News des Tages: Triage-Urteil, Shutdown in den USA, Chinas Solarparks

vor 4 Stunden 1

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1. Tria- oder Blamage?

Ich tippe diese Lage am Abend mit einer Hand. Heute Morgen ist mein linker Mittelfinger zwischen zwei Gehwegplatten (bevor Sie googeln: 25 Kilogramm) geraten. Argh. Mit 120 Metern pro Sekunde jagt der Schmerz (»Aua«) über das Rückenmark ins Gehirn. Das ist in etwa doppelt so schnell wie der taktile Reiz (»Ah, eine Gehwegplatte«). Wenn ich das physiologisch alles richtig verstanden habe, tut der Finger also schon weh, bevor das Hirn überhaupt weiß, was passiert ist. Zugegeben: Wirklich lebensgefährlich ist mein blutender Trümmerfinger natürlich nicht, der nette Unfallchirurg in der Ambulanz hat die Wunde genäht und mir zwischen zwei Stichen vom Krankenhaus in Bahnhofsnähe erzählt, wo potenziell tödliche Verletzungen durch Stich- oder Schusswaffen deutlich häufiger sind. Dort hätte ich mich wahrscheinlich hinten anstellen müssen.

Triage heißt das Prinzip – Ärztinnen und Ärzte entscheiden, wer zuerst behandelt wird, wenn nicht allen sofort geholfen werden kann. Klingt sinnvoll, oder? Nach welchen Kriterien aber ausgewählt wird, ist komplex: 2022, noch wütete Corona im Land, hatte der Bundestag ein Triage-Gesetz verabschiedet. Verboten wurde darin zum Beispiel, dass die Behandlung eines Patienten mit wenig Überlebenschancen abgebrochen wird, um einen anderen Verletzten mit besserer Prognose zu versorgen. Eine Gruppe von Notfallmedizinern hatte dagegen geklagt und heute Recht bekommen: Das Bundesverfassungsgericht hat das Triage-Gesetz gekippt (hier dazu mehr). Allerdings nicht wegen des Inhalts. Sondern wegen Formalia: Der Bund sei schlicht nicht zuständig. »Stattdessen droht jetzt ein Flickenteppich an Regelungen der Bundesländer«, schreibt mir meine Kollegin Veronika Hackenbroch, Gesundheitsexpertin und selbst Medizinerin. »Klarheit schafft das Urteil nicht, und der Anspruch von Menschen mit Behinderung auf gesetzlichen Schutz vor Diskriminierung bleibt auch weiter unerfüllt.« Na, pocht Ihnen schon der Kopf vor lauter Kompetenzgerangel? Dann geht es Ihnen wie meinem Finger.

2. Trumps Rekordpleite

Friedrich Nietzsche, diese sächsische Frohnatur, hat 1886 geschrieben: »Der Irrsinn ist bei Einzelnen etwas Seltenes, – aber bei Gruppen, Parteien, Völkern, Zeiten die Regel.« Wir müssen Nietzsche zugutehalten, dass Donald Trump erst 60 Jahre später geboren wurde, der Philosoph und der heutige US-Präsident haben sich nie kennengelernt. Sonst hätte Nietzsche seinen Aphorismus womöglich erweitert, etwa um den Passus »… und im Weißen Haus«. Mad MAGA.

Heute Nacht wird die Liste der unrühmlichen Trump-Rekorde wohl um einen Eintrag länger: Tag 36 des Shutdowns, länger dauerte der totale Stillstand von Staat und Verwaltung noch nie. 650.000 Angestellte im Zwangsurlaub. 730.000 Beschäftigte, die zwar arbeiten, aber ebenso wenig bezahlt werden. Und 42 Millionen Haushalten fehlt die staatliche Unterstützung beim Lebensmitteleinkauf (hier dazu mehr). Gehen Sie nicht über Los. Und Trump? Lässt sich »nicht erpressen«, tönt der US-Präsident in Interviews. Er sei zuversichtlich, dass die Demokraten im Kongress kapitulieren würden. Und wenn nicht, »ist das ihr Problem«.

Meine Kollegin Ines Zöttl hat Menschen getroffen, die jetzt an den Suppenküchen des Landes anstehen müssen. Eine von ihnen, Tiffany, meint: »Als Präsident sollte Trump die Amerikaner schützen. Stattdessen lässt er uns hier draußen leiden.« Für das Artikelfoto werde sie nicht lächeln, sagt sie: »Ich bin wütend.«

3. Das Land der aufgehenden Sonne

Wenn Sie sich jetzt fragen, warum ich überhaupt mit Gehwegplatten jongliere: Die Terrasse draußen muss erneuert werden. Platten hochnehmen, abdichten und ja, selbstverständlich gibt es dazu eine DIN-Norm (18195-1), we are in Germany. Das ist sicher nicht der alleinige Grund, weswegen sich das Terrassenprojekt nun schon seit zwei Monaten hinzieht. Aber ich ahne, dass ich in, sagen wir, China längst einen voll betonierten Hinterhof hätte.

Und das Dach voller Solarmodule: Im ersten Halbjahr 2025 hat die Volksrepublik neue Sonnenkraftwerke mit 212 Gigawatt in Betrieb genommen – das ist ungefähr das Doppelte an Kapazität, was in Deutschland über die vergangenen 25 Jahre hinweg installiert wurde (hier mehr ). Es werde Licht! Das Tempo des Ausbaus sei »halsbrecherisch«, so das Urteil der Analysten von Wood Mackenzie. Dabei ist das noch längst nicht alles: »Das Regime in Peking hat vorgegeben, den Anteil von Solar- und Windparks an der nationalen Stromproduktion von 18 Prozent im Jahr 2024 auf 24 Prozent in 2026 zu steigern«, schreibt mein Kollege Claus Hecking in seiner Analyse. Eine gute Nachricht für das Weltklima, so kurz vor Beginn des Gipfels in Belém. Auch wahr: Kein Land der Welt baut so viele neue Kohle- und Atommeiler wie China.

Viel Licht. Und viel Schatten.

Was heute sonst noch wichtig ist

  • Früherer US-Vizepräsident Dick Cheney ist tot: Er prägte als Vizepräsident maßgeblich die US-Politik nach den 9/11-Anschlägen und stand für die republikanische Partei alter Prägung: Der konservative Politiker Dick Cheney ist jetzt im Alter von 84 Jahren gestorben.

  • Wadephul sieht »überhaupt keine Differenz« zu Merz in Syrien-Frage: Wie weit liegen Friedrich Merz und sein Außenminister in der Syrien-Frage auseinander? Nach dem Kanzler-Machtwort ist Johann Wadephul bemüht, den Eindruck eines Zerwürfnisses zu zerstreuen.

  • Norwegens Staatsfonds will gegen Elon Musks Billionenvergütung stimmen: Tesla-Aktien im Wert von mehr als einer Billion Dollar: So viel soll Firmenchef Elon Musk im besten Fall erhalten. Kurz vor der entscheidenden Abstimmung über das Paket stellt sich einer der größten Aktionäre dagegen.

Was wir heute bei SPIEGEL+ empfehlen

Gedenkort an der Stelle, wo Rabin ermordet wurde

Gedenkort an der Stelle, wo Rabin ermordet wurde

Foto:

Jonas Opperskalski

Wie Israel den Kampf um den Frieden verlor: Er war maßgeblich für den Oslo-Prozess, der Israelis und Palästinensern Frieden bringen sollte: Vor 30 Jahren wurde Israels Premier Yitzhak Rabin ermordet. Politiker, die damals gegen ihn hetzten, haben heute die Macht im Staat .

Was heute weniger wichtig ist

Ritterschlag im traditionellen Stil

Ritterschlag im traditionellen Stil

Foto: Jonathan Brady / AP

Auf die Knie: Fußballrentner und Ex-Unterwäschemodel David Beckham, 50, ist heute von König Charles III. zum Ritter geschlagen worden. »Ich bin unheimlich stolz, und es ist ein sehr emotionaler Moment für mich«, so Sir David bereits im Juni, als die Ehrung verkündet worden war. Für die heutige Zeremonie im Schloss Windsor musste Becks knien – ausgerechnet auf dem rechten Knie, dessen Verletzung ihm 2007 noch die US-Saison verhagelt hatte. Lange her. Heute ein Ritter!

Mini-Hohlspiegel

Von der Website der Stadtwerke Bonn, swb.de: »Liebe Kundinnen und Kunden von SWB Bus und Bahn, aufgrund von Wartungsarbeiten ist unser Kunden-Portal zur Abo-Ticket-Buchung derzeit leider erreichbar. Wir arbeiten mit Hochdruck an einer Lösung.«

Hier finden Sie den ganzen Hohlspiegel.

Entdecken Sie hier noch mehr Cartoons.

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Thomas Plaßmann

Carsten Müller und Steffi Bohle

Carsten Müller und Steffi Bohle

Foto:

Manuel Thomé

Könnten Sie über Sex reden. Mit ihren Kindern. Meine Kollegin Annika Schultz hat mit Steffi Bohle und Carsten Müller gesprochen, beides ausgebildete Sexualpädagogen. Was die so erzählen? »Mich haben Kinder schon gefragt, ob sie jetzt schwanger sind, weil sie mit Papa in einem Bett geschlafen haben.« Sie merken schon, es gibt viel zu bereden. Was Sie dabei allerdings unbedingt vermeiden sollten, lesen Sie hier .

Einen schönen Abend. Herzlich

Ihr Jens Radü, Chef vom Dienst

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