholz / dpaDie Truppe bedauert den Vorfall und gelobt Besserung. Der Grabhügel sei für die Soldatinnen und Soldaten »aus unterschiedlichen Gründen leider nicht als historischer Grabhügel erkennbar« gewesen, erklärt das zuständige Landeskommando. Man werde aber die »inneren Abläufe und Vorbereitungen für einsatzvorbereitende Übungen noch einmal nachhaltig betrachten, um künftig konkret den Schutz von historischen Grabhügeln zu gewährleisten«.
Die jüngsten Meldungen aus der Nacht
Bundestagsvize Nouripour kann sich EU-Mitgliedschaft der Schweiz vorstellen: Donald Trumps Zollhammer gegen die Schweiz könnte für die EU eine Chance sein, glaubt Grünenpolitiker Omid Nouripour. Der Bundestagsvizepräsident legt der Bundesregierung nahe, Bern eine »Turbo-Mitgliedschaft« anzubieten.
Lehrerverband warnt vor Verbeamtungsstopp für Lehrkräfte: CDU-Generalsekretär Linnemann und der Bund der Steuerzahler haben sich zuletzt dafür ausgesprochen, neue Verbeamtungen auf hoheitliche Kernbereiche zu beschränken. Der Lehrerverband beklagt »Ideenlosigkeit und Unwissenheit«.
Missbrauch von Sechsjähriger – Tatverdächtiger gefasst: Ein Kind verschwindet aus dem Erlebnisbad Rulantica und wird später mutmaßlich missbraucht. Nach einer internationalen Fahndung haben die Behörden nun einen 31-jährigen Verdächtigen in Rumänien aufgespürt.
Heute bei SPIEGEL Extra: Armee der Herzensmenschen

Bousaaidi unterwegs in Frankfurt: »Du musst ins Krankenhaus gehen, Baba«
[M] DER SPIEGEL; Fotos: Mavin Ruppert / DER SPIEGEL
Mohamed Bousaaidi war früher Drogendealer in Frankfurt. Im Gefängnis entschied er, suchtkranken Menschen zu helfen. Heute ist er als »M069« in der Drogenszene unterwegs. Immer live dabei: seine Onlinecommunity .
Ich wünsche Ihnen ein wunderbares Wochenende.
Herzlich,
Ihr Philipp Wittrock, Autor im Hauptstadtbüro
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